HR Today Nr. 4/2021: Praxis – Outplacement I

Fairer Abgang

Die Zahl der Entlassungen dürfte steigen. Damit Arbeitgebende ihr Image nicht beschädigen, sollten sie Gekündigte nicht sich selbst überlassen. Newplacement-Firmen können dabei helfen.

Nach mehr als zehn Jahren kontinuierlichen Wirtschaftswachstums kam die Corona-Pandemie. Deren wirtschaftlichen Folgen bringen es mit sich, dass Führungskräfte und Personalmanager nun häufiger mit dem Aussprechen von Kündigungen konfrontiert sind. Obschon ein Teil ihres Jobs, ist dieser Schritt für viele Führungskräfte dennoch ungewohnt und mit Unsicherheit verbunden. Dazu kommen steigende Ansprüche an die Unternehmen hinsichtlich der fairen Behandlung ihrer Mitarbeitenden – Stichwort «Faires Trennungsmanagement». Die Nachfrage nach professioneller Unterstützung durch spezialisierte Newplacement-Unternehmen hat deshalb in den vergangenen Monaten stark zugenommen. Gefragt sind insbesondere deren Erfahrung im Umgang mit Trennungssituationen, deren Wissen um die richtigen Prozesse und Werkzeuge sowie ihre operationelle und emotionale Unterstützung.

Für Firmen, die sich im Newplacement unterstützen lassen möchten, ist es oft schwierig, einen geeigneten Partner zu finden, der gekündigte Mitarbeitende auf den Arbeitsmarkt vorbereitet und auf dem Weg in einen neuen Job begleitet. Grosse internationale Player mit entsprechenden personellen Kapazitäten bieten oft eine sehr breite Palette an digitalen Optionen und Tools an. Daraus können Gekündigte meist ohne zusätzliche individuelle Betreuung ihr Programm eigenständig zusammenstellen und online bearbeiten. Dies erweist sich insbesondere für Firmen, die Massentlassungen durchführen, als kosteneffiziente Option. Kleinere Newplacement-Spezialisten punkten dagegen oft mit dem Fokus auf eine persönliche und spezifisch auf Betroffene ausgerichtete Beratung, wodurch der individuellen Lebensgeschichte Rechnung getragen wird. Welche Art von Newplacement für eine Firma passt, wird unter anderem von der jeweiligen Firmenkultur der entlassenden Unternehmung, der Anzahl der betroffenen Mitarbeitenden, den Gepflogenheiten in der Branche oder dem zur Verfügung stehenden Budget beeinflusst. Folgende Newplacement-Angebote haben sich etabliert:

Für Unternehmen:

  • Strategische und operative Beratung der Geschäftsleitung und der HR-Verantwortlichen im Vorfeld von Massenentlassungen
  • Beratung und Schulung von HR-Verantwortlichen und Führungskräften im fairen Trennungsmanagement
  • Unterstützung in der Wahl des passenden New­placement-Programms für die gekündig­ten Mitarbeitenden
  • Durchführung von «Auffanggesprächen» mit Betroffenen in den Räumlichkeiten des Unternehmens direkt nach der Kündigung

Für Betroffene:

  • Einzelberatung (vor Ort und online)
  • Beratungen/Workshops in Kleingruppen (vor Ort und online)
  • Individuelle Trainings zu ausgewählten Themen (Interviewtraining, Auftrittskompetenz etc.)
  • Netzwerk-Anlässe zusammen mit anderen Betroffenen (vor Ort und online)
  • Bereitstellung umfassender Unterlagen (Beratungsmanual, Links, Netzwerkkontakte, Adressen, Checklisten etc.)

