Ungesunde Arbeitsbedingungen und hohe Fluktuation
«Man hat den Eindruck, dass es bei gewissen Personaldienstleistern Quoten gibt», hört man bei HR-Verantwortlichen, «alle drei Monate ist eine neue Person da, die auf Umsatz angesetzt ist. Ganz klar ein Durchlauferhitzer-Job.» Diese Aussage wurde gegenüber HR Today mehrfach bestätigt. Von Personen, welche die Personaldienstleistungsbranche inzwischen verlassen haben, aber auch von solchen, die noch dort tätig sind. Im Folgenden die Erlebnisse von zwei Frauen, die aus der Personaldienstleistung ausgestiegen sind. Beide wollen ungenannt bleiben, ihr Name wurde geändert.
Die Deutsche Andrea Schmitt arbeitete vor nicht allzu langer Zeit für einen Personaldienstleister in der Schweiz. Als Account Manager war sie hauptsächlich für die Akquise zuständig. Sie suchte Manager innerhalb von Firmen, die für ihre Projekte temporäre Verstärkung suchten. Sie suchte auch nach Kandidaten, doch das war der kleinere Teil ihrer Arbeit.
Unter Druck wurden Zahlen frisiert
Andrea Schmitt verliess das Unternehmen weniger als ein Jahr nach Jobantritt, mit ambivalentem Fazit: «Die Dienstleistung des Unternehmens fand ich immer gut. Nicht einverstanden war ich mit der Behandlung der Mitarbeitenden. Wir waren austauschbar, was uns auch regelmässig gesagt wurde, und wir wurden an der Quantität, nicht Qualität gemessen.» Konkret seien acht Telefonkontakte pro Tag vorgeschrieben gewesen. Diese mussten aber je drei bis vier zentrale Infos über das entsprechende Unternehmen zutage bringen: Ansprechpartner, Teamstrukturen, welche Skills gebraucht wurden und wann neue Projekte starteten.
«Die Person am anderen Ende des Telefons, der potenzielle Kunde, erhielt täglich viele Anrufe von Leuten wie mir. Manchmal war ich die fünfte, manchmal die zwanzigste. Darum wollte diese Person oft nicht mehr mit mir sprechen.» Die Konsequenz: Um die acht Kontakte inklusive interner Infos vorweisen zu können, hätten sie und die Leute in ihrem Team begonnen, an den Kontaktberichten herumzufrisieren. «Denn es zählte nur die Zahl. Um diese Zahl herum wurde ein Riesendruck aufgebaut, mit Kontrollen und Entlassungsdrohungen, auch mit dem Schüren von Konkurrenzgefühlen unter den Teamkollegen.»
Die Fixierung auf Zahlen sei vom deutschen Management her gekommen: «Aber so kann man in der Schweiz nicht arbeiten. Hier braucht es Zeit, bis eine Geschäftsbeziehung aufgebaut ist», so Andrea Schmitt.
Sie habe zwar ihre Ziele, eine gewisse Anzahl Abschlüsse, erreicht, dennoch war ihr schnell klar, dass sie bei diesem Arbeitgeber nicht alt würde: «Wird zu viel Druck ausgeübt, funktioniert ein Verkäufer nicht mehr. Ein guter Verkäufer braucht auch gar keinen Druck, der will doch aus eigenem Antrieb viele Abschlüsse machen.»
So dachten auch andere. Von ihrer ursprünglichen Crew von 16 Leuten arbeitete bereits nach einem Jahr nur noch eine Person dort. «Viele haben gelitten, viele hatten Alpträume. Und ich selbst kriege noch immer Herzklopfen, wenn ich an diese Zeit zurückdenke.» Heute arbeitet Andrea Schmitt in einer anderen Branche.
Die Deutsche Barbara Weber hat insgesamt fünf Jahre bei verschiedenen Personaldienstleistern in Deutschland gearbeitet, von denen zum Teil auch Ableger in der Schweiz existieren. Sie war vorwiegend als Recruitment Consultant tätig, verhandelte mit Kandidaten und Kunden. Schwierig fand sie die «moralische Flexibilität», wie sie es nennt: «Bei uns wurde oft nicht die Wahrheit gesagt, um einen besseren Preis herauszuholen.» Wurde als Vermittlungshonorar ein Teil des Jahreslohns bezahlt, hätte man versucht, den Kandidaten beim Kunden als top zu verkaufen, und gesagt, es gäbe derzeit keinen besseren am Markt. Bei Temporärarbeitern dagegen habe man mit fadenscheinigen Begründungen den Lohn gedrückt, um die Marge zu erhöhen.
Tempo wichtiger als Seriosität
«Es ging nicht um langfristige Zusammenarbeit, sondern nur um Abschlüsse», sagt Weber. «Alle grasen Online-Netzwerke ab und versuchen mit unseriösen Methoden an Kandidaten zu kommen.» Zum Beispiel werde am Telefon die Frau im Sekretariat einer Firma gefragt: «Wer in Ihrem Unternehmen ist für den Bereich XY zuständig?», um sich direkt an den Arbeitsplatz der unvorbereiteten Person verbinden zu lassen.
Ein ausführliches Telefon sei da natürlich nicht möglich, also telefonierte man ausserhalb der Arbeitszeiten, am Abend, am Wochenende – und hatte entsprechend 50- bis 60-Stunden-Wochen. «Es geht um Geschwindigkeit, und im Notfall kann es vorkommen, dass man einen Kandidaten noch nicht mal persönlich trifft», so Weber. Es war ihr Glück, dass sie einen Kandidaten, den sie eigentlich seriös einschätzte, einen Tag vor dem Interview doch noch traf – er hatte eine intensive Alkoholfahne.
