Positiver Gleitzeitsaldo und Entschädigungspflicht
Flexible Arbeitszeitmodelle finden vermehrt Verbreitung. Dabei ergeben sich regelmässig Fragen bei der Abgrenzung der geleisteten Arbeitszeit von Überstunden, welche nicht einfach zu beantworten sind und auch die Gerichte regelmässig beschäftigten. Dies vor allem, weil Überstunden prinzipiell entschädigungspflichtig werden können, während dem ein positiver Gleitzeitsaldo im Rahmen flexibler Arbeitszeit grundsätzlich verfällt.
Vor Gericht ist die Unterscheidung zwischen Überstunden und positivem Gleitzeitsaldo wichtig. (Bild: iStockphoto)
Die Gleitzeitarbeit setzt sich grundsätzlich aus zwei Komponenten zusammen, nämlich aus den starren und den flexiblen Arbeitszeiten. Die starren Arbeitszeiten bilden die sogenannten Blockzeiten, während derer der Arbeitnehmer grundsätzlich seine Arbeit zu verrichten hat. Während den flexiblen Arbeitszeiten kann der Arbeitnehmer seine Arbeit zeitlich frei einteilen. Entscheidend ist, dass der Arbeitnehmer den Zeitpunkt seiner Arbeitsleistung im Rahmen der vereinbarten Arbeitszeit und unter Berücksichtigung der Blockzeiten innerhalb der Gleitzeiten frei wählen kann.
Im Rahmen der Arbeit hat dann ein Zeitausgleich zu erfolgen, so dass der Arbeitnehmer seine Soll-Arbeitszeit auf wöchentlicher, monatlicher oder jährlicher Basis erreicht. Der Arbeitnehmer ist hierbei berechtigt, in einem bestimmten Rahmen Arbeitszeit vor- oder nachzuholen. Er hat also eine gewisse Zeitautonomie über seine tägliche Arbeitszeit.
Auf der anderen Seite ist der Arbeitnehmer dafür verantwortlich, fristgerecht für einen Ausgleich der Mehr- oder Minderarbeit zu sorgen. Gleitzeitüberhang – das Zuviel an Arbeitszeit oder der positive Gleitzeitsaldo – ist grundsätzlich durch Freizeit von gleich langer Dauer abzubauen.
Gleitzeitsaldi können verfallen
Oft stellt sich in der Praxis die Frage, ob es zulässig ist, dass im Rahmen von Gleitzeitarbeitsmodellen am Ende einer Abrechnungsperiode Gleitzeitsaldi abgeschnitten werden, sofern diese einen bestimmte Grenze übersteigen. So kommt es beispielsweise vor, dass Gleitzeitreglemente vorsehen, dass alle Stunden eines Gleitzeitsaldos, welche die Grenzen von 100 Arbeitsstunden übersteigen, am Ende eines Jahres verfallen und daher nicht mehr durch den Arbeitnehmer kompensiert werden können. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist dies zulässig.
Das gleiche gilt praxisgemäss grundsätzlich, wenn bis zum Ablauf der Vertragsdauer, bzw. bis zum Ende der Kündigungsfrist ein Gleitzeitguthaben nicht mehr abgebaut werden kann. Das wird insbesondere damit begründet, dass die Zeitsouveränität bei der Gleitzeitarbeit beim Arbeitnehmer liegt. Aus diesem Grund habe dieser auch dafür zu sorgen, dass er mit seiner tatsächlich geleisteten Arbeit innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit bleibt. Grundsätzlich könne dieser also die Mehrarbeit innert der vereinbarten Zeitperiode wieder abbauen. Etwas anderes gilt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anweist, über die Blockzeiten hinaus zu arbeiten oder wenn die Mehrarbeit betrieblich notwendig ist.
Entschädigung des positiven Gleitzeitsaldos
Ein positiver Gleitzeitsaldo und Überstunden haben gemeinsam, dass es sich bei beiden Begriffen um Mehrarbeit handelt, welche durch den Arbeitnehmer geleistet wird. Für die Abgrenzung zwischen Gleitzeit und Überstunden kann aufgrund der vorgehenden Überlegungen die folgende Faustregel angewendet werden: Bei Überstunden handelt es sich um diejenige Arbeitszeit, welche aufgrund der betrieblichen Notwendigkeit oder auf Anordnung des Arbeitgebers über die arbeitsvertraglich vereinbarten oder üblichen Arbeitsstunden hinaus geleistet wird, während Gleitzeitstunden innerhalb der arbeitsvertraglich vereinbarten oder üblichen Arbeitsstunden bzw. bei einem Gleitzeitüberhang freiwillig darüber hinaus geleistet werden – in der Regel, um den Überhang zu einem späteren Zeitpunkt informell wieder innerhalb der Gleitzeit zu kompensieren.
Die Unterscheidung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil Überstunden unter Umständen – gemäss den anwendbaren vertraglichen Regelungen – zu einer finanziellen Entschädigungspflicht des Arbeitsgebers führen. Das Gesetz sieht bei der Leistung von Überstunden vor, dass der Arbeitnehmer – im Einverständnis mit dem Arbeitgeber – die Überstundenarbeit innert eines angemessenen Zeitraums durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer ausgleichen kann. Wird die Überstundenarbeit nicht durch Freizeit ausgeglichen und ist nichts anderes schriftlich verabredet oder durch Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag bestimmt, so hat der Arbeitgeber für die Überstundenarbeit Lohn zu entrichten, der sich nach dem Normallohn samt einem Zuschlag von mindestens einem Viertel bemisst.
Verantwortung des Mitarbeitenden
Die Abgrenzungsfragen stellen sich insbesondere im Rahmen der Kündigungsfristen oder im Zusammenhang mit dem Ende von Gleitzeitperioden. Grundsätzlich ist der Mitarbeitende nach einer Kündigung selber verantwortlich, dass ein positiver Gleitzeitsaldo im Laufe der Kündigungsfrist wieder abgebaut werden kann. Wird der Saldo nicht abgebaut, verfallen die Stunden aus der Gleitzeitarbeit und der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Entschädigung. Das gleiche gilt generell im Zusammenhang mit dem Ende von Gleitzeitperioden, unabhängig ob im Zusammenhang mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder bei laufender Anstellung. Dies wurde vom Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung bestätigt.
Etwas anderes gilt lediglich, wenn ein Abbau aufgrund von Weisungen, zum Beispiel über die Blockzeiten hinaus zu arbeiten, oder Massnahmen des Arbeitgebers oder aufgrund betrieblicher Bedürfnisse nicht möglich ist bzw. der Arbeitgeber oder die betrieblichen Umstände den Abbau nicht zulassen. Diesfalls wandelt sich das Gleitzeitguthaben in diesem Umfang in Überstunden, die – je nach der Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses – zu entschädigen sind. Sodann entstehen zur Kompensation berechtigende Überstunden, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gegen Ende der entsprechenden Zeitperiode anweist, über die Blockzeiten hinaus zu arbeiten.