Leadership

Gute Führung für weniger Stress

Die digitalen Möglichkeiten führen dazu, dass sich private und geschäftliche Tätigkeiten vermischen. In Zeiten von Home-Office und Co nehmen Führungskräfte für die Gesunderhaltung der Mitarbeitenden eine zentrale Rolle ein.

Neue Arbeitsformen, die ort- und zeitunabhängiges Arbeiten durch mobile Lösungen ermöglichen, durchdringen heute die Unternehmen. Nebst den Vorteilen von zunehmender Flexibilität und Unabhängigkeit vom Arbeitsort kann dies unter Umständen einen zusätzlichen Stressfaktor darstellen. Die Probleme der erwerblichen Tätigkeit können sich auf die privaten Lebensbereiche übertragen und umgekehrt. Unternehmen sind dabei gefordert, die bisher auf die Unternehmung limitierte Gesundheitsvorsorge zu einem gewissen Grad zu überdenken. Denn diese sehen sich somit auch mit Fragen im Bereich einer gesunden Life Domain Balance, also dem balancieren verschiedener Lebensbereiche, ihrer Belegschaft konfrontiert.

Führungskraft als Gesundheitsmanager

Auch wenn der Arbeitgeber nicht in der Pflicht ist, sich allen Problemen der Mitarbeitern anzunehmen, gewinnt insbesondere das Führungsverhalten der Vorgesetzten zusätzlich an Relevanz. Denn für eine gesunde Balance des Mitarbeiters während der Arbeit muss eine Führungsperson auch Fragen des Privatlebens berücksichtigen. Somit wandelt sich das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und deren Mitarbeiter. Angesichts dieser Dynamik liegt es im beruflichen Umfeld an den Führungspersonen, gesundheitsbewusstes Verhalten, wie beispielsweise die Wahrnehmung von gesundheitlichen Belastungen oder die Vorbeugung von Überlastung, vorzuleben und an ihre Mitarbeiter weiterzugeben. Denn im Gegensatz zu den Personalverantwortlichen, die oft nur Unterstützung in Form von Beratung bieten können, können Vorgesetzte als Dreh- und Angelpunkt Wertschätzung und Nähe vermitteln und haben somit am meisten Einfluss auf die Mitarbeiter. Eine Untersuchung der FHS St.Gallen geht auf das Vorgesetztenverhalten in Zeiten von Home-Office und Co. ein¹.

Puls der Mitarbeiter fühlen

Aufgrund der schwierigen Grenzziehung zwischen der Erwerbstätigkeit und dem Privatleben ist es der vorgesetzten Person auch während der Freizeit oder an den Wochenenden möglich, Mitarbeiter zu kontaktieren. Wenn beispielweise eine Führungskraft am Wochenende arbeitet oder E-Mails versendet, dann kann bei Mitarbeitern das Gefühl aufkommen, darauf reagieren zu müssen. Es liegt an der Führungskraft, mitzuteilen, dass dies nicht zwingend gefordert ist. Umso wichtiger erscheint es zudem, dass Vorgesetzte, die stark belastet sind, diesen Druck nicht automatisch auf den Mitarbeiter übertragen. Denn aufgrund der hierarchisch höheren Stellung des Vorgesetzten gegenüber dem Mitarbeiter kann eine andere Haltung in Bezug auf die Arbeitsintensität gegeben sein. Ebenfalls nimmt jede Person die Belastung anders wahr. Die grosse Herausforderung ist somit die gesundheitsförderliche Führung, bei der die individuellen Belastbarkeiten der einzelnen Personen zu berücksichtigen sind.

Wie reagieren?

Die Arbeitgeber entgegnen diesem Problem hauptsächlich mit Führungskräfteschulungen, was im Grundsatz sicher nicht falsch ist. Doch es stellt sich die Frage, ob die Schulungen alleine auch dann noch wirken, wenn die Führungskräfte in extremen Belastungssituationen stehen. Die vorgesetzte Person muss sich den oben genannten Umständen jederzeit bewusst sein. Dabei muss eine Führungskraft dem Mitarbeiter Freiheiten gewähren und versuchen, den Druck von oben auf die Bedürfnisse des jeweiligen Mitarbeiters anzupassen. Ferner braucht es aber auch mehr Kontrolle auf Ebene der Führungskräfte. Sie sollen die Auswirkungen spüren, wenn sie nicht genügend auf ihre Leute achten. Dies kann beispielsweise in die jährliche Zielvereinbarung der vorgesetzten Person aufgenommen werden. Nebst all diesen führungsbezogenen Massnahmen ist aber auch der Mitarbeiter selbst einzubeziehen. Der Fokus liegt dabei beim Selbstmanagement mittels Sensibilisierung. Das Ziel ist Hilfe zur Selbsthilfe, da sich jeder Arbeitnehmer schlussendlich am besten kennt und selbst für seine Gesundheit verantwortlich ist. Die Fähigkeit des «Sich-selbst-managen» kann die Person in jeder Lebenssituation anwenden, was den Betroffenen insbesondere in Bezug auf die zunehmende Vernetzung entgegenkommt.

Richtige Balance finden

Die langfristige gute Gesundheit und somit auch Leistungsfähigkeit einer Person hat mit der richtigen Balance zu tun. Mitarbeiter müssen in Zeiten der ständigen Erreichbarkeit in der Lage sein, sich aus dem Alltag auszuklinken und Ruhezeiten zur Regeneration einzuhalten. Sowohl der Mitarbeiter als auch die Führungskräfte müssen also bereit sein, aktiv mitzuwirken. Die Problematik muss in den Köpfen verankert sein. Nur so kann langfristig eine ausgewogene Life Domain Balance gegeben sein.

¹Meschenmoser, P. (2016). Auswirkung der Entgrenzung der Arbeit auf das Stressempfinden des Arbeitnehmers. Eine Interviewstudie anhand ausgewählter Schweizer Grossunternehmen. FHS St.Gallen – Hochschule für Angewandte Wissenschaften: Masterarbeit MSc in Business Administration.

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Philip Meschenmoser, MSc Business Administration, ist Projektleiter an der Fachhochschule St.Gallen.

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Prof. Dr. Markus Grutsch ist Arbeitspsychologe an der Fachhochschule St.Gallen.

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