Executive Searchers mit neuen Herausforderungen konfrontiert
Für die Besetzung von obersten Führungspositionen zählen vor allem Grossfirmen noch immer auf die Dienstleistung von Executive Searchers. Das klassische Headhunting erlebt allerdings einen massiven Rückgang. Nachgefragt werden die Beurteilung von Führungsgremien sowie genaue Analysen von potenziellen Führungskräften.
(Bild: Ulrike Kobelius)
In der aktuellen Wirtschaftslage kommt fast kein Unternehmen um weitreichende Entscheidungen im Personalbereich herum. Auch im Top-Management findet ein Sesselrücken statt. Die Epoche der Macher, die einst die Umsatzkurve empor schnellen liessen, ist Vergangenheit. Das fordert Unternehmen wie auch die Executive-Search-Branche heraus. Heute schlägt die Stunde der krisenerprobten Turnaround-Manager, die als Finanzikonen oder Sanierer ihre Verdienste nachweisen können.
Einige Kandidaten für den Sessel in der Geschäftsleitung oder im Verwaltungsrat wurden im eigenen Unternehmen schon lange auf diesen Einsatz vorbereitet, andere Mandate landen noch immer bei Executive-Search-Unternehmen. Entschieden wird, wie vor der Krise, von Fall zu Fall. Dies zeigt das Beispiel der Credit Suisse, wo wie bisher neben der Zusammenarbeit mit externen Executive-Search-Beratern die Topkader auch aus dem Unternehmen selbst rekrutiert werden. «Die Credit Suisse verfolgt die Strategie, ihre Mitarbeitenden gezielt auszubilden und zu fördern, um sie für Positionen im Topmanagement zu qualifizieren», betont Pressesprecherin Sally Rubery.
Messlatte für Resultatorientierung und Kompetenz liegt höher
Auch Novartis beauftragt weiterhin je nach gesuchter Qualifikation Executive-Search-Firmen mit der Suche nach Topkadern. Das Thema Führung / Führungskraft muss aus Sicht des globalen Players nicht neu definiert werden. Neu ist, dass in unsicheren Zeiten oft andere Tools für Entscheidungen bei der Wahl eingesetzt werden müssen: Die Messlatte für Kompetenz, Resultatorientierung, Integrität und Respekt wird höher gelegt. «Leader müssen die Fähigkeit haben, vorauszuplanen, Ziele zu setzen und kalkulierte Risiken einzugehen», sagt Isabel Guerra von Novartis Public Relations Switzerland.
Auf die Suche nach speziellen Fähigkeiten in unsicheren Zeiten begibt sich auch Holcim. Leading for Performance, Managing Execution, Communication, Developing Human Capital haben höchste Priorität. Von Topmanagern erwarte eine Firma heute die Fähigkeit zu liquiditätsspezifischen Analysen und ein generelles Verständnis von finanziellen Indikatoren, sagt Peter Gysel, Deputy Head Corporate Communication von Holcim. Einen Grund, sich von bisher gültigen Managementstrategien zu verabschieden, sieht Holcim für das eigene Geschäft nicht.
Carsten Roetz, Mediensprecher der Swisscom, übermittelt die Überzeugung des Konzerns, dass sich die Rolle der Führungskräfte und die Managementstrategien nicht grundlegend verändert haben – dagegen die Veränderungsgeschwindigkeit und die Unsicherheit in der Welt. «Damit müssen Führungskräfte aktiv gestaltend umgehen können.» Die aktuelle Wirtschaftslage wirkt sich bei der Swisscom nicht in besonderem Mass auf das Verhältnis zu Executive-Firmen aus. Die Form der Zusammenarbeit erfolgt wie bis anhin situativ und bedarfsorientiert. Swisscom legt jedoch besonderen Wert darauf, das Verhältnis zu ausgewählten Firmen gezielt aufzubauen und bei Bedarf zu intensivieren.