Die Fluktuation bei Barbara Webers Arbeitgebern war hoch, ein bis zwei Jahre hätte der Durchschnittsjob in Vertriebspositionen gedauert. «Es war alles standardisiert, wir waren jederzeit austauschbar. Einige Unternehmen haben uns das auch spüren lassen», sagt Weber. Heute arbeitet sie im HR.
Darunter leidet die Beziehung HR – Personalberater
So nerven Sie Ihre HR-Kontaktfrau
- Ihre HR-Kontaktfrau ist explizit nicht an Ihren Dossiers für die ausgeschriebene Stelle interessiert. Sie schicken dennoch zwei, kann ja nicht schaden.
- Sie schwärmen Ihrer HR-Kontaktfrau von Ihrem Netzwerk mit den Besten der Branche vor. Ihre Kontakte stammen allerdings von Xing und LinkedIn.
- Sie verschicken das Dossier eines Kandidaten, ohne ihn gefragt zu haben. Wenn er eingeladen wird, freut er sich sicherlich über Ihren netten Zug. Falls er sich schon selbst dort beworben hat und somit zwei Dossiers vorliegen: Doppelt genäht hält besser!
- Sie schicken Ihrer HR-Kontaktfrau ein perfekt passendes Dossier – und erwarten dafür einen fünfstelligen Betrag.
- Ihre HR-Kontaktfrau hat Ihnen zugesagt, Dossiers einzureichen. Sie kopieren das Stelleninserat, ändern drei Wörter und stellen es unter Ihrem Namen ins Netz. Kandidaten, die nun verunsichert sind, an welche Stelle sie gelangen sollen, können sich ja erkundigen.
- Dass Sie der Dritte an diesem Morgen sind, der die HR-Frau über eine Stelle ausfragen will, dafür können Sie nichts. Das Gegenüber nimmt es Ihnen trotzdem übel ...
- Die eine Lücke im CV ist Ihnen nicht aufgefallen. Man braucht ja nicht gleich anzunehmen, dass der Kandidat da im Gefängnis war.
- Für einmal musste es schnell gehen, Sie konnten die Kandidatin nicht vorgängig treffen. Beim Vorstellungsgespräch macht sie einen seriösen Eindruck. Nur den Kaugummi hätte sie aus dem Mund nehmen sollen.
- Sie haben zwar keine Ahnung von der Branche, für die Sie Kandidaten suchen, aber mit Ihrem Verkaufstalent machen Sie das locker wieder wett.
- Bei Ihnen ist die Fluktuation hoch, auch Sie springen demnächst ab. Nun, Ihre HR-Kontaktfrau hat sicher nichts gegen ein bisschen Abwechslung bei ihren Ansprechpartnern.
- Sie nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau: Sie wissen, dass Sie die Forderung Ihrer HR-Kontaktfrau nicht erfüllen können, vier passgenaue Kandidaten in einer Woche zu liefern, das gibt Ihr Netzwerk in dieser Branche nicht her. Sie geben dennoch Ihre Zusage – wer wagt, gewinnt. Im Notfall gibt es ja immer noch Xing.
- Sie arbeiten zu langsam!
So nerven Sie Ihren Personalberater
- Sie sagen «Ja, klar» auf die Frage Ihres Personalberaters, ob er Dossiers schicken soll. Dass der Vorgesetzte der konkreten Vakanz eine Aversion gegen Personalberater hat, soll nicht schon von vornherein das Geschäft vermiesen.
- Sie selbst haben eine Aversion gegen Personalberater. Diese führen Ihnen immer wieder vor Augen, dass Sie nicht imstande sind, diese Arbeit selbst zu machen, und das nagt an Ihrem Selbstwertgefühl. Dass Sie noch andere Aufgaben haben, tut dabei nichts zur Sache.
- Das Dossier, das Ihr Personalberater eingereicht hat, passt perfekt. Wenn da nur nicht dieser eine kleine Bruch im Lebenslauf wäre. Der Kandidat hat sich offenbar mal vorübergehend in einer anderen Branche versucht. Man soll ja Risiken eingehen im Leben. Aber nicht bei der Stellenbesetzung!
- Das Stellenprofil der zu besetzenden Stelle ist intern noch nicht definitiv fixiert, die Abteilung wird gerade restrukturiert. Sie geben dem Personalberater ungefähre Angaben. Das muss reichen.
- Die Kandidatin, die Ihr Personalberater vorschlägt, interessiert Sie. Der Personalberater ist gerade nicht erreichbar, also warum die Kandidatin nicht direkt kontaktieren? Schliesslich hat Ihnen der Personalberater im CV das E-Mail und die Handynummer der Kandidatin mitgeliefert. Ihm war wohl klar, dass er zurzeit schlecht erreichbar ist, und er wollte Ihnen die Arbeit erleichtern.
- Was sich liebt, neckt sich. «Ein bisschen netzwerken und ein paar Dossiers zusammenstellen, und dann holen Sie Zehntausende ab. So locker möchte ich es auch einmal haben.» – Netzwerken ist schliesslich ein Schoggijob.
- Hohe Honorarsummen deuten Ihrer Meinung nach meist darauf hin, dass der Personalberater abzockt. Und wird das Honorar aufgrund des Jahresgehalts des künftigen Mitarbeiters berechnet, ist davon auszugehen, dass der Personalberater Ihnen nicht die Besten, sondern die Teuersten vorschlägt.
- Sie nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau: Wenn Sie dem Personalberater sagen, er sei der Einzige, der für Sie sucht – obwohl da noch ein paar andere sind –, dann gibt er sich mehr Mühe.
- Sie arbeiten zu langsam!