Feindbild Berater
Berater haben bei Mitarbeitenden oft keinen guten Ruf. Sie gelten als unerfahrene, teure Besserwisser. Das hat natürlich mit dem Verhalten von Beratern zu tun, aber auch mit einem zu wenig reflektierten Einsatz externer Ressourcen. Auftraggeber sollten sorgfältig auswählen, sonst holen sie sich mit externen Beratern auch zeitraubende Grabenkämpfe zwischen «Internen» und «Externen» ins Haus.
Lieber weghören: Berater gelten bei vielen Mitarbeitenden als unerfahrene, teure Besserwisser. (Bild: 123RF)
Das Projekt ist kaum gestartet, schon kochen die Emotionen hoch: Die Mitarbeitenden sehen sich mit jungen Universitätsabgängern konfrontiert, welche ihnen sagen sollen, wie die Weichen in die Zukunft zu stellen sind. Das Vertrauen in die Unternehmensleitung ist weg, sie scheint nicht auf die eigenen Mitarbeitenden hören zu wollen. Wenn zusammen mit den ersten hohen Rechnungen Dinge empfohlen werden, welche «man» ja schon lange gesagt hat, verschlechtert sich die Stimmung noch. Sobald es dann um konkrete Entscheidungen geht, weicht das kollektive Schnöden der Panik: Die Unternehmensleitung will effektiv aufgrund der externen Urteile entscheiden! Die Mitarbeitenden fühlen sich verzweifelt und ausgeliefert.
Natürlich ist diese Situation bewusst überzeichnet. Der Einsatz von Beratern muss aber nicht derart schieflaufen, um bereits viel Schaden anzurichten. Mit diesem Text wird die These aufgestellt, dass der Einsatz externer Ressourcen situationsspezifisch sein muss, um wirkungsvoll und für alle Beteiligten akzeptabel zu verlaufen. Dazu werden drei häufige Rollen von Externen beschrieben, jene des «Experten», des «Prozessleiters» und des «Schiedsrichters». Die Wahl des erfolgversprechendsten Modells erfordert eine objektive, ehrliche und umfassende Analyse der Situation durch den Auftraggeber – allenfalls sogar im Rahmen eines kleinen Vorprojekts.
Die drei beschriebenen Rollen entsprechen natürlich nicht sämtlichen möglichen Rollen. Es handelt sich um eine Auswahl häufig anzutreffender Rollen. Zu präzisieren ist auch, dass ein- und derselbe Berater durchaus in verschiedene Rollen schlüpfen kann. Voraussetzung ist, dass die Rollen und Erwartungshaltungen aller Beteiligten klar sind und sich nicht situativ je nach Projektstand verändern.
Der Experte
Mit einem Experten wird temporär ein klar definiertes inhaltliches Wissen eingekauft, welches in der eigenen Organisation nicht vorhanden ist.
Projektinhalte
Expertenwissen spielt eine wichtige Rolle, wenn neue Produkte entwickelt oder neue Märkte erschlossen werden. Wer sich auf Neuland wagt, kann dies effizienter und effektiver machen, wenn er negative Erfahrungen anderer nicht zuerst selber wiederholt.
Ein weiterer Einsatzbereich für Experten sind temporäre Aufgaben in der Unternehmensentwicklung, welche keine substanzielle Mitwirkung von internen Mitarbeitenden erfordern: Beispielsweise eine Unternehmensbewertung oder eine juristische Begleitung.
Rollen und Aufgaben
Der Experte ist ein temporärer Mitarbeiter, welcher Wissen einbringt, das in der Unternehmung nicht vorhanden, für eine erfolgreiche Zukunft jedoch erforderlich ist. Für zukunftsorientierte Mitarbeitende kann ein Experteneinsatz äusserst wertvoll sein: Er bietet on-the-Job- und für Mitarbeitende kostenlose betriebsspezifische Weiterbildung.
