HR Today Nr. 9/2020: Praxis – Flexibilisierung

Eine neue Rolle für das HRM

Die Flexibilisierung von Arbeit und Beschäftigung ist aus der Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Sie macht Organisationen agiler und kann zu entscheidenden Wettbewerbsvorteilen führen. Doch was sind Chancen und Risiken für Unternehmen und wie gestaltet sich die Rolle des HR als «FlexManager»?

Bisher stand vor allem die zeitliche Flexibilisierung im Fokus. Hier nimmt die Schweiz europaweit einen Spitzenplatz ein. So arbeiten gemäss Bundesamt für Statistik 45 Prozent der Beschäftigten hierzulande zeitlich flexibel.¹ Gleitzeit, Teilzeitarbeit, Schichtarbeit oder das Angebot von Sabbaticals sind Standard in vielen Unternehmen. Vor allem die Teilzeitarbeit hat an Bedeutung gewonnen und verzeichnete in den vergangenen 20 Jahren einen Anstieg von über 11 Prozent.²

Mobilflexibles Arbeiten – darunter fallen alle Arbeitsformen, bei denen Mitarbeitende ausserhalb des normalen Arbeitsplatzes tätig sind – war indes bisher weniger stark verbreitet. Covid-19 brachte mit sich, dass sich die Zahl der im Homeoffice arbeitenden Personen auf 50 Prozent aller Erwerbstätigen verdoppelt hat, das auch in Berufen, bei denen das bislang für unmöglich gehalten wurde.³

Arbeitsverhältnisse werden flexibler

Weniger im Fokus der öffentlichen Diskussionen steht der Boom bei der Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse. ­Darunter fallen unter anderem Temporärmitarbeitende, Freelancer oder Personen mit befristeten Arbeitsverträgen sowie Personen, die über vermittelnde Online-Plattformen (Gig und Crowd Working) Arbeit finden. Laut dem Verband der Personaldienstleister, swissstaffing, haben 2018 über 400 000 Personen temporär gearbeitet.⁴ Auch international zeichnet sich die zunehmende Bedeutung von flexiblen Beschäftigungsverhältnissen ab. So gaben in einer Studie⁵ 41 Prozent der weltweit befragten Arbeitgebenden an, zunehmend auf befristet arbeitende Contingent Worker zu setzen.

Die flexiblen Beschäftigungsverhältnisse wurden bisher vor allem aus Arbeitnehmenden-Perspektive kritisch diskutiert, unter anderem mit Bezug zu prekären Arbeitsverhältnissen und unzureichender sozialer Absicherung. Dass dennoch ein reges Interesse seitens der betreffenden Personen an flexiblen Beschäftigungsformen besteht, sollte dabei nicht vergessen werden. So zeigen jüngste Ergebnisse, dass nebst der Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben auch finanzielle Gründe, Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung sowie Anerkennung als Motive für FlexWork angegeben werden.⁶

Auffallend ist, dass die Chancen und Risiken aus Perspektive von Unternehmen bisher kaum erforscht worden sind. Entsprechend existieren nur wenige praktisch erprobte Instrumente zum integrierten Management von internen und externen Personalressourcen (Blended Workforce). Die Folge ist ein meist reaktives und insgesamt wenig systematisches Management der Blended Workforce, bei dem Linienverantwortliche und Einkauf häufig ohne Abstimmung mit der HR-Abteilung Temporärarbeitende und FlexWorker suchen und einsetzen. Durch diese Entstehung von Parallelwelten können Synergien nicht genutzt werden.

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und die Wettbewerbsfähigkeit von Organisationen zu stärken, wird das HRM künftig verstärkt gefordert. Die neue Rolle des HR als «FlexManager» bei der Implementierung passender Flex-Strategien und Programme ist zu definieren, beispielsweise bei der Rekrutierung, dem Onboarding, der Personaleinsatzplanung, der Führung, der Leistungsbeurteilung, der Personalentwicklung, dem Talent-Management oder dem Active Sourcing der Blended Workforce.

Von Bedeutung ist insbesondere, welche neuen Aufgaben auf das HR zukommen, welche Kompetenzen dafür aufgebaut werden müssen und wie eine optimale Zusammenarbeit zwischen HR und der Linie bei der Bewirtschaftung einer Blended Workforce ausgestaltet werden kann. Weiter ist im HR selbst zu prüfen, inwieweit die HR-Abteilung jenseits des Outsourcings ganzer HR-Prozesse von der Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse profitieren kann.

Quellen:

Literatur zum Thema:
Zölch, Oertig & Calabrò (2020). Flexible Workforce – Fit für die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt? Strategien, Modelle, Best Practice (2. Aufl.). Bern: Haupt.

FHNW-Befragung

Eine aktuelle Standortbestimmung zur Flexibilisierung von Arbeit und zu den Herausforderungen für das HR in Schweizer Unternehmen ist angesichts der vorgestellten Entwicklungen wichtiger denn je. Um Antworten auf die obgenannten Fragen zu bekommen, lanciert HR Today in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW eine Befragung, in der Schweizer HR-Fachkräfte zur Flexibili­sierung der Arbeitsverhältnisse befragt werden. Die Ergebnisse der Untersuchung werden im Januar 2021 an der FHNW in Olten vorgestellt.

Teilnahme an der Studie sowie weitere Informationen zum Event: fhnw.ch/hrtoday-flexwork

 

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Christina Schaltegger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Personalmanagement und Organisation, Hochschule für Wirtschaft FHNW.

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Christoph Vogel (M.Sc.) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Personalmanagement und Organisation (PMO) und Studiengangleiter des CAS Integriertes Personalmanagement in kleinen Unternehmen an der Hochschule für Wirtschaft der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW.

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Martina Zölch ist Leiterin des Instituts für Personalmanagement und Organisation an der Hochschule für Wirtschaft FHNW.

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