Fit für die Zukunft durch Reverse Mentoring
Das klassische Mentoring ist in vielen Unternehmen verbreitet. Dabei kümmert sich ein Dienstälterer um eine jüngere Person, damit diese sich in vordefinierten Bereichen zügig weiterentwickeln kann. Reverse Mentoring funktioniert genau umgekehrt: Der Junior coacht den Senior.
Ziel beim Reverse Mentorings kann zum Beispiel sein, die digitale Fitness im Unternehmen zu erhöhen. (Bild: 123RF)
Beim Reverse Mentoring drehen sich die Rollen des klassischen Mentorings um: Der Junior, also der Mentor, coacht den Senior, den Mentee, auf den Themengebieten, die «Jung» besser kann als «Alt».
Die Voraussetzungen
Die Grundvoraussetzungen, damit das Reverse Mentoring funktioniert: Es darf keine Konkurrenzsituation und keine hierarchische Abhängigkeit bestehen. Zuverlässigkeit, Integrität, Offenheit und Ehrlichkeit sind ein Muss. Zudem braucht es Freiwilligkeit auf beiden Seiten – verbunden mit absoluter Diskretion. Die Akteure müssen menschlich zueinander passen sowie Vertrauen und Respekt füreinander besitzen. Sie betrachten einander als gleichwertig und begegnen sich auf Augenhöhe.
Die Ziele
Vornehmliches Ziel des Reverse Mentorings ist es, die digitale Fitness im Unternehmen insgesamt zu erhöhen, Prozesse und Strukturen zu verjüngen, altgewohnte Kommunikations- und Arbeitsweisen an die Erfordernisse der Zukunft anzupassen sowie ältere Kollegen, Führungskräfte und das Topmanagement mit der Lebenswelt der Millennials vertraut zu machen. Dabei bieten sich vor allem folgende Themen an:
- Arbeitsorganisation
- Führungsverhalten
- Recruiting-Methoden
- Onlinemarketing
- Neue Geschäftsmodelle
So ist das Reverse Mentoring auch ein hervorragendes Tool, um eine lernende Organisation aufzubauen. Abgesehen davon ist es eine sehr kostengünstige Form der freiwilligen Mitarbeiterentwicklung.
Erfahrungsberichte aus der Praxis
«Wir wollen mit dem Programm eine Brücke zwischen jungen und älteren Mitarbeitern bauen und deren Zusammenwirken verbessern. Wenn jede Generation in ihrer Ecke verharrt, entstehen keine Neuerungen», erklärt Christine Jordi, vormals Head of Diversity and Inclusion bei der Credit Suisse.
Dort trafen sich seit 2012 jeweils bis zu 34 Tandems insgesamt sechs Mal im Rahmen eines halbjährlichen Durchgangs. «Zu den von den Teilnehmern gewählten Topthemen im Reverse-Mentoring-Programm zählen der Umgang mit Veränderungen, Innovationen und effektive Zusammenarbeit», ergänzt die Personalfachfrau.
Auch das Pharma- und Chemieunternehmen Merck hat ein Reverse-Mentoring-Programm ins Leben gerufen. Waltraud Hellmann, Leiterin für das HR Service Level Management, war eine der ersten Mentees in diesem Programm. Ihr sei es darum gegangen, «die Hemmschwelle vor der neuen Technik zu überwinden und nicht nur die Risiken zu sehen». Sie habe auch die damit verbundenen Chancen erkennen wollen: «Für mich persönlich, aber auch als Führungskraft im Unternehmen.»
Hilfe im Wandel
Mithilfe des Reverse Mentorings kann «junges» Gedankengut durch das gesamte Unternehmen wandern und frischen Wind in die Abteilungen bringen. Genau das ist jetzt wichtiger als jemals zuvor. Denn mit Konzepten aus prädigitalen Wirtschaftszeiten kommt heute niemand mehr weit. Ein zaghaftes Auffrischen von Bestehendem reicht ebenfalls nicht.
Um uns für den Wettbewerb der Zukunft zu rüsten, müssen wir vieles einer schöpferischen Unruhe und manches einer schöpferischen Zerstörung preisgeben (frei nach Joseph Schumpeter). Doch vor den technologischen Innovationen sind zuallererst Innovationen im Management dringend nötig.
Ein Umbau der Unternehmensorganisation und neue Führungsmodelle stehen fast überall an. Dabei kann das Reverse Mentoring zugleich Befruchter, Bahnbrecher und Brückenglied sein.