30 Jahre Mercuri Urval

«Ich bedaure den Verlust von Tiefgang und Kultur»

Seit 30 Jahren gibt es das Beratungsunternehmen Mercuri Urval in der Schweiz. Ein Gespräch mit dem COO Schweiz, Stephan Beyeler, über Veränderungen im HR und zukünftige Herausforderungen.

Herr Beyeler, Mercuri Urval wurde vor 45 Jahren in Schweden gegründet, und seit 30 Jahren besteht die Firma auch in der Schweiz. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Stephan Beyeler: Die Langlebigkeit von Mercuri Urval ist einer der Erfolge: Wir haben viel Erfahrung, sind allgemein bekannt und haben einen konstanten Brand. Das heisst: Wir sind stabil in dem, was wir machen und wie wir auftreten. Das führt zu einem grossen Wiedererkennungswert. Ein weiteres Erfolgsrezept ist unsere internationale Ausrichtung: Wir haben Niederlassungen in 25 Ländern, in 50 Ländern erbringen wir Dienstleistungen. Zudem fokussieren wir auf zwei Themenbereiche: erstens auf Rekrutierung und Selektion inklusive Executive Search und zweitens begleiten wir vielfältige Entwicklungsthemen im HR-Bereich.

Wie stellen Sie sicher, dass Sie die richtigen Kandidaten vermitteln?

Ausschlaggebend ist die exakte Analyse des Umfelds und der Organisation, in welche die Kandidaten kommen. Wir müssen genau wissen, worum es sich beim Job handelt. Zudem teilt uns der Kunde möglichst detailliert mit, welches Anforderungsprofil der Kandidat zu erfüllen hat. Entscheidend ist, dass die Person zum Unternehmen passt.

Was hat sich in den letzten 30 Jahren im HR-Bereich am stärksten verändert?

Ich stelle drei grundlegende Veränderungen fest: Die Bedeutung des Multi-Channel-Approachs nimmt zu. Heute sind Print-Inserate die Ausnahme, stattdessen erreichen wir Kandidaten über Online-Jobbörsen, über eigene Datenbanken, das Netzwerk unserer Berater oder via Social Media wie Xing und LinkedIn.

Was ist die zweite Veränderung?

Die Globalisierung der Firmen. Die globale Vernetzung sowie internationale Mandate nehmen zu. Und drittens führt der Fach- und Führungskräftemangel dazu, dass Firmen vermehrt ihre internen Mitarbeiter fördern. Talent Management wird immer wichtiger.

Zur Person

Stephan Beyeler (58) arbeitet seit 1996 bei Mercuri Urval. 2009 wurde er Niederlassungsleiter in Basel, seit 2011 ist er COO von Mercuri Urval und damit Gesamtverantwortlicher für die Schweiz. Bis 1995 hat Stephan Beyeler in diversen Positionen für die Berner Versicherung (heute Allianz) gearbeitet.

Mercuri Urval wurde 1967 in Schweden gegründet, seit 1983 bestehen Niederlassungen in der Schweiz. Die Kernkompetenzen der internationalen Personalberatung liegen in den Bereichen Recruiting, Executive Search, Assessments sowie Outplacement und Coaching.

Wie hat sich die Kandidatensuche verändert?

Wegen des demographischen Wandels ist es schwieriger geworden, auf Anhieb die richtigen Personen zu finden. Wobei nicht nur das Finden der Kandidaten anspruchsvoller wurde, auch die richtige Selektion ist eine Herausforderung: Einen Kandidaten zu finden, der für beide Seiten passt. Das richtige Selektionieren ist unser Hauptchallenge.

Wo sehen Sie im HR zukünftige Herausforderungen?

Die Generation Y ist eine grosse Herausforderung, denn sie ist in jeder Hinsicht anspruchsvoll: Die Arbeitsbedingungen müssen stimmen, ebenso die Work-Life-Balance und die Freiheit. Das Lustprinzip hat einen hohen Stellenwert. Wesentlich ist auch der oben erwähnte demographische Wandel und die damit einhergehende Talentknappheit. Da sind Unternehmen und das HR gefordert, ihre Flexibilität unter Beweis zu stellen und ihre Rahmenbedingungen und Unternehmenskultur zu überdenken.

Wie meinen Sie das?

Firmen müssen sich fragen: Stimmen unsere Arbeitsbedingungen, unsere Arbeitszeitmodelle, unsere grundsätzliche Flexibilität? Ist unsere Unternehmenskultur anziehend für die Generation Y? Sind wir als Arbeitgeber überhaupt attraktiv?

Sehen Sie weitere Konsequenzen?

Unternehmen sind gezwungen, Schritt zu halten mit den technologischen Umbrüchen. Heute sind wir soweit, dass sich die Unternehmen beim potenziellen Mitarbeiter bewerben müssen, und nicht umgekehrt. Die Firmen müssen sich «verkaufen» und der Kandidat entscheidet, ob er zum Unternehmen geht oder nicht.

Was bedeutet dieser Wandel?

Organisationen müssen stärker auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen und mit den Kandidaten auf Augenhöhe kommunizieren. Erfolg haben die Firmen, die Diversität, Freiräume, sinnstiftende Arbeit bieten. Auch die Führungsaufgabe ist komplexer und anspruchsvoller geworden, es findet ein tiefgreifender kultureller Wandel statt. Heute sind mehr kreative Unternehmer gefragt statt althergebrachte Manager. Diese Veränderungen finde ich spannend, sie sind aber auch extrem anspruchsvoll für HR-Verantwortliche und Unternehmensleiter.

Sie selber sind seit 1996 bei Mercuri Urval. Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit?

Die Verbindung von Mensch und Berufswelt finde ich faszinierend. Bei meinem Job geht es um Menschen im Kontext Berufstätigkeit. Ich lerne täglich neue Leute und fast täglich neue Unternehmen und Organisationen kennen, vom kleinen Drei-Mann-Betrieb bis zum internationalen Konzern. Ich entwickle mich laufend weiter, denn die Menschen und die Unternehmen erwarten von mir, up to date zu bleiben. Meine Teams, Kolleginnen und Kollegen motivieren mich. Zudem hatte ich die Möglichkeit, alle drei bis fünf Jahre neue zusätzliche Verantwortungen – zunehmend auch international ausgerichtet - wahrzunehmen.

Gibt es etwas, das Sie nachdenklich stimmt?

Ich bin ein zuversichtlicher Mensch, aber es gibt Punkte, die mich beschäftigen. Zum einen das Tempo: Es ist modern geworden, Tempo anzuschlagen, eine «Aktionitis» und Hektik auch in Bereichen, wo Geschwindigkeit nicht verlangt wird. Zudem stelle ich eine gewisse Beliebigkeit, eine Indifferenz fest. Vieles bleibt unverbindlich. Zu denken gibt mir auch die Lese-Unfähigkeit und die Lese-Unfreude. Die Leute bringen kaum mehr einen «geraden Satz» zustande. Es geht oft um die undifferenzierte Aufnahme süffiger Nachrichten; an guten Hintergrundberichten, Recherchen und Analysen haben viele kein Interesse mehr. Das bedeutet für mich einen Verlust von Tiefgang, Gelassenheit, Kultur und tiefsinnigen Werten. Es dominiert eine Oberflächlichkeit und Kurzlebigkeit. So faszinierend ich die heutige Zeit finde, diese Entwicklung bedaure ich zutiefst.

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