Employer Branding

Eine neue Denke ist gefragt

Wer denkt, ein schöner Messestand an einem Recruiting Event sei Employer Branding, der irrt sich. Wer denkt, Employer Branding sei ein guter Arbeitgeberauftritt auf Facebook, 
irrt sich noch mehr. Und wer meint, dass Employer Branding 
eine reine HR-Aufgabe sei, wird zwangsläufig scheitern.

Employer Branding ist ein Treiber von Produktivität. Und diese kann man messen. Es gibt Firmen wie die AXA Winterthur, die inzwischen mit Erfolg ein «Employer Brand Dashboard» führen und dieses als strategisches Planungsinstrument einsetzen. Gemessen werden nicht nur die Aussen- und die Innenwahrnehmung der Arbeitgeberin. Es geht auch um Themen wie Fluktuation unter den Top-Performern, Ausbildungsinvestitionen, Abwesenheitstage, Net Promoter Score, Produktenutzung durch Mitarbeitende und Engagement. Aus den Daten lassen sich Schlüsse ziehen: Sollen wir uns eher um Retention kümmern oder ist unser Schwerpunkt das Recruiting von Hochschulabsolventen?

Employer Branding als Produktivitätstreiber

Die Forschung zeigt, dass die Produktivität der Mitarbeiter stark damit verbunden ist, ob sie einen Sinn in ihrer Arbeit sehen, ob sie Verantwortung übernehmen können und ob ihren Bedürfnissen mit Respekt begegnet wird. Eine aktuelle Studie des renommierten Markt- und Meinungsforschungsinstituts Gallup zeigt auf erschreckende Art auf, wie viel Potenzial an Produktivitätssteigerung in den Unternehmen brachliegt. Gemäss dieser Studie machen 61 Prozent aller Angestellten in Deutschland «Dienst nach Vorschrift».

Employer Branding ist keine reine HR-Aufgabe. Die Arbeitgebermarkenbildung ist viel mehr. Sie ist die Kunst der Orchestrierung der strategischen und operativen Unternehmensführung, der internen und externen Kommunikation sowie eines «gescheiten» Marketings, mit dem Idealziel, dass sämtliche Mitarbeiter einer Organisation die «Partitur» lesen und die «Sinfonie» spielen können. HR hat dabei die zentrale Rolle des Konzertmeisters, kann aber ohne Orchester nichts ausrichten.

Was innen nicht brennt, kann aussen nicht leuchten

Wird Employer Branding ernsthaft angewendet, entstehen neue Funktionen und Rollen. Die Marketingabteilung merkt, dass die Mitarbeitenden als Produktebotschafter einflussreicher sein können als manch teurer Werbespot. Der Unternehmensaufsicht und -leitung wird bewusst, dass Führungsverhalten, das mit den Unternehmenswerten nicht kompatibel ist, zunehmend einen massiv negativen Einfluss auf den Ruf der Organisation hat. Die interne und externe Kommunikation begreift, dass nur ehrliche Botschaften nachhaltig Wirkung entfalten, und das Marketing sieht ein, dass mit einer blutleeren Hochglanzfassade auf die Dauer kein Kundenherz zu gewinnen ist.

Alles hängt zusammen: HR-Prozesse mit Führungssystemen und Marketing mit echten Geschichten. Kunden merken heute genauer als je zuvor, ob eine Dienstleistung von Herzen kommt, oder ob sie einfach aufgesetztes Marketinggetrickse ist. Unternehmenskultur und Employer Branding sind eng miteinander verzahnt. Employer Branding kann nur dann seine Wirkung entfalten, wenn alle Prozesse, Systeme, alle Rituale und Symbole die gleiche Geschichte erzählen.

Insofern ist Employer Branding eine langfristige Abstimmung aller Kontaktpunkte zwischen Mitarbeitenden und dem Unternehmen auf eine klare Botschaft. Die Botschaft des Unternehmens bestehend aus Vision, Mission, Zielen, Werten und Ritualen. Wer seine Mitarbeitenden wie seine besten Kunden behandelt, ist auf dem richtigen Weg. Bei den Ritz Carlton Hotels gilt der Leitsatz: «Ladies & Gentlemen serving Ladies & Gentlemen».

Erlebnisse schaffen

Dabei ist Employer Branding keine Frage des Budgets und keine Frage der Firmengrösse. Der Schreiner im Dorf braucht sich um gute Lehrlinge keine Sorge zu machen, solange er einen guten Ruf hat – das Employer Branding wirkt hier verblüffend einfach und intuitiv.

