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Emotionale Kompetenzen werden 
in Krisenzeiten wichtiger

Soziale Kompetenz spielt bei der Rekrutierung eine wesentliche Rolle – vor allem auch in Krisenzeiten. Statt mit Tests wird sie heute vermehrt mit anderen Instrumenten evaluiert.

Auch nach dem Boom der «Emotionalen Intelligenz», die in den 1990er Jahren durch das gleichnamige Buch von Daniel Goleman populär geworden war, haben die sozialen Kompetenzen von Mitarbeitenden eine grosse Bedeutung. «Gut am Boom war, dass man endlich über Emotionen am Arbeitsplatz redete», sagt Arbeitspsychologin und Unternehmensberaterin Tanja Wranik, die seit zehn Jahren in diesem Bereich forscht. Zusammen mit ihren Kollegen von der Unternehmensberatung HR Focus berät sie Firmen zu diesem Thema. Was seither mit dem Begriff Emotionale Intelligenz bezeichnet werde, umfasse jedoch mehrere unterschiedliche Fähigkeiten. Fachleute sprechen deshalb lieber von Emotionalen Kompetenzen.

Ein Instrument für alle Branchen und Positionen gibt es nicht

«Auf die grosse Begeisterung folgte die grosse Enttäuschung, weil die EQ-Tests nicht der Schlüssel für alle Probleme waren.» Die Tests seien oft einfach aus dem Amerikanischen – schlecht – übersetzt worden, ohne kulturelle Unterschiede einzubeziehen. Problematisch findet Tanja Wranik, dass viele HR-Verantwortliche von einem einzigen Test für alle ausgehen.

Kürzlich hat sie im Zusammenhang mit Entscheidungsprozessen im Finanzbereich mit HR-Verantwortlichen zusammengearbeitet: «Sie fragten nach Instrumenten, um die sozialen und emotionalen Fähigkeiten der Mitarbeiter zu prüfen.» Weil in jeder Branche und jeder Position andere Fähigkeiten gefragt sind, sei es aber wichtig, zusammen mit Fachspezialisten die richtigen Instrumente und Auswahlverfahren einzusetzen.

So werden zum Beispiel die Reaktionen der Kandidaten in Konfliktsituationen heute nicht nur im Rahmen von Assessment Centers geprüft, sondern auch in fordernden Mitarbeitergesprächen mit mehreren Interviewern. Zum Beispiel bei Novartis, wie Head of HR Communication Sandra Keil erklärt: «Reine Intelligenztests führen wir keine mehr durch. Soziale Kompetenzen werden in strukturierten Interviews abgeklopft.»

Auch Nationale Suisse prüft die sozialen Kompetenzen bei Interviews. Ergänzend dazu setzt sie computergestützte Systeme ein, die Verhaltensweisen der Bewerber aufzeigt. «Im Rahmen der darauf folgenden Feedbackgespräche wird nochmals sichtbar, wie gefestigt die Sozialkompetenz der jeweiligen Person ist», sagt Sandro Foiada von Nationale Suisse.

Krise führt zu vereinfachten 
Assessment-Verfahren

Softwareprogramme sind aber nur ein Teil des Ganzen. «Das Resultat eines Softwareprogramms dient als Hilfsmittel zu einer Entscheidung, das in ein strukturiertes Evaluationsgespräch integriert ist», betont Felix Comby. Er ist Gründer der Versus Systems AG, die Evaluationstools im Bereich soziale und fachliche Kompetenzen anbietet. Aussagekräftig sind auch die Verhaltensweisen eines Probanden während der Evaluation.

Felix Comby stellt fest, dass das Assessment-Verfahren seit Beginn der Wirtschaftskrise mehr und mehr in einer vereinfachten Form stattfindet, die sich an Effizienz und Leistung orientiert. «Das definitive Ziel lautet: Talente erkennen und entwickeln, Potenziale aktivieren.»

Alastair Coull, der für HR Focus in Genf tätig ist, ergänzt: «In Krisenzeiten werden emotionale Kompetenzen wie Belastbarkeit, Bewältigungsstrategien und die Steuerung der eigenen Gefühle wichtiger.» Bisher hat der Psychologe noch nicht festgestellt, dass die Mitarbeiter aufgrund der aktuellen Krise anders rekrutiert werden als vorher. Und er kann nicht vorhersagen, ob die Gesellschaften die Gelegenheit nutzen werden, um diese Kompetenzen zu fördern.

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Susanne Wagner ist freie Journalistin.

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