Generationenmix

Eine zielbewusste Generation mit 
klaren Ansprüchen an das Berufsleben

Die Herausforderungen des demografischen Wandels für das HRM werden in erster Linie meist darin gesehen, wie sich 
alternde Mitarbeitende besser und länger im Arbeitsprozess halten lassen. Doch wie steht es denn um die Integration der jungen Nachwuchskräfte, die immer schwieriger zu finden und zu binden sind?

Als Generation Y wird sie von den Soziologen bezeichnet – die Altersgruppe der in den 1980er Jahren Geborenen, die jetzt von den Bildungseinrichtungen in die Arbeitswelt wechselt. Und die sich grundlegend von der vorangehenden Generation X unterscheidet, die der kanadische Schriftsteller Douglas Coupland als von der Wohlstandsgesellschaft enttäuschte Konsumverweigerer beschrieben hatte. Eine Studie der Unternehmensberatung Deloitte (1) macht klar: Im Jahr 2025 werden zwischen 40 und 60 Prozent der Arbeitnehmer in den bevölkerungsreichsten Ländern der Welt – sowohl in den entwickelten Wirtschaftsregionen als auch in den Schwellenländern – der Generation Y angehören oder jünger sein. Um diese als Mitarbeitende für ein Unternehmen zu gewinnen, gilt es zu beachten, was die Angehörigen dieser Generation laut Deloitte besonders wertschätzen: eine langfristige Karriereentwicklung und vielfältige Erfahrungsmöglichkeiten innerhalb eines Unternehmens, Sinn für Ziele und Bedeutung der Arbeit, unternehmensweite Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Mentoren, Work-Life-Flexibilität, technologische und wissenschaftlich orientierte Arbeitsumgebung sowie offene soziale Netzwerke mit einer offenen und ehrlichen Kommunikationskultur.

Bereit zu Engagement und 
Übernahme von Verantwortung

Mit den demografischen Herausforderungen hat sich im vergangenen Herbst auch Diversity Roundtable Schweiz beschäftigt, ein Netzwerk von Diversity-and-Inclusion-Verantwortlichen in Grossunternehmen. Bei der Fach
tagung an der ETH Zürich kam es nicht nur zu einem  grundlegenden Austausch zwischen Forschung und betrieblicher Praxis. Durch den Einsatz von Studierenden als Berichterstatter aus den Diskussionsforen wurde auch die Sichtweise der jungen Generation einbezogen. Darunter war auch Charlotte Sieber, 25-jährige Jusstudentin aus Bern und Vorsitzende der Young European Swiss. Sie bestätigt das Bild von der «Projektgeneration», die bereit ist, sich für Themen zu engagieren, welche sie bewegen, und dort Verantwortung zu übernehmen, wo sie etwas verändern will. 
Unabhängig von Generationengrenzen wünscht sich die junge Frau im Arbeitsleben wie in der gesellschaftlichen und politischen Debatte vernetzte Strukturen, offene Diskussionen und gemeinsame Ideenentwicklung. Im Umgang mit älteren Generationen sieht sie kein grundsätzliches Problem, doch sie weiss aus eigener Erfahrung sowie von Kolleginnen und Kollegen, dass die Zusammen
arbeit nicht immer konfliktfrei verläuft.

Bei der Kleiderordnung beispielsweise ist sie bereit, Kompromisse einzugehen: Bei der Arbeit in einer Anwaltskanzlei verzichtet sie auf die sonst üblichen Turnschuhe, obwohl sie dort keinen direkten Kundenkontakt hat. Aber es gibt für sie Grenzen: «Niemals im Deux-Pièces!» Im Studium wie bei der Arbeit hat sie übrigens festgestellt, dass junge Männer in Jeans und T-Shirt eher ernst genommen werden als junge Frauen in derselben Kleidung – das ist kein Generationenproblem.