Eine neue Denke ist gefragt: Ist die Organisation genauso fähig, aus der Perspektive des Mitarbeitenden zu denken, wie sie fähig ist, aus Kundensicht neue Dienstleistungen mit differenzierenden Alleinstellungsmerkmalen zu entwickeln? Welches Erlebnis müssen wir den Mitarbeitenden vermitteln, wenn sie helfen sollen, die strategischen Ziele zu erreichen?

Ein kleines Beispiel, was «Erlebnis» bedeuten kann: Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren ihre Kantinen an spezialisierte Dienstleister ausgelagert. Was aus ökonomischer Kurzsichtigkeit durchaus Sinn macht, ist für die Persönlichkeit des Unternehmens kompletter Blödsinn. Denn es wird ein zentraler Ort eines sinnlichen Rituals der Gleichmacherei preisgegeben, wo man sich auf einfachste Art und Weise im Herzen der Mitarbeitenden profilieren könnte.

Doch aufgepasst: Es gibt kein 08/15-Rezept für richtiges Employer Branding. Copy/Paste klappt nicht. Identitäten sind individuell. Die folgenden zwei Zutaten gelten jedoch für jedes Unternehmen:

1. Eigenständige Positionierung

Sind Sie auch ein Arbeitgeber mit fortschrittlichen Arbeitsbedingungen, zeitgemässer Entlöhnung und einer guten Pensionskassenlösung? Einer, der Wert auf Work-Life-Balance und Weiterbildung legt? Na, dann: willkommen im Club. Das behaupten alle.

Ganz anders, und damit profilierter, ist die Southwest Airlines. Sie schreibt sich auf die Fahne: «Wir haben Kampfgeist, ein Herz für Kunden und Spass bei der Arbeit». Die ulkigen Werbespots, in denen die Hauptrollen durch die Mitarbeitenden besetzt sind, sind längst schon Kult. Legendär ist auch der rappende Flight Attendant der Soutwest Airlines mit fast einer halben Million Klicks auf Youtube. Er wurde deswegen nicht etwa gefeuert, sondern durfte vor den versammelten Aktionären seinen Rap erneut performen.

2. Geschichten erzählen

Employer Branding heisst glaubhaft Geschichten erzählen. Ein Unternehmen, das seine Mitarbeitenden wie seine besten Kunden behandelt, braucht keine inszenierten Recruitingvideos in Auftrag zu geben, in denen die Mitarbeitenden zu braven Kommunikationsobjekten mit vorgegebenem Skript degradiert werden. Der Klassiker sind die unverfälschten Mitarbeiterporträts auf der Stellenbörse der Zürcher Verkehrsbetriebe. Wenn Mitarbeitende sich wohl fühlen, die gleichen Werte teilen wie ihre Arbeitgeber und sich begeistert einsetzen, werden sie von selbst zu unbezahlbaren Markenbotschaftern. Sie erzählen wahre Begebenheiten und nutzen dabei Social-Media-Kanäle auch informell und deshalb authentisch.

Fazit

Neue Prozesse und Rituale sind gefragt, wobei die Zauberworte Kohärenz und Glaubwürdigkeit heissen. So können wir nicht nach unternehmerischem Denken rufen und dem Mitarbeitenden keine Verantwortung übertragen. Werden Prozesse und Rituale nach ihrer Kohärenz und Glaubwürdigkeit abgeklopft, beginnt man die unheimlich grosse Kraft zu entdecken, die in einer richtig geführten Arbeitgebermarke steckt. Plötzlich sieht man die vielen kleinen Dinge, die den grossen Unterschied machen.

Einen Nährboden schaffen, der es den Mitarbeitenden ermöglicht Ihr Bestes zu geben, in jeder Situation unternehmerisch zu handeln und gleichzeitig ein Maximum an Energie freizusetzen. Das ist der Auftrag von Employer Branding. Nicht Glanz und Grösse zählen, sondern Glaubwürdigkeit und Originalität.

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Christoph Jordi war Marketing-Chef der Winterthur Versicherungsgruppe und Kadermitglied des AXA-Konzerns in Paris. 
Als Gründer der Beratungsfirma «Dodifferent» entwickelte 
er den neuen Kurs zum «Certified Employer Branding Expert SIB». dodifferent.com

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