Pay per Applicant

«Es gibt genügend Firmen, welche die Marktentwicklungen verpasst haben»

Jobcloud hat im Oktober 2017 mit Applifly eine neue Dienstleistung für die Verwaltung von performancebasierten Recruiting-Kampagnen lanciert. Im Interview zieht CEO Renato Profico eine erste Bilanz.

Herr Profico, Jobcloud hat im Oktober 2017 mit Applifly ein «Pay per Applicant»-Modell lanciert, womit Job-Ausschreibungen pro effektive Bewerbung bezahlt werden können. Wie lautet Ihre Zwischenbilanz?

Renato Profico: Wir haben 2017 sowohl mit dem Modell Pay per Applicant (PPA) wie auch mit Pay per Click (PPC) zusammen mit Kunden Erfahrungen gesammelt und sind mit den Learnings und Ergebnissen sehr zufrieden. Wir haben die Tools, Prozesse und Ressourcen so aufgestellt, dass wir das Modell ab diesem Jahr für Kunden, welche die Bezahlung auf Performance-Basis wünschen, skalieren können.

Wie performt das «Pay per Applicant»-Modell im Vergleich zum «Pay per Click»- Modell?

Letztlich geht es ja in allen Modellen immer um dasselbe: Mit der Ausschreibung einer offenen Position einen Pool an valablen Bewerbern zu erhalten, aus dem ich dann entweder als Arbeitgeber den passenden Kandidaten einstellen kann, oder als Personaldienstleister die so «gesourcten» Bewerber  den Arbeitgebern vermitteln kann. Der einzige Unterschied besteht jeweils in der Auswahl der Bezahlmethode. In jedem Fall bleibt die Qualität am Schluss des «Bewerber-Funnels» entscheidend. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Kunden erstaunlicherweise eher das konventionelle «Pay per Click» dem «Pay per Applicant» vorziehen.

Nutzer von Applifly definieren selbst, wie viel Budget Sie für die Besetzung der Vakanzen investieren möchten. Wie ist die Resonanz seitens der Recruiter und wie hoch ist der Durchschnittsbetrag, der eingesetzt wird?

Die Budgets der Kunden reichen von monatlich 2000 bis 30'000 Franken. Diese Zahlen werden sich natürlich noch verändern, da wir erst jetzt angefangen haben, das Modell mit dem Applifly-Team breiter am Markt anzubieten. Die Resonanz bei den Recruitern zu den Performance-basierten Modellen ist sehr, sehr gut. Natürlich braucht es dazu auch immer sehr «KPI- und Performance-affine» Recruiter, die sich auch gerne mit der Materie beschäftigen und jederzeit Bescheid wissen, welches ihr Return on Investment (ROI) ist.

Das ist nach unseren Erfahrungen zurzeit eher bei den Personaldienstleistern und Grossunternehmen der Fall. Damit will ich nicht sagen, dass die Recruiter der KMU nicht «Performance-affin» sind – ganz im Gegenteil. Aber bei den KMU ist es in der HR-Abteilung vielfach eine Frage der Ressourcen-Allokation.

Wie hoch ist der Kundenanteil an Personal-Dienstleistern im Verhältnis zu klassischen Unternehmenskunden?

Zur Zeit ist der Anteil der Personaldienstleister, welche diese Modelle austesten oder bevorzugen, grösser.

Sie haben im «Applifly Network» Kooperationen mit Gratis-Plattformen im Angebot als auch Kooperationen mit sogenannten «Premium-Plattformen» in- und ausserhalb des Jobcloud-Universums. Wie unterscheidet sich die Nachfrage nach den beiden Modellen?

Der Vorteil des Kunden besteht darin, dass er sein monatliches Budget ohne Vorauszahlung und vertragliche Verpflichtung für seine offenen Stellen definieren kann und – je nach Modell – entscheiden kann, welchen Preis er pro Click oder pro Bewerber bereit ist zu zahlen. Er hat aber keine Garantie – ausser auf jobscout24.ch – auf irgendeinem Portal seine Anzeigen zu sehen.

Je nach Stellenprofil werden die Anzeigen von Applifly auf den entsprechenden Portalen publiziert um die vom Kunden gewünschte Performance zu generieren. Mit dem Tracking der relevantesten KPIs und derer Analyse optimieren wir das allokierte Budget laufend.

Wie lautet das Feedback der assoziierten Premium-Plattformen wie etwa ictjobs.ch, die nicht zu Jobcloud gehören?

Für die entsprechenden Stellenanzeigen – passend zu den Zielgruppen welche diese Portale ansprechen – ist das Feedback sehr erfolgsversprechend.

Mit der Lancierung von Applifly riskieren Sie, dass sich das Experiment disruptiv auf die marktdominierende Jobplattform jobs.ch auswirkt. Warum gehen Sie dieses Risiko ein?

