Jubiläum Verband BGMnetzwerk.ch

Gesundheit im Arbeitsleben: «Der Kampf ist vorbei»

Vor zehn Jahren war betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) noch ein Aussenseiterthema. Das hat sich inzwischen grundlegend geändert. Der Verband BGMnetzwerk.ch, der heuer sein 10-Jahr-Jubiläum feiert, setzt sich für gesunde Firmen ein. Ein Interview mit dem Präsidenten und dem Geschäftsführer über Gärtchendenken, vernetzte Gesundheitsfachleute und zunehmende Schnittstellen zwischen HR und BGM.

Herr Huwiler, Ihr Verband BGMnetzwerk.ch hat kürzlich den 10. Geburtstag gefeiert. Was hat sich in dieser Dekade im BGM getan?

Hansjörg Huwiler: Vor zehn Jahren wurde noch über Sinn und Unsinn des BGM diskutiert. Heute ist dieses anerkannt, man muss sich dafür nicht mehr rechtfertigen. Das Thema Gesundheit ist in vielen Betrieben verankert und professionalisiert worden. Das neue Selbstverständnis hat dazu geführt, dass die relativ junge Disziplin der Gesundheitsförderung sich heute nicht mehr von verwandten Disziplinen abgrenzen muss.

Bitte erklären Sie das näher.

Wenn sich eine neue Disziplin zu etablieren versucht, geht es auch darum, sich gegen innen und aussen zu definieren: Die Involvierten legen fest, was sie tun und was sie nicht tun, wer sie sind. Dabei grenzt man sich gegen benachbarte Themen ab, die nicht ins eigene Gärtchen gehören. Bei der betrieblichen Gesundheitsförderung bedeutete das zum Beispiel, eine Linie zwischen sich und der Arbeitssicherheit zu ziehen. Nun, da sich die Gesundheitsförderung etabliert hat, ist das nicht mehr nötig. Der Kampf ist vorbei.

Von daher auch der Begriffswechsel von «betriebliche Gesundheitsförderung» zu «betriebliches Gesundheitsmanagement»?

Genau. Das BGM schliesst viele Ansätze ein, von denen sich die BGF noch abgegrenzt hat. Zum Beispiel das Absenzmanagement oder das Case Management. Das BGM ist heute ein geöffneter, fliessender Ansatz, der alle betrieblichen Aktivitäten einschliesst, die zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Motivation beitragen. Mit dem BGM-Label Friendly Work Space der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz haben sich inzwischen auch BGM-Qualitätskritierien etabliert.

Auch Ihr Verband hat den Namen geändert, von «Schweizerischer Verband für betriebliche Gesundheitsförderung» zu BGMnetzwerk.ch. Was haben Sie bisher erreicht, worauf sind Sie stolz?

Ich bin stolz darauf, dass es den Verband nach 10 Jahren immer noch gibt. Und dass wir immer noch wachsen. Wir haben heute rund 100 Mitglieder, sowohl BGM-Anwender als auch -Anbieter. Im Unterschied zu anderen Verbänden sind unsere Mitglieder fast durchwegs Firmen, und nicht Einzelpersonen. Wir organisieren nicht nur mehrere Anlässe pro Jahr in eigener Regie, sondern veranstalten bereits zum vierten Mal mit einem Partner die «BGM-Fachtagung». Auch sind wir im fachlichen Beirat der Fachmesse Corporate Health Convention.

Sie haben die Mischung aus Anwendern und Anbietern erwähnt. Böse Zungen sagen, das sei ein Problem.

Wir haben bewiesen, dass diese Mischung funktioniert, dass sie sogar ein Mehrwert ist. Unsere Erfa-Tagungen, die zweimal pro Jahr stattfinden, führen wir immer bei einem Verbandsmitglied durch, in der Regel bei einem Anwender. Mitarbeiter des Gastbetriebs erzählen, an welchen Gesundheitsthemen sie arbeiten, es ist ein guter Erfahrungsaustausch zwischen Anwendern und Anbietern. Natürlich machen sich die Anbieter aufgrund der geäusserten Bedürfnisse der Anwender ihre Gedanken, auch bezüglich ihrer Dienstleistungen. Aber hauptsächlich geht es um die Vernetzung, und die ist für beide Seiten ein Gewinn.

Wie weit reicht die Stimme Ihres Verbands?

Neben der Gesundheitsförderung Schweiz haben wir unsere eigene Position. Wir tauschen uns aus, die Gesundheitsförderung fragt uns zu bestimmten Themen nach unserer Meinung. Als es darum ging, ein Präventionsgesetz auf die Beine zu stellen, wurde unser Verband an die Hearings eingeladen. Schade, dass das Gesetz im Parlament nicht durchkam.

