Gefühle, Details und Rituale als Zeichen von Wahrheit
Im achten Teil der Lügen-Serie geht es um die Dramaturgie einer wahren Geschichte und mit welchen Methoden sich Lügen erkennen lassen.
Wer etwas selbst erlebt hat, kann eine Geschichte viel detailreicher und emtionaler erzählen als jemand, der sie erfindet. (Bild: 123RF)
Echte Geschichten sind vielseitig und stecken voller kurioser und unnötiger Details. Der Mensch, der sie erzählt, hat sie ja erlebt und kann alle Details wiedergeben. Wenn wir etwas live erlebt haben, hat unser Gehirn unzählige Informationen der Situation über die Sinnesorgane (Augen, Ohren, Nase, Mund und Haut) gesammelt. Diese sind nun abgespeichert und können wiedergegeben werden. Menschen, die eine Geschichte erfinden, können diese nur detailreich schildern, wenn sie sich die Dinge im Kopf zusammenstricken oder die Story an etwas bereits Erlebtes anknüpfen.
Aussergewöhnliche Details
Aussergewöhnliche Details sind die beste Garantie für wahre Geschichten. Damit ist gemeint, dass man sich bei Erlebtem sehr gut an Skurriles, Verrücktes und Ungewöhnliches erinnert. Ich war vor kurzem bei einem Anlass, der von einer grossen Schweizer Bank veranstaltet wurde. Der Event war völlig überbucht, so dass die Bank auf einen wesentlich grösseren Raum ausweichen musste. Dabei hatte man vergessen, dass auch dieser Raum gewisse Kapazitätsgrenzen hat. Es kamen also die Gäste, ein nimmer endender Strom an Menschen … Nach 1100 Menschen musste man die Türen verriegeln und die Wartenden brüskieren. Leider war man beim Catering natürlich auch nicht auf diese Menschenmassen eingerichtet. Die Besucher frassen uns fast die Haare vom Kopf, schlugen sich beinahe um die Getränke und kratzten hingebungsvoll die Essenswannen aus … Es kam zu unglaublichen Szenen, die mich heute noch erheitern, wenn ich daran zurückdenke.
Wenn Sie nicht bei diesem Anlass waren, können Sie diese Szenen niemals so nacherzählen, wie sie in der Realität waren. Ausserdem können beim Lügen niemals die Gefühle, die sich bei real Erlebtem entwickelt haben, wiedergeben werden.
Unverstandene Einzelheiten
Bei der obigen Geschichte kommen nun meine unverstandenen Einzelheiten zum Tragen. Warum hat man die Anmeldungen nicht mehr kontrolliert oder gar gestoppt? Hat man vergessen das Catering auf die neuen Teilnehmerzahlen anzupassen? Wer hat das zu verantworten? Was hat man sich überhaupt dabei gedacht? War man sich über die Folgen bewusst? Diese Informationen tauschte ich nach dem Event mit Freunden aus, ich versuchte den nichtverstandenen Vorfall mit meinem Umfeld zu diskutieren. Sie können sicher sein, dass uns diese unverstandenen Details sehr stark beschäftigen und wir dies gerne nach aussen tragen, um sie zu verstehen und zu verarbeiten.
Angaben über den eigenen emotionalen Zustand
Gefühle und Gedanken in kritischen oder schwierigen Situationen sind klare Indizien für die Wahrheit. Um beim genannten Anlass zu bleiben, schilderte ich meinen Freunden im Nachgang meine peinliche Berührtheit, als die Menschen sich gegenseitig angriffen und die Essens- und Trinkmenge der anderen kommentierten. Es gab regelrechten Futterneid und üble Nachrede. Das Gewicht eines Menschen wurde in Relation mit der Essensmenge gesetzt. Ich war fassungslos und fange auch heute noch, beim Gedanken daran an, mit dem Kopf zu schütteln. Was mit Menschen passiert, wenn sie sich benachteiligt fühlen – unglaublich!
In jeder erlebten Situation haben Sie Gefühle und Gedanken, die Sie in der Regel in den Schilderungen erwähnen. Kommen diese in einer Schilderung nicht vor, so ist es ein Indiz für eine Lüge.
Infos über Raum und Zeit
Hier werden Rituale, Gewohnheiten, räumliche und zeitliche Details mit der Erzählung verknüpft. Der Anlass begann um 19 Uhr, bereits gegen 20 Uhr gab es weder Essen noch Trinken. Die Catering-Mannschaft musste losziehen, um mehr Verpflegung zu besorgen. Es dauerte geschlagene eineinhalb Stunden, bis sie wieder etwas servieren konnten. Während meines Auftritts sassen die meisten auf dem Trockenen. So etwas ist mir in meinem ganzen Leben Geschichte noch nie passiert. Normalerweise esse ich gerne nach meinem Auftritt, wenn die Anspannung nachgelassen hat. Aber dieses Mal, war es mir nicht vergönnt, da es schlichtweg nichts mehr gab.
