Arbeit und Recht

Gesetzliche Regelungen von Überstunden

Was sind Überstunden? Wann kann der Arbeitnehmer dazu verpflichtet werden? Und wie müssen Überstunden entschädigt werden? Diesen Fragen geht der folgende Artikel nach.

Begriff der Überstundenarbeit

Als Überstundenarbeit gilt diejenige Arbeit, die über die im Einzelarbeits-, Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag vereinbarte, im Betrieb geltende oder in der Branche übliche Stundenzahl hinaus geleistet wird.

Pflicht zur Leistung von Überstunden

Überstunden können einseitig durch den Arbeitgeber angeordnet werden. Sie sind zu leisten, soweit sie sich als notwendig erweisen, der Arbeitnehmer sie zu leisten vermag und ihm dieser Zusatzaufwand nach Treu und Glauben zugemutet werden kann. Die Anordnung für die Leistung der Überstunden muss nicht immer ausdrücklich durch den Arbeitgeber erfolgen. Vielmehr muss der Arbeitnehmer auch dann Überstunden leisten, wenn er deren Notwendigkeit erkennt oder erkennen muss bzw. wenn der Arbeitnehmer erkennt oder erkennen muss, dass diese zur Wahrung der betrieblichen Interessen notwendig sind. Überstunden, die ein Arbeitnehmer ohne Wissen des Arbeitgebers geleistet hat, muss er diesem unverzüglich melden. Nur so kann der Arbeitgeber allfällige organisatorische Massnahmen treffen (z.B. Anstellung von weiteren Personen, Trennung vom Arbeitnehmer wegen dessen ungenügenden Fähigkeiten oder Überforderung etc., wenn er offensichtlich zu viel Zeit für gewisse Aufgaben braucht).

Jedenfalls müssen zusätzlich zu den Bestimmungen des Obligationenrechts auch die Bestimmungen des Arbeitsgesetzes über die Arbeits- und Ruhezeiten eingehalten werden.

Grundlage für die Bestimmung, ob eine gewisse Arbeitszeit als Überstunden betrachtet werden kann, ist also die vertragliche oder übliche Stundenzahl. Lässt sich keine vertragliche oder übliche Stundenzahl nachweisen, sind auch keine Überstunden, wohl jedoch Überzeit möglich. Die Regelungen betreffend die Überzeit gelten von Gesetzes wegen.

Unterscheidung Überstunden und Überzeit

Im Rahmen der Mehrarbeit müssen Überstunden von der Überzeit abgegrenzt werden. Letztere liegt dann vor, wenn die arbeitsgesetzlich normierte Maximalarbeitszeit überschritten wird.

Überzeit ist zwingend zu entschädigen oder durch Freizeit auszugleichen. Überzeit ist zudem regelmässig viel schneller nicht mehr zumutbar als Überstunden, weil hier gesetzliche Maximalarbeitszeiten unter anderem die Gesundheit des Arbeitnehmers schützen sollen.

Folgen von Überstunden

Ausgleich durch Freizeit

Werden Überstunden geleistet, können diese bei Einverständnis des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers innert eines angemessenen Zeitraums durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer kompensiert werden. Kompensation durch Freizeit kann nicht gegen den Willen des Arbeitnehmers durchgesetzt werden; in der Regel selbst dann nicht, wenn er freigestellt worden ist.

Vorbehältlich anderer vertraglicher Regelungen sind die Überstunden 1:1 zu kompensieren. Der in Art. 321c Abs. 3 OR genannte Zuschlag von 25 Prozent (siehe hiernach) findet beim Ausgleich durch Freizeit keine Anwendung. 

Entschädigung

Werden Überstunden von Arbeitnehmern nicht durch Freizeit ausgeglichen, haben sie einen Anspruch auf Entschädigung im Umfang des auf die Überstunden entfallenden Lohns plus einen Zuschlag von 25 Prozent. Das gilt freilich nur, sofern nichts Anderes schriftlich verabredet oder durch Nominal- oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist.