Die Anforderungen an professionelle Newplacement-Berater haben sich im Verlauf der letzten Jahre verändert – nicht nur, aber auch im Zusammenhang mit der Digitalisierung und der Covid-Situation durch Homeoffice-Pflicht und damit einhergehende Einschränkungen bei der Vor-Ort-Beratung. Relevante Faktoren zur Eignung sind, ob der Anbieter

  • über eine breite Berufserfahrung in der Wirtschaft, im Management, im HR, in der Psychologie oder im Coaching verfügt
  • ein grosses Netzwerk und fundiertes Wissen hinsichtlich verschiedener Branchen hat, um Kandidaten mit individuellen Bedürfnissen gezielt zu unterstützen, beispielsweise durch eine Kontaktvermittlung
  • die aktuellen Entwicklungen und neuen Trends im Arbeitsmarkt kennt
  • für besondere Anforderungen das notwendige Know-how hat, etwa bei Executive-Newplacements oder Newplacements in bestimmten Branchen
  • Kompetenz im Umgang mit neuen, digitalen Werkzeugen hat
  • über Wissen zu den neusten Recruiting-Trends und -tools verfügt
  • auf die Situation des Kandidaten einzugehen und Dienstleistung auf dessen Bedürfnisse anzupassen vermag, um ihn auf die Herausforderungen und Chancen am Arbeitsmarkt vorzubereiten

Letztlich ist aber entscheidend, ob Philosophie und die Werte des Unternehmens mit jenen des Newplacement-Spezialisten zusammenpassen.

Die Dauer des gewählten Newplacement-Programms hängt von verschiedenen Faktoren ab. Etwa vom Budget des Unternehmens und der Ausgangslage der Betroffenen (Situation in der Branche, im Berufsfeld, Arbeitsmarktintegration, Alter, Hierarchiestufe). Ein kurzes Kompaktprogramm von wenigen Wochen kann beispielsweise angezeigt sein, wenn der Fokus ausschliesslich auf dem Erstellen zeitgemässer Bewerbungsunterlagen und auf Interviewtrainings liegt. Ein zeitlich unlimitiertes Programm inklusive Repositionierung, Begleitung während des Onboarding-Prozesses und einer allfälligen Erfolgsgarantie kann hingegen für Mitglieder des Top-Managements sinnvoll sein. Entscheidend ist, im detaillierten Abklärungsgespräch zwischen Unternehmen und Newplacement-Anbietern das jeweils wirkungsvollste Programm für die Betroffenen zu definieren – und dies möglichst frühzeitig.

Auf die Art und Weise kommt es an

In den Newplacement-Beratungen mit Gekündigten wird oft klar, dass sie mit einer Kündigung relativ rasch klarkommen. Sehr häufig verletzt jedoch die Art und Weise, wie der Prozess abgelaufen ist. Etwa der Mangel an Empathie, Wertschätzung und Respekt. Deshalb sollten Firmen folgende Punkte beachten:

Sich gut vorbereiten:

  • genügend Zeit für eine fundierte Vorbereitung und notwendige Abklärungen einplanen
  • arbeitsrechtliche Aspekte sowie einen allfälligen Sozialplan berücksichtigen
  • Führungskräfte einbeziehen und schulen
  • Reaktionen der Betroffenen antizipieren

Transparent kommunizieren:

  • Eine frühzeitige, transparente und offene Kommunikation seitens des Unternehmens ermöglicht Gekündigten meist, die Situation frühzeitig zu akzeptieren und zu verarbeiten.

Wertschätzung zeigen:

  • sich in die Lage der Betroffenen versetzen («wie möchte ich in dieser Situation behandelt werden?»), dabei aber fair und respektvoll die Fakten auf den Tisch legen

Unterstützung bieten:

  • die Betroffenen in den Tagen, Wochen nach der Kündigung nicht allein lassen. Für ein Folgegespräch und Fragen zur Verfügung stehen und erreichbar sein

Ein professionelles und faires Trennungsmanagement wird immer wichtiger. Im Umgang damit können Unternehmen ihre Reputation als Arbeitgeber verbessern oder verspielen. Mitarbeitende, aber auch Konkurrenten, Medien und potenzielle Mitarbeitende beobachten genau, wie mit den Entlassenen umgegangen wird. Unprofessionelles Verhalten wird häufig umgehend in den sozialen Medien kommentiert und beschädigt das Arbeitgeberimage des Unternehmens unwiederbringlich. Entsprechende Investitionen in Newplacement-Beratungen zahlen sich deshalb für alle aus: für Unternehmen, um ihre Reputation zu stärken, und für Betroffene, um schneller eine neue, passende und erfüllende Stelle zu finden.

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Xenia Bahnmüller, Regula von Arx und Daniela Perron arbeiten bei Avenir Consulting.

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