Unterschiedlichen Wertorientierungen von Alt und Jung müssen nicht unbedingt zu Konflikten führen. «Spannungen zwischen den Generationen wirken, genauso wie auch Spannungen im Prozess der Adoleszenz in der Familie, immer auch produktiv und helfen den jungen Menschen, die erforderliche Autonomie und Eigenständigkeit zu gewinnen», schreibt Ulrich Schneekluth in der 15. Shell Jugendstudie (2), in der unter anderem die Frage untersucht wurde, wie die heutigen Jugendlichen mit dem demografischen Wandel umgehen, ob er für sie bereits ein Thema ist und ob sie sich davon betroffen fühlen. Schon bei der Frage, wann jemand jung beziehungsweise alt ist, zeigte sich, wie sehr sich klassische Bilder verändert haben: 9 Prozent der befragten Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 sagen, wer die Schule beendet hat, gehört nicht mehr zur Jugend. 17 Prozent sehen die Altersgrenze dann, wenn eine feste Arbeitsstelle angetreten wird. Für die meisten – 38 Prozent – ist die Jugend mit der Gründung einer Familie mit Kindern vorbei. Immerhin 30 Prozent machen diese Frage aber nicht vom Alter, sondern vom Verhalten abhängig: Für sie gilt jemand nicht mehr als Jugendlicher, wenn er/sie sich nicht mehr jugendlich gibt. Ähnlich ist das Bild bei der Frage, wann jemand alt ist: 39 Prozent sagen, alt ist jemand, der in Rente gegangen ist. 27 Prozent sehen einen Zusammenhang mit Altersgebrechlichkeit, 17 Prozent mit eigenen Enkeln und 14 Prozent verweisen auf graue Haare, Falten und andere äussere Merkmale.

Die Wertvorstellungen der Älteren 
wirken teilweise abschreckend

Daraus schliessen die Autoren der Studie: 
Jugend, Erwachsensein und Alter sind für die Jugendlichen nicht mehr eindeutig mit den gesellschaftlichen Rollen klassischer Lebensphasen (Schule, Arbeit, Ruhestand) verbunden. Auch die persönlichen Gegebenheiten (gesund und fit, sich jung geben) spielen eine wichtige Rolle. Doch das «jugendliche» Gebaren der Älteren kann zum Problem werden. Er empfinde dies oft als anbiedernd und verunsichernd, sagt Dominik Gerber, einer der Forumsreporter von Diversity Roundtable Schweiz. Der 25-jährige Politologe hat neben seinem Studium an der Universität Genf häufig als Übersetzer gearbeitet und sich bei diesem ersten Kontakt mit der Arbeitswelt gleich doppelt entfremdet gefühlt: als Deutschschweizer in der Romandie und als Jugendlicher in einem Betrieb, dessen Mitarbeitende alle deutlich älter waren als die 40-jährige Chefin. In den Arbeitspausen habe er es als schwierig empfunden, einen unverkrampften Kontakt herzustellen; zu abschreckend seien die Wertvorstellungen, politischen Einstellungen und Gesprächsthemen gewesen. Und auch im Arbeitsprozess hätte sich der junge Mann mehr Unvoreingenommenheit und Offenheit für Neues gewünscht. Stattdessen seien Input und Ideen häufig rasch abgeklemmt worden mit dem Hinweis, das sei nicht möglich oder nicht realistisch. Dennoch ist der Jungakademiker überzeugt, dass die Zusammenarbeit über Generationengrenzen hinweg wichtig und richtig ist; eine Unterteilung in verschiedene Altersgruppen würde wertvollen Erfahrungsaustausch verhindern.

Auch in der Shell-Studie sehen die 
befragten Jugendlichen das Alter insgesamt positiv, sie nehmen aber ebenso die damit verbundenen Probleme wahr: 44 Prozent halten den demografischen Wandel für ein grosses, 26 Prozent sogar für ein sehr grosses Problem. Dabei spielt nicht nur das Alter der Jugendlichen eine Rolle (bei den 12- bis 14-Jährigen ist das Problembewusstsein noch nicht so ausgeprägt wie bei Studierenden und berufstätigen Jugendlichen), sondern auch persönliche Erfahrungen: Jugendliche, die häufiger Streit mit den Eltern haben, keinen Kontakt zu älteren Menschen wie beispielsweise ihren Grosseltern unterhalten und deren wirtschaftliche Lage im Haushalt eher schlecht ist, sehen das Verhältnis zwischen den Generationen insgesamt weniger entspannt.

