Bevor mit einer effektiven Kommunikations- und PR-Kampagne gezielt Employer Branding gemacht wird, muss sich ein Unternehmen substanziell und zielorientiert damit auseinandersetzen. Zielorientierung heisst in diesem Zusammenhang, die Wünsche und Bedürfnisse, die Vorstellungen und Erwartungen der Zielarbeitskräfte zu verstehen, um das eigene Unternehmen als Arbeitgeber anschliessend darauf auszurichten. Dabei ist es wichtig, die wirklichen und verborgenen Bedürfnisse zu kennen und nicht nur mit allgemeingültigen Annahmen oder Klischees zu arbeiten. Dann müssen intern die Voraussetzungen geschaffen werden, damit das Unternehmen genau das anbieten kann, was das Zielpublikum sucht. Es geht dabei nicht nur um Remunerationsfragen und Arbeitsbedingungen, sondern vor allem auch Strukturen, Prozesse, Kultur, Arbeitsumfeld, Stimmung, persönliches Umfeld und organisatorische Fragen. Dies bedarf einer wirklichen und weitreichenden Veränderungsbereitschaft, Gewohnheiten über Bord zu werfen und auf Bewährtes zu verzichten. Der Mut zu Neuem und die Innovationskraft bei der Lösungssuche werden zu Schlüsselelementen. Das Unternehmen hat damit die Chance, sich durch diese internen Anpassungen zu einem wirklichen «Employer of Choice» zu entwickeln.
Nach dieser Phase der Positionierung und Selbstgestaltung kommt nun der kommunikative Teil der Werbung und des Employer Branding. Mit konkreten und klaren Botschaften wird die Value Proposition des Unternehmens als Arbeitgeber auf dem Markt bekannt gemacht. Der potenzielle Arbeitnehmer soll im Detail kennen lernen, was ihm dieser Arbeitgeber bietet. Somit steht das Employer Branding beim «Attraktivitätsprozess» nicht im Vordergrund, sondern ist lediglich Mittel zum Zweck, um die Bestrebungen des «Employer of Choice» öffentlich und bekannt zu machen. Der Begriff des Personalmarketings muss zwingend weiter definiert und verstanden werden.
Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden
Im klassischen Kundenmarketing können wir viele Parallelen erkennen. Lange Zeit war Kundenmarketing nur mit Werbung in Verbindung gebracht worden. Später wurde unter Marketing dann vermehrt auch der ganze Zyklus von der Bedürfnisanalyse über die kundenbedürfnisorientierte Produkteentwicklung bis hin zur marktorientierten Kommunikation und Werbung verstanden. Vielleicht ist es auch einfach eine strategisch-programmatische Frage. Entweder man zwingt dem Zielpublikum sein fixiertes Profil, sein Angebot, seine Bedingungen auf und versucht mit viel Kommunikationsaufwand, die Kunden dafür zu gewinnen (PUSH). Oder aber man nimmt die inneren Bedürfnisse des Kunden ernst und passt sein Profil und Angebot darauf an, indem bedürfnisorientierte Lösungen entwickelt werden (PULL).
Die Antwort auf diese strategisch-programmatische Frage ist in Anbetracht der Tatsache, dass sich die Knappheit auf dem qualifizierten Arbeitsmarkt langfristig weiter verschärfen wird, jedoch glasklar. Die einseitige Machtverteilung liegt bei einem solchen Marktungleichgewicht auf der Hand. Der qualifizierte Arbeitnehmer diktiert zu einem grossen Teil die Bedingungen. Ein Unternehmen wird sich somit in Zukunft unbedingt auf die Bedürfnisse der Arbeitskräfte ausrichten müssen, um sich nachhaltig die besten Arbeitskräfte und die nötige Qualifikation auf dem Markt zu sichern. Deshalb mehr substanzielle Anpassungsarbeit statt Kommunikationsarbeit und mehr Sein statt Schein. Wie kann dies nun konkret umgesetzt werden? Wie wird ein Unternehmen zu einem wirklichen «Employer of Choice»?
«Employer of Choice» als ein möglicher Ansatz
Der Gedanke, das Arbeitsumfeld des eigenen Unternehmens auf die Erwartungen und Bedürfnisse der Zielarbeitskräfte auszurichten, bedarf eines systematischen Veränderungsprozesses.
