BGM Special 2023

«Friendly Work Space»: Mit dem Label gegen den Fachkräftemangel

Der zunehmende Fachkräftemangel stellt Firmen vor grosse Herausforderungen. Wer im Wettbewerb um die besten Mitarbeitenden hervorstechen will, sollte deshalb etwas zu bieten haben – zum Beispiel das Label «Friendly Work Space». Von ihrem Umgang mit betrieblichem Gesundheitsmanagement und dem Label erzählen die BGM-Verantwortlichen der Bouygues E&S InTec Schweiz AG und der SAK (St. Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG).

Zurzeit sind in der Schweiz und Liechtenstein insgesamt 92 Unternehmen mit 217’000 Mitarbeitenden mit dem Label «Friendly Work Space» ausgezeichnet, darunter die Bougyues E&S InTec Schweiz AG und die SAK. «Der Fachkräftemangel ist einer der Gründe, warum wir das Label angestrebt haben», sagt Michelle Berchtold, BGM-Verantwortliche und HR-Projektleiterin bei Bouygues. Das Unternehmen erbringt mit seinen schweizweit rund 5’000 Mitarbeitenden eine breite Palette an Dienstleistungen, von Gebäudetechnik über Facility Management bis zu Services in Energie, Verkehr und Telekommunikation. Dabei sind gut Dreiviertel der Beschäftigten auf Baustellen tätig. Der Fachkräftemangel ist laut Berchtold besonders bei den Projektleitenden zu spüren – also bei denjenigen Berufsleuten, die Aufgaben sowohl auf der Baustelle als auch im Büro wahrnehmen und eine anspruchsvolle Ausbildung hinter sich haben. «Ausserdem müssen diese Fachleute den Spagat zwischen der Realität auf den Baustellen, den Ansprüchen von Kunden und den administrativen Prozessen schaffen», sagt Berchtold. Auch Lernende seien Mangelware: «Weil man in unserer Branche auch im Winter draussen arbeitet, braucht es eine gewisse Leidenschaft für den Beruf. Nachwuchs zu finden, ist dementsprechend nicht ganz einfach.»

Ähnlich klingt es bei der SAK, der St. Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke AG. «Auch bei uns ist der Fachkräftemangel ein Thema», erzählt Sharon Bommeli, HR-Fachspezialistin und BMG-Verantwortliche bei der SAK. Auch hier arbeiten die meisten der insgesamt 400 Mitarbeitenden im Bauwesen – das Unternehmen ist im Bereich Energie, Wärme und Telekommunikation tätig, das Kerngeschäft umfasst Planung, Bau, Betrieb und Instandhaltung von Leitungen. «Das Label «Friendly Work Space» ist wichtig für uns, um für die entsprechenden Fachkräfte attraktiv zu sein», sagt sie. «Damit können wir den Bewerbenden zeigen, dass wir uns für die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Mitarbeitenden engagieren und auch, wie wir das tun.» Offenbar zeigt das Label Wirkung, denn Sharon Bommeli bekommt viel positives Feedback von potenziellen Kandidaten, wie sie sagt: «Die Leute sprechen uns im Rahmen der Rekrutierung auf das Label an und schätzen es, dass die SAK damit ausgezeichnet ist.»

Breites BGM-Angebot

Die SAK ist seit 2020 «Friendly Work Space»-zertifiziert, Bouygues wurde 2018 mit dem Label ausgezeichnet. Ursprünglich hat Bouygues Energies & Services InTec AG mit Absenzenmanagement begonnen und danach die betriebliche Gesundheitsförderung systematisiert. Auch die SAK hat ein paar Jahre vor der Zertifizierung mit betrieblicher Gesundheitsförderung begonnen und im Laufe der Zeit die Massnahmen und Angebote weiterentwickelt und erweitert. «Wir stellten fest, dass wir bei der SAK im Bereich BGM bereits sehr viel umgesetzt hatten. So konnten wir ohne grossen Zusatzaufwand die Zertifizierung mit dem Label anstreben», erzählt Sharon Bommeli. Der Ostschweizer Energieversorger bietet den Mitarbeitenden von flexiblen Arbeitszeitmodellen bis zu Bewegungsförderung ein breites Spektrum an BGM-Massnahmen: «Von ergonomischen Arbeitsplätzen bis zu Angeboten für die psychische Gesundheit decken wir eine breite Palette ab», bestätigt die HR-Verantwortliche. «Wichtig ist uns auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf; deshalb bieten wir Teilzeitpensen und Homeoffice.» Mit gratis E-Scootern und E-Bikes werde zudem die Bewegung im Alltag gefördert. «Die Massnahmen sind so konzipiert, dass sie allen Mitarbeitenden zugutekommen», sagt Bommeli.