Erfolgsfaktoren
Ein Experteneinsatz basiert auf der Überzeugung, dass das einzukaufende Wissen in der Organisation nicht vorhanden ist. Das ist die Achillessehne des Experteneinsatzes: Wenn Mitarbeitende der Meinung sind, das notwendige Wissen sei sehr wohl vorhanden, wird der Experte auf Ablehnung stossen, weil er als Misstrauensvotum des Managements gegenüber den Mitarbeitenden wahrgenommen wird. Zentraler Erfolgsfaktor des Experteneinsatzes ist deshalb, dass die gesamte Organisation zu einer einheitlichen Einschätzung ihrer Lage gelangt. Es ist Aufgabe des Managements, diese einheitliche Einschätzung herbeizuführen.
Nach dieser Hürde besteht die nächste Hürde darin, den Bedarf an Expertenwissen präzis zu erfassen und den richtigen Partner zu evaluieren. Dieser Selektionsprozess kann sehr aufwändig sein, er ist vergleichbar mit der Auswahl und Einstellung neuer Mitarbeitender in Schlüsselfunktionen.
Während des Einsatzes von Experten ist einem Umstand besondere Beachtung zu schenken: Experten bringen zwar benötigtes Fachwissen ein. Was davon die beratene Organisation aber in welcher Form übernimmt oder nicht, muss sie selber entscheiden. Ein Management ist gut darin beraten, Experten aktiv in der Rolle von Ratgebern zu führen. Manche haben die Tendenz, zu Besserwissern zu werden und dem Kundensystem ihre eigene Meinung aufzwingen zu wollen. Besonders bei sehr erfahrenen und anerkannten Beratern kann sich sogar eine Art Konkurrenzkampf zwischen Management und Berater entwickeln, der für die Gesamtorganisation äusserst destruktiv sein kann.
Der Prozessleiter
Ein Prozessleiter bringt in Abgrenzung zum Experten nicht inhaltliches, sondern prozessuales Wissen und Methodenkompetenz ein.
Projektinhalte
Die klassischen Projektinhalte für Prozessleitungen sind Strategie- und Organisationsprojekte bei Organisationen, welche sich nicht auf grundsätzlich unbekanntes Terrain begeben. Es sind Projekte, bei welchen interne Schlüsselpersonen teilweise sehr präzise (aber nicht unbedingt einheitliche) Bilder davon haben, wie die Resultate des Projekts aussehen sollen. Aufgabe des Beraters ist nicht, weitere Bilder oder «das richtige Bild» beizutragen, sondern die bestehenden so zu orchestrieren, dass sich ein konsistentes, zur Erreichung der Organisationsziele taugliches Gesamtbild ergeben kann.
Rollen und Aufgaben
Entsprechend der obigen Beschreibung ist der Prozessleiter eine Art Dirigent des Geschehens. Er hat die Aufgabe, eine Vielzahl von Spielern so zu koordinieren, dass ein bestimmtes Stück in einer hohen Qualität gespielt wird. Dazu stellt er Fragen, gibt Hinweise und macht methodische Vorschläge. Und er führt das Orchester mit dem Dirigentenstab an. Wenn ein Musiker danebenliegt, sitzt er aber nicht selber ins Orchester und spielt es ihm vor. Er kann auch unmöglich sämtliche Instrumente besser beherrschen als die Musiker im Orchester. Hingegen kann er Spieler ausschliessen, welche die erforderliche Qualität nicht erbringen können oder wollen.
Erfolgsfaktoren
Das Orchester-Bild eignet sich gut, um die Erfolgsfaktoren zu beschrieben: Wenn man einen Dirigenten holt, welche selber auch sämtliche Instrumente am besten beherrscht (oder dies zumindest glaubt), wird dieser Dirigent vom Orchester als Konkurrenz wahrgenommen werden. Beim Prozessleiter muss stets klar sein, dass er sich auf diese Rolle beschränkt und nicht auf einmal inhaltlich zu stark eingreift.
Auf der anderen Seite muss ein Prozessleiter – wie auch der Dirigent – etwas vom Geschäft verstehen, um wirkungsvoll Einfluss nehmen zu können und die Akzeptanz der Beteiligten zu haben. Ein Prozessleiter ohne inhaltliche Kompetenz kann in Interviews beispielsweise nicht gezielt nachfragen, wenn ihm vollkommen unterschiedliche Bilder einer IST-Situation präsentiert werden. Er kann so zum Spielball divergierender interner Interessen werden.