Dieser Zuschlag ist nicht zwingend. Soweit nicht öffentlich-rechtliche Bestimmungen entgegenstehen, kann von dieser gesetzlichen Regelung auch zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Nach der wohl überwiegenden Lehrmeinung können Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Zuschlag von 25 Prozent oder sogar jegliche Entschädigung ausschliessen. Solche Klauseln sind allerdings in Arbeitsverträgen sorgfältig zu redigieren. Oft stellt sich in der Praxis nämlich die Frage, was genau die Parteien überhaupt wegbedingen wollten.

Ist Überstundenentschädigung nicht wegbedungen, sind Überstunden, die durch den Arbeitgeber angeordnet wurden, in jedem Fall zu entschädigen. Wenn Überstunden aus eigener Initiative geleistet werden, ist Zeitausgleich oder Vergütung vom Arbeitgeber nur zu leisten, falls die Überstunden entweder vom Arbeitgeber genehmigt wurden, objektiv notwendig waren oder vom Arbeitnehmer aufgrund der konkreten Umstände in guten Treuen als notwendig erachtet werden durften. Wusste der Arbeitgeber, dass Überstunden geleistet wurden, so darf der Arbeitnehmer nach Treu und Glauben die Zustimmung des Arbeitgebers annehmen. Überstunden sind aber handkehrum nicht zu entschädigen oder durch Freizeit auszugleichen, wenn sie ohne Zustimmung geleistet wurden und die Überstunden nicht durch die besonderen Umstände im Betrieb notwendig waren. Beachtlich ist, dass Überstunden, die gegen den Willen des Arbeitgebers erfolgen, ungeachtet weshalb sie geleistet worden sind, nicht entschädigt werden müssen. Grundsätzlich ist es nämlich Sache des Arbeitgebers, über die Leistung von Überstunden zu entscheiden.

Leitende Angestellte

Leitende Angestellte haben gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts generell nur dann Anspruch auf Überstundenentschädigung, wenn eine feste Arbeitszeit vereinbart wurde, wenn ihnen zusätzliche Aufgaben über die vertraglich vereinbarten Pflichten hinaus übertragen werden oder wenn die ganze Belegschaft während längerer Zeit in wesentlichem Umfang Überstunden leistet. Daneben ist es bei leitenden Angestellten möglich, wenn auch unüblich, dass die Entschädigung von Überstunden vereinbart ist. Das Bundesgericht begründet seine Praxis damit, dass leitende Angestellte mehr leisten als nur das im Betrieb Übliche, weshalb die im Betrieb übliche Arbeitszeit hier eigentlich keine Referenzgrösse darstellen kann.

Nachweis der erbrachten Überstunden

Der anspruchsberechtigte Arbeitnehmer muss den Nachweis erbringen, dass er Überstunden geleistet hat und dass sie angeordnet oder betrieblich notwendig waren. Dem Beweis der förmlichen Anordnung von Überstunden wird gleichgesetzt, wenn der Arbeitgeber von deren Leistung Kenntnis hat oder haben müsste, dagegen nicht einschreitet und sie damit genehmigt.

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Nicolas Facincani, lic. iur., LL.M., ist Partner der Anwaltskanzlei Voillat Facincani Sutter + Partner. Er ist als Rechtsanwalt tätig und berät Unternehmen und Private vorwiegend in wirtschafts- und arbeitsrechtlichen Belangen. Er doziert zudem regelmässig zum Arbeitsrecht. www.vfs-partner.ch

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Reto Sutter, Dr. iur., LL.M., ist Partner der Anwaltskanzlei Voillat Facincani Sutter + Partner. Er ist Rechtsanwalt und dipl. Steuerexperte. Er berät Unternehmen und Private vorwiegend in wirtschafts- und arbeitsrechtlichen sowie steuerrechtlichen Angelegenheiten. www.vfs-partner.ch

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