«Die Angebote sollten sinnvoll sein und allen Berufsgruppen nützen», sagt auch Michelle Berchtold, BGM-Verantwortliche bei Bouygues. Das sei bei 5000 Mitarbeitenden, die schweizweit an 90 Standorten arbeiten, zwar nicht immer ganz einfach, da man viele unterschiedliche Bedürfnisse berücksichtigen müsse: «Während etwa Massnahmen zur Stress- und Burnout-Prävention eher die Mitarbeitenden im Büro ansprechen, sind Kurse zur Berufsunfallverhütung besonders für die Beschäftigten auf den Baustellen ein Thema.» Was sich die Mitarbeitenden konkret vom BGM wünschen, holt Bouygues in ihrer jährlichen BGM-Umfrage ab. Entsprechend sei das Angebot vielfältig, sagt Michelle Berchtold: Von Give-Aways wie Thermoskannen, wiederverwendbaren Wärmekissen, Stressknautschhelmen und Schrittzählern bis zu Angeboten wie «Massage at Work», Grippeimpfungen oder Online-Fitnesskursen profitieren die Mitarbeitenden von einer vielseitigen Auswahl. «Auch für den Erhalt der psychischen Gesundheit und die Förderung von Resilienz bieten wir Möglichkeiten; zum Beispiel mit Workshops oder einer fundierten Analyse zum Thema Stress oder mit einem externen und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kostenfreien Beratungsangebot bei finanziellen, familiären oder betrieblichen Herausforderungen», erklärt die Fachfrau.

Kommunikation und Commitment

Das Label «Friendly Work Space» sei aber nicht nur bei der Suche nach Fachkräften wichtig, sagt die BGM-Verantwortliche bei Bouygues: «Auch immer mehr Kunden wollen sicher sein, dass es den Mitarbeitenden bei uns gut geht.» Das Label sende das entsprechende Signal und sei so ein wichtiges Argument geworden, um Aufträge zu gewinnen. Auch sei man damit der Konkurrenz um eine Nasenlänge voraus. «Meines Wissens sind wir zurzeit die einzigen in der Branche, die mit dem Label zertifiziert sind», sagt Michelle Berchtold. Das sei ein Wettbewerbsvorteil.

Entsprechend ist das Label «Friendly Work Space» fix in den Kundenpräsentationen integriert und man findet es auch auf der Website des Unternehmens. Zudem ist es fester Bestandteil der Stelleninserate. Auch intern wird es intensiv kommuniziert: «Wir sind mit BGM und dem Label «Friendly Work Space» im Intranet präsent und haben einen eigenen Kanal auf Yammer, unserem unternehmensinternen sozialen Netzwerk. Unser BGM ist ab Arbeitsbeginn für die Mitarbeitenden sichtbar und am Starter-Day vertreten. Updates und News verschicken wir zudem über eine eigene BGM-E-Mail-Adresse», erzählt Michelle Berchtold. Um auch diejenigen Mitarbeitenden zu erreichen, die draussen auf den Baustellen arbeiten und Infos kaum über elektronische Kanäle beziehen, werde zusätzlich mit Flyern und Postern gearbeitet. «Auch Postkarten wurden schon eingesetzt und wir haben die Möglichkeit, BGM-Updates dem monatlichen Lohnausweis beizulegen», so Berchtold.

Die SAK wiederum hat ihren «Friendly Work Space»-Award im Eingangsbereich der Firmenzentrale aufgestellt, für alle gut sichtbar. «Die Auszeichnung haben wir auch im Intranet kommuniziert», erzählt HR-Fachspezialistin Sharon Bommeli. «Wir erwähnen das Label zudem auf unserer Karriereseite und haben es in der E-Mail-Signatur eingebaut.» Nebst der externen Kommunikation sei es jedoch vor allem das Ziel, das betriebliche Gesundheitsmanagement in den Köpfen der SAK-Mitarbeitenden zu verankern. Denn betriebliches Gesundheitsmanagement sei noch längst nicht allen ein Begriff. Sharon Bommeli plant deshalb, eine BGM-Einführung zum festen Bestandteil der Welcome Days zu machen. «Wir verlassen uns aber auch auf die Vorgesetzten, dass sie die Angebote kommunizieren», sagt sie.

