Teamstrategien

Gemeinsam gegen Zeitdruck

Die Pendenzenliste wird länger statt kürzer, das Email-Postfach droht überzuquellen und ein Abbau der hohen Arbeitsmenge scheint in weiter Ferne. Immer mehr Menschen fühlen sich gehetzt oder haben den Eindruck, nie genug Zeit zu haben, um alles zu erledigen. Psychosomatische Beschwerden und Erschöpfung können Folgen von chronischem Zeitdruck sein. Umso wichtiger ist es, dass Erwerbstätige über verschiedene, flexibel einsetzbare Bewältigungsstrategien verfügen.

Erwerbstätige in der Schweiz arbeiten häufig in Teams und sind somit gemeinsam von Zeitdruck betroffen. Was können sie gemeinsam dagegen tun? Angesichts der gesundheitlichen und ökonomischen Folgen von chronischem Zeitdruck tun Unternehmen gut daran, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. In Interviews und Workshops mit Mitarbeitenden zahlreicher Unternehmen verschiedener Branchen wurde genau diese Frage gestellt. Darauf basierend hat ein Team der Fachhochschule Nordwestschweiz einen Fragebogen entwickelt und 281 Personen zu ihren gemeinsamen Strategien und zu ihrer Gesundheit befragt.

Gesundheitsfördernde Strategien einsetzen

Es zeigte sich: Die Mehrheit der eingesetzten Strategien hat gesundheitsförderliches Potenzial. Wenn beispielsweise gemeinsam darauf geachtet wird, Sitzungen pünktlich zu beginnen und zu beenden und bei den festgelegten Themen zu bleiben, dann dient dies nicht nur der Bewältigung von Zeitdruck, sondern geht auch mit weniger Erschöpfungssymptomen der Teammitglieder einher (Strategie Umgang mit Sitzungen). Dasselbe gilt, wenn sich Teams darüber austauschen, wie Routineaufgaben besonders effizient erledigt werden können (Strategie Effizienz erhöhen). Wenn ein Team unter Zeitdruck nach gemeinsamer Absprache nur genau das macht, was der Kunde erwartet und nicht mehr, dann wirkt sich dies ebenfalls förderlich auf die Gesundheit aus (Strategie Anforderungen klären).

Besonders eindrücklich ist die positive Wirkung des gemeinsamen Prioritätensetzens. Was zunächst einmal erwartet werden kann ist, dass Personen erschöpfter sind, je mehr Zeitdruck sie haben. Dies hat sich auch in dieser Studie gezeigt. Doch nun kommt das Interessante: Wenn Teams keinen Zeitdruck haben, dann ist es im Hinblick auf ihre Gesundheit egal, ob Prioritäten gemeinsam gesetzt werden oder nicht. Ganz anders sieht es hingegen aus, wenn Teams unter hohem Zeitdruck stehen. Erschöpfungssymptome nehmen weniger stark zu, wenn ein Team angesichts von hohem Zeitdruck häufig gemeinsam Prioritäten setzt. Die Strategie mildert also den negativen Effekt von Zeitdruck auf die Gesundheit, was auch Puffereffekt genannt wird.

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Schädliche Strategien meiden

Aber Achtung: Die Studie hat auch gezeigt, dass Teams nicht nur gesundheitsförderliche, sondern auch gesundheitskritische Strategien einsetzen. Mit diesen versuchen Teams zwar, etwas gegen den Zeitdruck zu tun, nehmen dabei aber keine Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der einzelnen Teammitglieder. Ein Verzicht auf gemeinsame Pausen etwa reduziert die notwendige Erholungszeit innerhalb eines Arbeitstages.

Wenn Teams unter Zeitdruck die Qualität der Arbeit reduzieren und in Kauf nehmen, dass dies negative Konsequenzen nach sich ziehen kann, dann beeinträchtigt dies die Gesundheit ebenfalls. Dies deshalb, weil eine niedrigere Qualität sowohl von anderen, zum Beispiel von Kunden, als auch von den Teammitgliedern selbst als Misserfolg oder Zeichen der Inkompetenz wahrgenommen werden. Auch wenn Teams unter Zeitdruck einfach weitermachen wie bisher, um den Berg an Arbeit abzubauen, dann treten bei den einzelnen Teammitgliedern häufiger Erschöpfungssymptome auf.

Die Studie hat somit eine Liste in der Praxis tatsächlich eingesetzter Strategien hervorgebracht und gibt Teams eine Orientierung, welche Strategien gesundheitsförderlich und welche gesundheitskritisch sind.

Teamstrategien gegen Zeitdruck: die Umsetzung

Es stellt sich die Frage, wie es gelingen kann, dass das Ausprobieren neuer und Fortführen nützlicher gemeinsamer Strategien im Umgang mit Zeitdruck zu einer Selbstverständlichkeit im Arbeitsalltag wird. Dazu kann folgendes Vorgehen helfen:

  1. Zum Einstieg erfolgt eine Online-Befragung zu den Teamstrategien.
  2. In einem Bericht werden die Ergebnisse erläutert. Dabei wird auch deutlich gemacht, was das Team in Bezug auf eine Vergleichsstichprobe häufiger oder seltener macht.
  3. In einem Kick-Off setzt sich das Team mit den Ergebnissen auseinander: Was machen wir als Team gemeinsam schon gut im Umgang mit Zeitdruck? Welche Strategie hat bei uns im Team Potenzial, Zeitdruck effektiv zu vermeiden oder zu reduzieren? Was werden wir neu ausprobieren?
  4. Entscheidend ist, sich auch im Nachgang ab und an Zeit zu nehmen, den gemeinsamen Umgang mit Zeitdruck zu thematisieren, z.B. durch die Integration in regelmässige Teamsitzungen und das periodische Prüfen (zum Beispiel alle drei Monate), ob neu ausprobierte Strategien sich als nützlich erweisen.

 

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Sandra Schwendener ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fachhochschule Nordwestschweiz tätig.

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Prof. Dr. Andreas Krause ist Studiengangsleiter des CAS Betriebliches Gesundheitsmanagement und Dozent für Angewandte Psychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz.

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Dr. Martial Berset ist an der Fachhochschule Nordwestschweiz als wissenschaftliche Mitarbeiter und in der Aus- und Weiterbildung tätig.

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