Inwieweit sich solche Einstellungen auch auf die Zusammenarbeit mit älteren Kolleginnen und Kollegen im Arbeitsleben auswirken wird, lässt die Studie offen. Wissenschaftler sprechen aber bereits seit einigen Jahren von einem Wandel in der Arbeitsorientierung unter dem Schlagwort «sanfte Karriere». Dieser Begriff beschreibt die Abkehr von harten Kriterien wie hohes Einkommen, beruflicher Aufstieg und Erfolg. Stattdessen werden Sinn, Spass und Verantwortung zu zentralen 
Aspekten der beruflichen Selbstverwirklichung. Die Soziologin Anna Brake hat untersucht, welche Aspekte der Erwerbsarbeit für Jugendliche wichtig sind (3). Zu den häufigsten Antworten zählte es, eigene Ideen und Vorstellungen umsetzen zu können (84,5 Prozent), nicht immer dasselbe machen zu müssen (84,3), etwas bewegen und verändern zu können (80,5) sowie jeden Tag auf neue Herausforderungen zu treffen (71,0).

Neben diesen an Selbstverwirklichung orientierten Wünschen steht aber an oberster Stelle die Hoffnung auf einen sicheren Arbeitsplatz, der die Existenzgrundlage sichert. Die veränderten Ansprüche an Erwerbsarbeit führt Brake nicht allein auf einen «allgemeinen Orientierungswandel hin zu Selbstentfaltungs- und Mitbestimmungswerten» zurück, sondern vermutet dahinter teilweise auch den «starken Bildungs- und Qualifikationsdruck», dem sich die Jugendlichen kaum noch entziehen könnten. «Weil ich diesem Druck ausgesetzt bin, mich zu qualifizieren und weiterzubilden, müssen die Bedingungen meiner späteren Arbeit, für die ich dieses auf mich nehme, mich entschädigen», vermutet Brake als Maxime der Jugendlichen. Das Thema findet sich auch in der Shell Jugendstudie wieder: «Die Tatsache gestiegener Bildungsanforderungen wird sehr deutlich als ein Problem wahrgenommen, und zwar von Jugendlichen jeden Bildungslevels», heisst es dort.

Weniger eine Frage des Lebensalters 
als der inneren Einstellung

Für die generationenübergreifende Kooperation im Arbeitsprozess ist eine Erkenntnis der Jugendstudie ganz besonders wichtig: Jugend ist nicht nur ein Lebensabschnitt, sondern vor allem eine Perspektive. «Nicht der Kampf gegen Altes, sondern die Offenheit für Neues wird von der Jugend für sich in Anspruch 
genommen», konstatiert die Studie. «Auch alte Menschen werden als jung tituliert, wenn sie denn offen für Neues sind. Innovative Ideen für die Gesellschaft zu haben, sehen besonders die engagierten Jugendlichen geradezu als konstitutiv für die Jugend und die Generationenbeziehungen an.» Diese Erkenntnis ist allerdings nicht ganz neu, doch selbst wenn sie schon einmal früher formuliert wurde, ist sie deswegen nicht weniger wichtig und richtig: «Die Jugend kennzeichnet nicht einen Lebensabschnitt, sondern eine Geisteshaltung; sie ist Ausdruck des Willens, der Vorstellungskraft und der Gefühlsintensität. Sie bedeutet Sieg des Mutes über die Mutlosigkeit, Sieg der Abenteuerlust über den Hang zur Bequemlichkeit. Man wird nicht alt, weil man eine gewisse Anzahl Jahre gelebt hat: Man wird alt, wenn man seine Ideale aufgibt. (...) Jung ist, wer noch staunen und sich begeistern kann. Wer noch wie ein unersättliches Kind fragt: Und dann? Wer die Ereignisse herausfordert und sich freut am Spiel des 
Lebens.» Der dies geschrieben hat, war nicht Soziologe, sondern Politiker und Feldherr, beschäftigte sich aber lieber mit Philosophie als mit den inneren und äusseren Bedrohungen seiner Herrschaft: Die Formulierung stammt vom römischen Kaiser Marc Aurel (121–
180 n. Chr.).

Quellen:

  • 1
Managing the Talent Crisis in Global Manufacturing: 
Strategies to Attract and Engage Generation Y, Deloitte Global Manufacturing Industry Report 2007
  • 2Jugend 2006, 15. Shell Jugendstudie, S. Fischer, 2006
  • 3
Anna Brake, Familie – Arbeit – Freizeit: Was zählt?, 
Leske + Budrich, 2003
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Martin Winkel

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