Neue Kienbaum-Studie

HR entfernt sich immer weiter von der strategischen Mitbestimmung

Schweizer Personalabteilungen kämpfen seit Jahren um eine bessere Positionierung innerhalb des Unternehmens. Doch in der strategischen Ausrichtung sind sogar Rückschritte zu verzeichnen, wie eine neue Studie zeigt. Nach wie vor mangelt es vielen an der dafür notwendigen Organisation sowie den erforderlichen Prozessen und Kompetenzen.

 

In Bezug auf die strategische Ausrichtung der Personalarbeit ist kaum Besserung in Sicht – ganz im Gegenteil: Weniger als die Hälfte aller Personalbereiche der befragten Schweizer Unternehmen sind in den Unternehmensstrategieprozess involviert (siehe Abbildung 1); im Vorjahr waren es noch 50 Prozent. Nur noch rund ein Viertel der Firmen führt selbst einen jährlichen HR-Strategieprozess durch, 2011 war es noch ein Drittel. Lediglich 51 Prozent der Personalbereiche verfügen über eine schriftlich fixierte und durch den Verwaltungsrat oder die Geschäftsleitung verabschiedete HR-Strategie, im Vorjahr lag eine solche Strategie noch in zwei Drittel der Firmen vor. Diese Strategie leitet sich darüber hinaus bei mehr als der Hälfte der Studienteilnehmer noch nicht einmal oder nur teilweise aus den strategischen Unternehmenszielen ab. 2011 gab es diese Defizite nur in einem Drittel der Unternehmen. Im Ergebnis gelten die Personalbereiche mehrheitlich immer noch als administrative Dienstleister.

Die Transparenz und Steuerung des Wertschöpfungsbeitrags sind demnach ebenfalls weiterhin unzureichend. Zwar hat sich die Situation leicht verbessert, trotzdem haben gerade einmal 29 Prozent der befragten Unternehmen die Ziele ihrer Personalarbeit konkretisiert und mit Kennzahlen hinterlegt: vier Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. 

Dabei ist die Ausrichtung der Personalarbeit auf die Gesamtstrategie für jede Unternehmensgrösse von erheblicher Relevanz – auch wenn dies bisher tendenziell mehr von grösseren Unternehmen praktiziert wird. Kennzahlen, Fakten und Business-Cases erleichtern die Akzeptanz bei den Führungskräften und helfen auch, die eigenen HR-Aktivitäten voranzutreiben und mit adäquaten Ressourcen ausgestattet zu werden. 

Fehlende Change-Kompetenzen erschweren die HR-Transformation

Schweizer Unternehmen mit einem neuen HR-Geschäftsmodell, das eine klare Rollentrennung zwischen Beratungs-, Service- und Competence-Center-Aufgaben beinhaltet, verfolgen seit Jahren insbesondere die Ziele Qualitätssteigerung, Kosteneffizienz und eine klare Konzentration auf wertschöpfende Aufgaben. Die Kienbaum-Studie zeigt jedoch, dass die Personalbereiche diese angestrebten Ziele bis zum heutigen Tag nur ungenügend erreicht haben. Klare Erfolge des neuen HR-Geschäftsmodells sehen die Studienteilnehmer vor allem in den optimierten Prozessen, einem verbesserten Service und in der Reduktion von Komplexität. 

Bis heute fehlt es den HR-Mitarbeitern aber mehrheitlich an den notwendigen Fähigkeiten, um dieses neue Geschäftsmodell umzusetzen. Ein klares Defizit zeigt sich zum Beispiel im Change Management, insbesondere bei den HR-Business-Partnern. Eine nachhaltige Positionierung als strategischer Partner dürfte aber ohne die Fähigkeit, Veränderungsprozesse im Unternehmen professionell zu begleiten, kaum gelingen. Des Weiteren erschweren unklare Schnittstellen und eine mangelnde IT-Unterstützung die HR-Transformation in Schweizer Unternehmen, obwohl die Firmen den vergangenen Jahren grosse Summen in ihre Informationstechnologie investiert haben. 

 

 

Zu viele Ressourcen sind an administrative HR-Prozesse gebunden 

Die Personalkapazitäten der HR-Bereiche sind noch immer zu stark auf administrative Arbeiten konzentriert (Abbildung 2): 35 Prozent der HR-Ressourcen sind durch die Unterstützungsprozesse gebunden, immerhin 49 Prozent stehen für die HR-Kernprozesse zur Verfügung. Lediglich 16 Prozent der Personalkapazitäten entfallen auf HR-Managementprozesse. Das Ziel, Ressourcen weniger in administrativen Prozessen und mehr in wertschöpfenden Kernprozessen einzusetzen, muss weiterhin kontinuierlich verfolgt werden.