Die inhaltliche Seite ist dabei häufig problemlos steuerbar. Die formale Entwicklung der Inhalte und die faktische Änderung von Strukturen und Bedingungen braucht intern zwar häufig viel Energie und Überzeugungsarbeit, ist aber auf Basis eines Projekts einfach und zuverlässig machbar. Die Bestimmung und Lokalisierung der Zielgruppen ist der erste Schritt. Dabei ist wichtig, dass neben den externen Zielgruppen (Gewinnung von neuen Arbeitskräften) auch die internen Zielgruppen (Bindung der bestehenden Arbeitskräfte) berücksichtigt werden. Auch die Arbeitskräfte der Mitbewerber sollten unter Einhaltung der Diskretion einbezogen werden.
Die Erhebung kann durch qualitative Interviews, Umfragen, Workshops oder andere Verfahren erfolgen. Dabei ist es gefährlich, sich auf allgemeine Statistiken zu verlassen. Deshalb sollten die Zielgruppen unbedingt persönlich und so individuell wie möglich angegangen werden. Die Erhebungsmethode muss auch sicherstellen, dass die wirklichen und verborgenen Wünsche und Bedürfnisse erkannt werden können. Anschliessend entstehen nach gründlicher Reflexion der erhobenen Daten in der Designphase die Konturen und das Profil des Unternehmens als Arbeitgeber. Diese inhaltliche Positionierung als «Employer of Choice» lässt auf zwei verschiedenen Ebenen Handlungsbedarf entstehen. Einerseits müssen sofort die nötigen internen Anpassungen und Änderungen vorgenommen werden und andererseits können dann das eigentliche Employer Branding und die Kommunikation der bestimmten Botschaften mittels Informationsveranstaltungen, PR-Kampagnen und anderer gezielter Aktionen erfolgen.
Weiche Faktoren zählen zu den wichtigen Differenzierungsfaktoren
Viel schwieriger als die inhaltliche Seite erweist sich in der Praxis die kulturelle Seite dieser Entwicklung hin zum «Employer of Choice». Erfahrungsgemäss zählen häufig weiche Faktoren zu den wichtigen Differenzierungsfaktoren geschätzter Arbeitgeber. Der persönliche Umgang, der Ton, die Stimmung, Wertschätzung, Förderungshaltung und generell die Frage, wie die Menschen in einem Unternehmen miteinander umgehen, sind für einen Mitarbeiter zentrale Faktoren. Diese kulturellen Eigenschaften kann sich ein Unternehmen jedoch nicht einfach aneignen, sondern sie müssen mit allen Mitarbeitern gemeinsam entwickelt und gelebt werden.
Kulturelle Veränderungsprozesse sind nicht leicht steuerbar und fordern vor allem von den Führungskräften viel Vision, Kraft, Energie und Ausdauer. Aufgrund der Schwierigkeit und der langen Dauer solcher Prozesse tendieren Manager dazu, primär bei den strukturellen und harten Faktoren anzusetzen und den kulturellen Handlungsbedarf zu ignorieren. Dies ist zwar der einfachere Weg, doch gleichzeitig ist dadurch auch die Wirksamkeit dieser Bestrebungen umso kleiner. Auch hier stellt sich die Frage der Effektivität, der Nachhaltigkeit und von Schein oder Sein.
Diese Ausführungen sollen klar machen, dass die Entwicklung hin zu einem attraktiven Arbeitgeber nur möglich ist, wenn das Unternehmen bereit ist, sich selber zu hinterfragen und zu verändern. Wenn sich die Bemühungen allein auf kommunikative Aspekte und Branding-Massnahmen beschränken, dann wird der gewünschte Effekt mittel- bis langfristig ausbleiben. Bei Qualifikationsknappheit muss ein Unternehmen beginnen, seine bestehenden und potenziellen Mitarbeiter als Kunden zu verstehen und sich an deren Bedürfnissen auszurichten. Es muss alles daransetzen, für seine Zielgruppe innerhalb des Arbeitsmarktes das optimale Umfeld zu bieten. Dies ist nicht mit einem abschliessenden Projekt zu bewerkstelligen, sondern stellt eine dauernde Aufgabe für das Unternehmen dar. Wie der Absatzmarkt ist auch der Arbeitsmarkt dynamisch mit sich verändernden Bedürfnissen. Somit muss dieses Vorgehen einen iterativen Prozess darstellen. «Employer of Choice» darf nicht nur eine einmalige Initiative bleiben, sondern eine institutionalisierte Disziplin des Managements mit entsprechenden Ressourcen werden. Davon ist man heute leider noch weit entfernt.