Die Frage können wir und wollen wir uns gar nicht leisten! Ich sehe das nicht als Risiko, sondern als Chance – wenn es denn disruptiv sein sollte – es aus unserer starken Position aufgebaut und letztlich die Bedürfnisse der Kunden erfüllt zu haben. Es gibt in der Wirtschaftsgeschichte genügend Beispiele von Firmen, welche die Marktentwicklungen verpasst oder bewusst verhindert haben und letztlich gescheitert sind. Das können wir nur vermeiden, indem wir die Markt-Themen offensiv angehen.  

Wie begegnen Sie in der Führung dieser Herausforderung – gerade auch hinsichtlich der internen Kommunikation?

Das ist zugegebenermassen nicht immer einfach, da es bei gewissen Mitarbeitenden auch Ängste auslösen kann, wenn eine Dienstleistung, die sie jahrelang vertreten hatten, potenziell von einer anderen Dienstleistung ersetzt werden kann. Aber unsere interne Kommunikation ist sehr transparent. Die Jobcloud-Mitarbeitenden sind auch sehr offen gegenüber Neuem und letztlich haben wir insgesamt sehr vielfältige und gut funktionierende Dienstleistungen, wenn es um das Sourcing von Kandidaten geht – egal ob performancebasiert oder traditionell per «Pay & Post». Zudem haben die Führungsmitarbeitenden in den verschiedenen Business Units einen regen Austausch und können allfällige Bedenken immer offen diskutieren.

Wie lautet Ihre Prognose betreffend Umsatzentwicklung von Applifly im Verhältnis zu jobs.ch?

Es wird noch eine ganze Weile dauern, bis Applifly mit den performancebasierten Modellen die Zahlen von jobs.ch erreichen wird. Wir haben natürlich unsere Pläne, aber Prognosen sind für einen stark wachsenden Bereich nicht einfach. Wir dürfen nicht vergessen, dass es auch immer auf die Bedürfnisse der Kunden ankommt. Ich vergleiche das gerne mit dem Elektro-Auto-Markt: Wir vermuten alle, dass es eines Tages nur noch Elektro-Autos geben wird. Obwohl diese heute bereits erhältlich sind, will oder kann sich aus verschiedenen Gründen nicht jeder einen Tesla oder ein anderes batteriebetriebenes Fahrzeug kaufen.

Ausserdem verfolgen wir bei Jobcloud noch ganz andere Ansätze, von denen wir glauben, dass sie für die Zukunft des Unternehmens wichtig sein werden. Zentral ist für uns, dass wir nicht nur Markttrends verfolgen, sondern auch immer an vorderster Front neue Ideen entwickeln und ausprobieren und diese – falls wir davon überzeugt sind – auch skalieren.

Ergänzend zu Applifly haben Sie das Tinder-ähnliche Mobile-Recruiting-Tool «Talentfly» lanciert, das Stellenausschreibungen mit Ihrem Talent-Pool abgleicht. Wie entwickelt sich die Profil-Datenbank zahlenmässig und welche Bilanz ziehen Sie aus diesem Experiment?

Das Neuartige aus Sicht der Talente oder potenziellen Bewerbern besteht beim Prinzip von «Talentfly» darin, dass ich nicht «suche», sondern nach einer Interessensbekundung (nach rechts «swipen») für die offene Stelle vom Recruiter kontaktiert werde. Das Prinzip des «Stöberns» in Stellen, die ich zu meinem Profil passend erhalten habe, zielt vor allem auf die passiv oder latent Suchenden.

Es gab bereits etliche Start-ups, welche das Tinder-Prinzip dann auch im Jobbereich eingesetzt haben. Wir wollten das auch testen und haben diese App mit einem Berliner Start-up entwickelt. Wir werden im Verlauf dieses Jahres entscheiden, wie wir «Talentfly» weiterentwickeln. Zurzeit haben wir im Talentfly-Pool rund 30000 User-Profile.

Zur Person

Renato Profico ist CEO der Jobcloud AG. Der gebürtige Walliser ist seit Januar 2015 CEO der Jobcloud AG, die im Besitz von Tamedia und Ringier mit 195 Mitarbeitenden in Zürich und Genf als Marktführerin insgesamt 14 Stellenportale vereint – darunter als weitaus bekannteste Brands jobs.ch und jobup.ch. 
Profico arbeitet seit 2008 bei der Jobcloud AG, zuletzt als Verkaufsleiter. Insgesamt blickt er auf 18 Jahre Erfahrung in der 
Online-Rekrutierung zurück mit Stationen bei der Swissclick AG, 
Jobpilot und Monster. Als passionierter Motorradfahrer findet Renato Profico zwischendurch auf der Rennstrecke Entspannung. Er ist verheiratet und in Niederwenigen wohnhaft.

 

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Ehemaliger Chefredaktor HR Today.

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