«Insgeheim hoffen wir natürlich auf eine kollektive Monsterpsychose»
Wie überlebt man eigentlich den alltäglichen Büro-Wahnsinn? Mit Humor, finden Agentur-Gründer Andri Hinnen und HSG-Professor Martin J. Eppler. Ihr Buch: Ein Kompendium voller Drachen, Yetis und Ogern. Ein Gespräch über die Monster in der Bürowelt – und uns.

Manche Monster residieren in den Systemen, manche in der Leadership – und manche in uns. (Bild: ChatGPT / Canva)
HR Today: Sie personifizieren Probleme am Arbeitsplatz als «Monster». Was kann dieses Framing, was ein normales Handbuch nicht kann?
Andri Hinnen: Gute Frage. Nehmen wir den Yes-Yeti, uns stets dazu verführt, zu allem Ja zu sagen. Die meisten von uns kennen das Problem. Doch erst durch die Monstrifizierung wird es konkret, präsent, (an)greifbar. Metaphern sind ja generell ein mächtiges Framing-Instrument. Bei den Monstern kommt hinzu, dass sie – das die Hoffnung – uns auf einer tieferen Ebene berühren. Eine Mystifizierung des scheinbar Banalen, die unserem Tun Bedeutung und Wirksamkeit verleiht – und hoffentlich auch Spass macht.
Ihr Buch ist spielerisch – im Ton, der Illustration, dem Umgang mit Problemen und ihren Lösungen. Braucht die Geschäftswelt allgemein mehr Schalk und Humor?
Ich glaube, wir dürfen Humor als Ressource wie jede andere verstehen. Diese gilt es bewusst einzusetzen und systematisch zu entwickeln, aber auch nicht als Allheilmittel zu betrachten. Humor ist nicht Alchemie, sondern lern- und kanalisierbar. Das wird vielleicht sogar unser nächstes Buch: «You gotta be joking – building humour capital». Ohne Witz!

Welche besonders beliebten «Monster» sind eher Mythen, während unbeliebtere eigentlich viel häufiger sind?
Mich persönlich nervt die für alles mögliche verwendete «Slaying the Dragon»-Analogie. Nicht nur ist sie abgegriffen, sie fühlt sich tiefenpsychlogisch auch irgendwie falsch an. Für mich macht es mehr Sinn, furchteinflössende Drachen zu Verbündeten zu machen. Siehe daher auch das Mighty-Me-Monster-Kapitel.
In einem Satz: Welches Monster ist das gefährlichste überhaupt – und weshalb?
Der ahnungslose Oger, der seine Inkompetenz unterschätzt und verspricht, komplexe Probleme mit einfachen Lösungen zu fixen, Beispiel Weltpolitik.
Metaphern können dazu verleiten, bestimmte Verhaltensweisen als «reparierbar» zu beurteilen, obwohl diese oft aus systemischen und Problemen heraus entstehen – wie vermeidet man es, dass die personalisierte «Monsterjagd» die materiellen Bedingungen maskiert?
Wenn du nur einen Hammer hast, sieht alles wie ein Nagel aus. Daher propagieren wir Monsterpluralismus. Einige der Monster sind individuelle Verhaltensweisen, andere systemisch-strukturelle Phänomene, zum Beispiel der Bürokratie-Blob oder die Strategie-Chimäre. Nur wenn wir auf beiden Ebenen ansetzen haben wir eine Chance im Kampf gegen die dunklen Mächte.
Wo ziehen Sie die Grenze zwischen «Das ist ein Drache!» und «Das ist das Businessmodell»?
Das überlassen wir gerne unseren Lesenden. Insgeheim hoffen wir natürlich auf eine kollektive Monsterpsychose, wo niemand mehr den Unterschied zwischen Wahn und Wirklichkeit kennt.

Buchtipp
Andri Hinnen und Martin J. Eppler
«Büromonster. Ein Survivalguide für den täglichen Wahnsinn am Arbeitsplatz.»,
Murmann, 2025,
208 Seiten