Welche künftigen Ziele streben Sie an?

Wir wollen das Vorhandene pflegen und die Vernetzung der Mitglieder vorantreiben. Auch Social Media sind ein Thema. Sinnvoll wäre, dass die Mitglieder auf unserer Homepage eine Frage platzieren können, auf die alle anderen Mitglieder antworten können. Mittelfristig wollen wir über die Schweizer Sprachbarrieren expandieren. Leider ist es uns bisher nicht gelungen, Sponsoren zu finden. Deswegen kochen wir auf eher kleinem Feuer.

In welche Richtung wird sich das BGM entwickeln?

Es wird möglicherweise selektiver werden. Mit zunehmender Erfahrung werden sowohl Anwender wie auch Anbieter effektiver und effizienter mit dem, was sie machen. Das BGM wird in zehn Jahren also anders aussehen als heute. Sicher aber wird es ein klarer Wettbewerbsvorteil für Unternehmen sein, wenn sie sich im BGM engagieren.

«Die Gesundheitsprogramme werden immer anspruchsvoller»

Herr Studer, seit zehn Jahren leiten Sie die Geschicke des Verbands BGMnetzwerk.ch mit. Welches waren für Sie die Höhepunkte?

Jürg Studer*: Wir haben zehn mal zwei Erfahrungs-Tagungen durchgeführt. Jedes Jahr öffnen zwei Mitglieder ihre Türen und geben uns Einblick in ihr Gesundheitsmanagement. Dieses Jahr waren das zum Beispiel das Schweizer Radio und Fernsehen in Zürich und das Schweizerische Rote Kreuz in Bern. Mein Fazit nach zehn Jahren ist: Stolz zurückblicken und weiterhin die Zukunft gestalten.

Was bringen die Erfa-Tagungen Ihren Mitgliedern?

Der Blick in die Firmen zeigt mehr als nur wissenschaftliche Theorie, Modelle und Statistiken. Die Erfa-Tagungen sind praxisorientiert, man hört von den Erfolgen, den Gesundheitsmanagement-«Best of», aber auch von den Schwierigkeiten, die andere Firmen haben. Durch den Austausch und die Frage «Wie macht ihr das denn?» kommt man weiter. 

Wie haben sich die Themen in den letzten Jahren geändert?

Früher ging es beim betrieblichen Gesundheitsmanagement noch öfter um rein körperliche Themen, zum Beispiel wie die Mitarbeiter in der Industrie schwere Gegenstände aufheben. In der Dienstleistungsgesellschaft dagegen setzt man sich mit Arbeitszeiten auseinander, mit Stress, Entfremdung von der Arbeit, mit der Zielerreichung, die zum A und O geworden ist.

Welches sind die grössten Herausforderungen im Bereich BGM?

Das BGM hat eine ähnliche Herausforderung wie in vielen Unternehmen auch das HR: Wie bringen wir bei der GL unsere Anliegen durch? Hinzu kommt: Natürlich muss eine BGM-Lösung dem jeweiligen Unternehmen angepasst werden. Doch da die Arbeitswelt immer fragmentierter wird, werden auch die Gesundheitsprogramme immer anspruchsvoller. Jede Zielgruppe braucht ihre ganz spezifische Lösung, die in die Tiefe geht.

Beobachten Sie Veränderungen an der Schnittstelle HR - BGM?

Ganz allgemein haben die Schnittstellen vom HR zu verschiedenen Bereichen des BGM zugenommen. Zum Beispiel zur Arbeitssicherheit, zur internen Mobbing-Stelle oder zu externen Gesundheitsspezialisten.

* Jürg Studer ist seit der Verbandsgründung Geschäftsführer von BGMnetzwerk.ch.

 

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Franziska Meier ist Redaktorin und Produzentin mit langjähriger Erfahrung im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich. Als Chefredaktorin des Magazins «fit im job» sowie als Fachredaktorin der Zeitschrift «HR Today» hat sie sich auf das Thema «Mensch, Arbeit & Gesundheit» spezialisiert. Zu ihren journalistischen Schwerpunkten gehören insbesondere Persönlichkeitsentwicklung, Coaching, Stressprävention und betriebliches Gesundheitsmanagement. Achtsamkeit praktiziert sie manchmal im Schneidersitz, öfter jedoch auf ihren Spaziergängen rund um den Türlersee.

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