Der Auftraggeber befindet sich diesbezüglich auf einer Gratwanderung: Versteht der Prozessleiter genug vom Geschäftsmodell, um seine Rolle wahrnehmen zu können? Oder wird dieses Verständnis auf einmal so profund, dass er interne Ressourcen zu konkurrenzieren beginnt (beziehungsweise, dass interne sich konkurrenziert fühlen) und damit ein destruktiver Prozess anzulaufen beginnt?
Der Schiedsrichter
Ein Schiedsrichter wird benötigt, wenn ein Entscheid zwischen zwei klar vorliegenden Varianten gefällt werden muss.
Projektinhalte
Berater in der Schiedsrichter-Rolle finden sich hauptsächlich in grossen Organisationen, welche mögliche Varianten bereits mit internen Ressourcen gebildet haben. Oft handelt es sich um zukunftsweisende Entscheidungen, welche im Unternehmen bereits längere Zeit diskutiert werden. Irgendwann steigt der Handlungsdruck durch externe Faktoren oder durch einen Ressourcen raubenden internen Machtkampf. Das ist die Stunde des Schiedsrichters: Die internen Machpromotoren einigen sich auf einen «Unparteiischen» und beauftragen ihn mit der Ausarbeitung einer Entscheidungsgrundlage und der begründeten Empfehlung einer der Optionen. Mitarbeitende sind in diesen Prozessen eher selten anzutreffen.
Rollen und Aufgaben
Vom Schiedsrichter wird ein unabhängiges Agieren im Unternehmen verlangt. In Abgrenzung vor allem zum Prozessleiter finden eher wenig Interaktionen mit dem Kundensystem statt. Er hat ein Urteil abzuliefern und kann weitgehend selber bestimmen, wie er dazu kommt. Mitarbeitende (und teilweise auch das Management) sind höchstens in der Rolle der Informationslieferanten beteiligt.
Erfolgsfaktoren
Der Schlüsselfaktor beim «Schiedsrichter» ist wie beim Sport, dass er von der Organisation effektiv als unabhängig wahrgenommen wird. Das kann am ehesten erreicht werden, wenn sich die beteiligten Machtpromotoren im Vorfeld des Einsatzes gemeinsam für eine Person entscheiden und im Vorfeld kommunizieren, dass sie dessen Urteil akzeptieren werden. Wenn das nicht erfolgt, ist die Gefahr gross, dass ein solcher Beratereinsatz von Mitarbeitenden negativ wahrgenommen wird: Sie sehen nicht ein, warum viel Geld für Berater ausgegeben wird, wenn doch eigentlich alle Argumente auf dem Tisch liegen und «man nur endlich entscheiden müsste».
Weitere Rollenmodelle
Wie bereits angedeutet gibt es viele weitere Rollenmodelle und teilweise Überschneidungen. Zu beobachten ist beispielsweise, wie externe Berater als temporäre Ressourcen eingesetzt werden, wenn hohe Hürden zur Einstellung von fest eingestelltem Personal bestehen oder die benötigten Kompetenzen sich rasch verändern. Das kann insbesondere in Informationstechnologie-Abteilungen beobachtet werden, wo die Grenze zwischen «internen Mitarbeitenden» und «externen Mitarbeitenden» häufig bis zur Unkenntlichkeit verwischt ist.
Fazit
Dass ein Beratereinsatz für alle Beteiligten positiv verlaufen kann, liegt auch in den Händen des Auftraggebers. Er muss das Problem präzise erfassen und mit der richtigen Form der Beratung beheben. Die beschriebenen Rollenmodelle sind weder abschliessend noch klar voneinander abgrenzbar, sie können aber als Hilfestellung in einem solchen Orientierungs-Prozess genutzt werden. Bei grösseren, besonders anspruchsvollen Vorhaben kann ein Vorprojekt die Entscheidungsgrundlage dafür liefern, wie und mit wem ein Projekt angegangen werden kann.
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