Wie in meinem Beispiel sehr schön beschrieben, verknüpfen wir das Erlebte mit unserem Alltag, bereits Erlebtem und bauen unsere eigenen Rituale/Abläufe ein. Fehlt diese Komponente, so haben wir ebenfalls einen Hinweis auf die Lüge. Sie sehen, es gibt bei Erzählungen auf einiges zu achten! Ausserdem dürfen wir auch nicht vergessen, das normale Erzählverhalten eines Menschen zu berücksichtigen.
Die Entlarvungstricks nach der TDS-Methode
1. Der Alltags-Lügen-Entlarvungstrick
Fragen Sie einfach nach dem Gegenteil und schauen Sie was passiert! Beispielsweise haben Sie eine Cola Zero bestellt, diese ist aber nicht klar gekennzeichnet und Sie haben bedenken, dass es sich um eine normale Cola handeln könnte. Normalerweise würde man fragen: «Ist das eine Cola Zero?» Kaum ein Kellner würde zugeben, dass er Ihnen eine falsche Cola geliefert hat. Er schwindelt lieber, entfernt sich von Ihrem Tisch und wird sich so schnell nicht wieder blicken lassen. Das können Sie vermeiden, indem Sie stattdessen einfach nach dem Gegenteil fragen: «Das ist doch eine normale Cola, oder?»
Hat der Kellner die Bestellung richtig gemacht, wird er Sie aufklären, dass Sie eine Cola Zero erhalten haben. Hat er sie falsch gemacht, wird er Ihnen bestätigen, dass es eine normale Cola ist. Dann können Sie intervenieren.
Der Trick: Sie fragen immer nach dem Gegenteil von dem, was sie eigentlich wollen, oder bestellt haben, damit ersticken Sie kleine Lügen im Keim!
2. Der Erwartungshaltungseffekt
Ersticken Sie geplante Lügen durch den sogenannten Erwartungseffekt bereits im Keim. Präsentieren Sie sich zum Beispiel als Expertin in Sachen Lügen:
- Geben Sie Ihrem Gegenüber zu verstehen, dass Sie eine gute Menschenkenntnis besitzen und nur schwer hinters Licht geführt werden können
- Streuen Sie locker ins Gespräch ein, dass Sie sich stark mit Psychologie auseinandersetzen und das Thema Lügen Sie sehr fasziniert
- Lassen Sie Lügen-Menschenkenntnislektüre auffällig auf ihrem Schreibtisch liegen
- Sprechen Sie begeistert über Ihr Lügenseminar und Ihre Erfolge
In meinem Leben begegnen mir die Menschen mit einer grossen Offenheit und einer entwaffnenden Ehrlichkeit, da alle davon ausgehen, dass ich die Lüge sowieso erkenne. Ich geniesse das! Es trägt dazu bei, sich ohne Masken und mit all seinen Facetten zu begegnen.
3. Die Testfragen
Kommen wir nun zu einer Technik, die Sie dann einsetzen sollten, wenn Sie das Normalverhalten der Person bereits kennen oder einschätzen können: Die sogenannte Testfragen-Methode. Dabei handelt es sich um Fragen, deren Inhalt definitiv nicht richtig ist. Ich könnte meine sechsjährige Nichte fragen, was sie heute beim Sport oder beim Schwimmen gemacht hat, wenn ich weiss, dass es dieses Fach heute gar nicht gab. Nun gilt es zu beobachten, wie meine Nichte darauf reagiert. Gibt sie sofort zu, dass ich mich wohl vertan habe und es heute weder Schwimm- noch Sportunterricht gab. Oder flunkert sie und erzählt mir etwas vom angeblichen Unterricht. Jetzt kann ich die Abweichungen vom Normalverhalten sehr gut sehen, um ab sofort die Hinweise in der nonverbalen Kommunikation deuten zu können.
Wichtig ist, Lügentestfragen zu stellen, von denen Sie wissen, dass sie definitiv nicht richtig sind!. Gerne können Sie diese Fragen auch im Fachhandel oder Vorstellungsgespräch stellen.
- «Ich habe gelesen, dass dieser Fernseher bei Stiftung Warentest das Urteil sehr gut erhalten hat!» (Er hat in Wahrheit miserabel abgeschlossen.)
- «Der Aktienkurs Ihrer Firma hat ja in den letzten Tagen beachtlich an Wert gewonnen.» (Die Aktie ist auf Talfahrt.)
- «Du hast ja ziemlich abgenommen, wow!» {Obwohl es nach mehr aussieht.)
Die Fragen helfen, die Wahrheitsliebe Ihres Gegenübers auf den Prüfstand zu stellen, sowie das Verhalten im unehrlichen Fall zu beobachten. Was passiert?
Ich wünsche Ihnen eine tolle, abwechslungsreiche Woche mit vielen wahren Geschichten und spannenden Einsatzmomenten der genannten Methoden!
Herzlichst
Tatjana Strobel