Hinsichtlich der Kernprozesse messen die von Kienbaum befragten Unternehmen dem Performance-Management, der Rekrutierung und dem Onboarding sowie dem Karriere- und Nachfolgemanagement die grösste Bedeutung bei. Drei von vier Firmen sind überzeugt, dass eine überdurchschnittliche Arbeitgeberattraktivität zukünftig ausschlaggebend für den Erfolg des Unternehmens ist. Den grössten Nachholbedarf bei der Qualität von HR-Prozessen gibt es bei Karriere- und Nachfolgemanagement, Change-Management und der strategischen Personalplanung.

Zukunftsgerichteter Kompetenzaufbau bedarf gezielter Förderung

Schweizer Personalabteilungen verfügen noch immer hauptsächlich über eher traditionelle HR-Kompetenzen wie Kundenorientierung sowie Integrität und Commitment. Klare Defizite bestehen hingegen bei ihrer Strategiekompetenz sowie bei Diversity und Internationalität. Allerdings sind diese Kompetenzen in den Augen der Studienteilnehmer auch künftig eher unwichtig.  Diese Prioritätensetzung widerspricht jedoch der Zielsetzung, sich als strategischer Partner des Managements zu positionieren. Schliesslich ist ein strategisches Geschäftsverständnis die Basis, um den Personalbereich entsprechend zu positionieren und seinen Wertbeitrag sichtbar zu machen. 

Verzahnung von Unternehmens- und HR-Strategie ist der Schlüssel zum Erfolg

Das HR-Management muss in den kommenden Jahren zwei Kernaufgaben bewältigen: Erstens geht es darum, Unternehmens- und HR-Strategie optimal zu verzahnen. Zweitens muss es der Personalbereich schaffen, frühzeitig in strategische Entscheidungen des Gesamtunternehmens einbezogen zu werden und daran aktiv mitarbeiten zu können. Nur so können die HR-Personalbereiche ihre Position im Unternehmen verbessern, ihre Personalkapazitäten optimal verteilen und strategisch wichtige Kompetenzen ausbauen, um einen grösstmöglichen Beitrag zum Erreichen der übergeordneten Unternehmensziele zu leisten. Ebenso bedarf es einer kontinuierlichen Verbesserung der Messbarkeit von Personalarbeit, um diesen Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg und die Bedeutung des Personalbereichs transparent zu machen und zu steigern. 

Die Studie 

Die Kienbaum-Studie HR Strategie & Organisation wurde in diesem Jahr bereits zum sechsten Mal durchgeführt. Sie präsentiert eine Analyse des Status quo der Personalarbeit in den vier zentralen Gestaltungsfeldern:

  • Strategie und Positionierung
  • Organisation und Steuerung
  • Produkte/Prozesse und IT
  • Kompetenzen und Mitarbeitende

Darüber hinaus präsentiert die Studie in diesem Jahr Trends und Analysen zum Thema Employer-Branding und Rekrutierung. In der Schweiz haben knapp 50 HR-Leiter aus meist international aufgestellten Unternehmen verschiedener Grössen und Branchen an der Befragung teilgenommen. Insgesamt haben sich 240 Unternehmen aus der DACH-Region an der Studie beteiligt. Der Ergebnisbericht ist erhältlich auf www.kienbaum.ch

 

Video zum Thema «Arbeiten im HR»

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Vanessa Hitz
MA HSG, Dipl. Wirtschaftspädagogin
vhitz@s-ge.com, www.s-ge.com


Vanessa Hitz hat an der FHS St. Gallen BWL mit Vertiefung HRM studiert und an der HSG einen Master in Marketing, Kommunikations- und Dienstleistungsmanagement sowie eine Zusatzausbildung als Wirtschaftspädagogin erlangt. Bei Raiffeisen Schweiz war sie während fünf Jahren in verschiedenen Funktionen im Bereich Ausbildung und HRM tätig und zuletzt für die Nachwuchsentwicklung verantwortlich. Nach sechs Jahren Beratungstätigkeit bei Kienbaum AG Schweiz und Avenir Consulting mit den Schwerpunkten
integriertes Kompetenzmanagement, HR-Strategie sowie Konzeption und Durchführung von Führungskräftetrainings und Assessments ist sie aktuell als HR-Manager bei der Switzerland Global Enterprise in Zürich tätig.

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Marius Gerber ist Leiter der Fachstelle für Human Capital an der ZHAW School of Management and Law in Winterthur.

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