Gemeinsam neues Wissen schaffen
Wissenserwerb sollte ein co-kreativer Prozess sein. Denn gerade für Rollen, die sich mit Innovation und Zukunftsthemen beschäftigen, braucht es Settings, in denen die Menschen gemeinsam neues Wissen schaffen, statt «vorverdautes» Wissen zu reproduzieren.
Corporate Learning – Die 7-teilige Adventsserie von Martin Geisenhainer und HR Today. (Bild: iStock/HR Today)
Im ersten Artikel dieser Reihe habe ich aufgezeigt, dass alte Lehr- und Trainingsrezepte schon allein deshalb nicht mehr funktionieren können, weil benötigtes Wissen immer weniger zentral und explizit verfügbar ist. Vorgekautes Wissen bietet schlicht zu wenig Relevanz und Nutzen, um anschlussfähig und zuordnungsbar zu sein.
Diese Erkenntnis ist für die klassische Lehre nur schwer verdaulich. Entsprechend wird sie als unsinnig, falsch und gerne auch als Blödsinn zurückgewiesen und in Ruhe so weitergemacht wie bisher.
Wo kommt das neue Wissen her?
Aber wie kann sich Lernen mit solchen Prämissen – dass das Wissen also vermehrt dezentral und implizit vorhanden ist – überhaupt entwickeln? Wir erinnern uns an das Vorgehen kleiner Kinder, die nachahmen und ausprobieren, bis sie eine neuen Fertigkeit besitzen. Im beruflichen Kontext ist ein derartiges, häufig eher willkürliches Vorgehen in der Regel nicht akzeptabel, da es zeitintensiv sein kann und damit das Lernen betriebswirtschaftlich gesehen in einem schlechten Verhältnis zum Arbeiten steht. Dennoch ist Ausprobieren mit Lust und Antrieb verbunden, weshalb uns diese Form von Lernen dabei helfen kann, Motivation und Engagement zu entwickeln. Kinder lernen ausserdem noch intensiver, wenn sie mit anderen zusammen sind. Gemeinsam schaffen sie Welten, die sie sich erschliessen wollen – egal, ob mit Lego oder Barbie-Puppen.
Was aber soll der Personalbereich Learning & Development in Zukunft beitragen, wenn das bestehende Handwerk zum Auslaufmodell wird? Wenn der Wissensvorsprung mehr und mehr wegbricht, wenn methodische und didaktische Rahmenbedingungen das Lernen eher erschweren, als es zu fördern? Wenn Lernen nicht mehr zentral organisiert werden kann, sondern mit dem individuellen Arbeitskontext verschmilzt? Und wenn Lernen zunehmend bedeutet, für das benötigte Wissen ein Setting zu schaffen, das Kollaboration und Co-Kreation unterstützt?
Vielleicht sollten wir, als ehemals Lehrende, unsere Verantwortlichkeiten mehr und mehr darin sehen, dass wir Ermöglicherinnen und Begleiterinnen sind. Ermöglichen im Sinne eines Scrum Master, mit dem Auftrag, den Menschen den Rücken frei zu halten, damit sie wann immer nötig ins Lernen abtauchen können. Und begleiten, in dem wir Vorschläge machen, wie Lernprozesse angegangen werden können.
Der nächste und gleichzeitig letzte Artikel in der Adventsserie 2020 zum Thema «Corporate Learning» erscheint am 21. Dezember. Wir wagen einen Blick in die Zukunft und skizzieren anhand eines Beispiels, wie künftiges Lernen aussehen könnte.