Kommunikation sei das eine, sagt Michelle Berchtold, BGM-Verantwortliche bei Bouygues: «Am wichtigsten ist und bleibt für uns jedoch das systematische, strukturierte Umsetzen der BGM-Kriterien», betont sie. «Das Label «Friendly Work Space» signalisiert dabei unser Commitment, dass wir uns als Firma laufend verbessern und uns weiterentwickeln möchten. Damit zeigen wir unser Bekenntnis zu unseren Mitarbeitenden.» Denn genau hier liege letzten Endes der echte Benefit für eine Firma.

Die «Friendly Work Space»-Kriterien als Orientierungshilfe

Die BKW Gruppe ist ein international tätiges Energie- und Infrastrukturunternehmen mit 11‘500 Mitarbeitenden in 9 Ländern. Im Gegensatz zu Bouygues und SAK hat die BKW das Label «Friendly Work Space» aktuell noch nicht. Für das BGM orientiert sich das Unternehmen aber schon längst an dessen Kriterien –wichtig war es der BKW, zuerst ein BGM intern aufzubauen und bekannt zu machen. Über ihre Erfahrungen berichtet Barbara Siegenthaler, Fachverantwortliche Betriebliches Gesundheitsmanagement der BKW.

Sie haben den FWS-Check von Gesundheitsförderung Schweiz durchgeführt. Welche Erkenntnisse haben Sie daraus gewonnen?

Der FWS-Check hilft, mehr über den Reifegrad respektive Stand eines BGM zu erfahren. Damit erhielten wir einen Überblick, in welchen Bereichen wir bereits gut unterwegs sind und wo wir noch Entwicklungspotenzial haben. Der Check hat auch bestätigt, wie wichtig eine gute Datenbasis für ein wirksames BGM ist. Es braucht neben quantitativen Kennzahlen wie Absenzen auch qualitative wie z.B. zu psychologischer Sicherheit oder Präsentismus.

Sie arbeiten zurzeit mit den sechs BGM-Kriterien, die erfüllt sein müssen, um ein «Friendly Work Space»-Betrieb zu werden. Inwieweit sind diese hilfreich für Sie?

Die BGM-Kriterien dienen uns zur Orientierung, strategisch wie operativ. Sie zeigen, was ein systematisches, integriertes BGM alles umfasst. Zudem helfen sie uns, das Verständnis von BGM gemeinsam weiter zu entwickeln und einen Standard festzulegen, zumal wir ein Grossunternehmen mit verschiedenen Kompetenzfeldern sind.

Wo sehen Sie die grösste Herausforderung, um alle sechs Kriterien zu erfüllen und ein Label-Betrieb zu werden?

Herausfordernd ist sicher, regelmässig eine fundierte Ist-Analyse zu erheben, die relevanten Handlungsfelder zu identifizieren und effektive Massnahmen für die teilweise sehr unterschiedlichen Zielgruppen zu entwickeln. Auch können die Evaluationen zeitintensiv sein. Verhaltensorientierte Veränderungen sind tendenziell schneller und einfacher umzusetzen, während verhältnisorientierte Veränderungen mehr Zeit und Ressourcen brauchen, da es hierbei um Kultur-, Organisations- und Führungsentwicklung geht.

BGM Tagung 2023: Gesunde neue Arbeitswelt?»

Mittwoch, 20. September 2023, Kursaal Bern

 

Mehr Infos: bgm-tagung.ch

Anmeldung zur Tagung

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Jelena Martinelli hat als Abteilungsleiterin für SwissRe und Swisscom gearbeitet. Heute ist sie selbstständige Texterin, freie Journalistin und Autorin, und berät KMU zu Kommunikationsfragen. www.martinellitext.com

Jelena Martinelli hat als Abteilungsleiterin für SwissRe und Swisscom gearbeitet. Heute ist sie selbstständige Texterin, freie Journalistin und Autorin, und berät KMU zu Kommunikationsfragen. www.martinellitext.com

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