Bereinigung der Szene: Nur die wirklich guten überleben
Obwohl also vor allem die grossen Firmen die Dienstleistungen von Personalvermittlern noch immer beanspruchen, spürt die Branche die Krise. «Das klassische provisionsbasierte Headhunting erlebt einen signifikanten Rückgang der Aufträge», gibt Philippe Hertig von Egon Zehnder offen zu. Die Rede ist von Einbussen von 25 bis 60 Prozent. Die beratungsorientierte Executive Search jedoch kann sich gemäss Hertig gut behaupten. Folglich ist eine Bereinigung der Headhunter-Szene zu beobachten, wo letztlich nur die wirklich professionellen und nachhaltig operierenden Personalberatungsunternehmen überleben werden. Am meisten getroffen hat es die börsenkotierten Headhunter, die nach Meinung von Executive-Search-Profi Björn Johansson mit 40 bis 50 Prozent Umsatzrückgang kämpfen.
Obwohl mehr und zum Teil auch sehr qualifizierte Jobsuchende am Markt sind, gestaltet sich die Suche nach wirklich erfolgreichen Führungskräften nicht unbedingt einfacher, sagt Philippe Hertig, da der effektive nachhaltige Leistungsausweis der jeweiligen Person im heutigen Kontext besonders gut analysiert werden muss. Die Anforderungen der Kunden gehen stärker in Richtung eines ausgeprägten Resultatsfokus, kombiniert mit langfristig-strategischem Denkvermögen, hoher Vertrauens- und Glaubwürdigkeit. Gestiegen ist die Nachfrage nach der Beurteilung von ganzen Führungsgremien, da der Verwaltungsrat und der CEO wissen wollen, ob die derzeitige Führungsmannschaft in der Lage ist, den heutigen Prioritäten und künftigen Anforderungen gerecht zu werden. Zudem nimmt auch der Trend zur Beurteilung der Arbeit von Verwaltungsräten zu. Doch nicht alle Firmen nehmen diesen Dienst in Anspruch. Swisscom hält beispielsweise die Beurteilung von Führungsgremien für «nicht delegierbar».
Die Zielgruppe ist klein und wird stark umworben
Andreas Hürlimann von Spencer Stuart in Zürich, macht ganz neue Erfahrungen. Er sieht Anforderungsprofile auf sich zukommen, von denen man eigentlich glaubte, sie seien längst in der Mottenkiste alter Führungsstile verstaubt: «Härte, Pragmatismus und der alte zum Teil militärische Command and Control-Führungsstil ist gefragt», betont er. Und: «Die nachgefragten Altersgrenzen verschieben sich bis zu dem Punkt, wo sogar Pensionierte zurückgeholt werden.»
Er stellt zudem fest, dass fast alle Branchen intensiv auf der Suche nach Topmanagern sind, mit Ausnahme des Finanzsektors und der Industrie, wo die Nachfrage etwas zurückgegangen ist. Was das Top Level betrifft wie Board, CEO und CFO sind die Erwartungen an Executive-Search-Berater extrem hoch: So ist bei Spencer Stuart die Lösung von Nachfolgeproblemen ein wichtiges Thema. Die Klienten wollen noch mehr Insights zu den Kandidaten respektive im Rahmen von Nachfolgeregelungen einen objektiven Vergleich allfälliger interner mit externen Kandidaten. Fehlbesetzungen wirken sich in schwierigen Zeiten schneller und fataler aus.
Gemäss Björn Johansson werden «jetzt Führungskräfte mit Krisenmanagement- und Turnaround-Erfahrung gesucht», fasst Johansson die stark umworbene, sehr kleine Zielgruppe zusammen. «Man muss diese Leute teilweise abwerben. Es ist heute anspruchsvoller, jemanden für einen Wechsel zu gewinnen als früher.»
Dies bestätigt auch Executive Searcher Guido Schilling. «Jeder im Fokus stehende Manager weiss, dass ein solcher Job kein Zuckerschlecken ist.» Er stellt zudem fest, dass die Unternehmen immer häufiger auch die Unterstützung bei der Analyse vom vorhandenen Managementpotenzial suchen; dies auch bei der Suche nach Verwaltungsräten.