Arbeitsformen

Interim Manager: Führungskräfte 
mit Durchblick auf Durchreise

Den Managern auf Zeit haftet noch immer das Image des Unternehmensretters an. Dabei können sie mehr als Krisenmanagement: Die Fach- und Führungskräfte sind flexibel einsetzbar und bieten viele Vorteile. Das wissen auch ihre Auftraggeber zu schätzen. Dennoch ist diese Arbeitsform in der Schweiz noch nicht sehr verbreitet.

«Ein Interim Manager ist eine flexibel einsetzbare Führungskraft, ein freier und echter Unternehmer», definiert Paul Beerli, Vizepräsident des Dachverbands Schweizer Interim Manager (DSIM). Die Kunden eines Interim Managers sind Unternehmen, die ihn für 
bestimmte Aufgaben und einen begrenzten Zeitraum beauftragen (siehe Seite 38). «Ein Interim Manager muss die Fähigkeit haben, unter Zeitdruck eine Situation rasch einzuschätzen, aus der Analyse die richtigen Entscheidungen zu fällen und die geplante Veränderung mit den geeigneten Ressourcen umsetzen zu können», sagt Beerli. Und: «Wenn das Unternehmen den Interim Manager nicht mehr benötigt, hat er einen guten Job gemacht.»

Manager auf Zeit überbrücken 
Vakanzen und leiten Projekte

Interim Management ist seit dreissig Jahren in der Schweiz bekannt. Aber diese Arbeitsform habe sich bisher eher versteckt in einer kleinen, feinen Ecke entwickelt, sagt Harald Schönfeld. Er ist Vorstand des Branchenverbandes «Arbeitskreis Interim Management Provider» (AIMP) für die deutschsprachigen Länder und Geschäftsführer von butterfly-manager GmbH, einem Vermittler für Interim Manager. «Nach der aktuellen Branchenstudie wissen immer noch vier von zehn Entscheidungsträgern nicht richtig, was Interim Management ist», sagt Schönfeld.

Vielfach hafte der Arbeitsform das «Unternehmensretter-Image» an, weil Interim Manager früher am häufigsten bei Restrukturierungen, Sanierungen oder Krisenmanagement eingesetzt wurden. «Heute arbeiten rund 15 bis 20 Prozent der Manager auf Zeit in diesen Bedürfnisphasen, alle anderen in ganz normalen Jobs, sie überbrücken Vakanzen oder arbeiten im Projektmanagement», sagt Schönfeld. Nicht nur der Aufgabenbereich hat sich gewandelt, sondern auch die Anbieter. Waren es früher eher ältere Herren, sind es heute schon vermehrt Frauen ab Mitte dreissig. Trotzdem liegt der Anteil weiblicher Interim Manager in der Schweiz erst bei etwa bei 15 Prozent. Grundsätzlich sei Interim Management «breiter, jünger, bunter, weiblicher geworden», sagt Schönfeld.

Auch die 38-jährige Susanne Mosbacher arbeitet seit 2007 als Interim Managerin. Die Personalfachfrau mit eidgenössischem Fachausweis hat ihren lang gehegten Wunsch, sich selbständig zu machen, in die Tat umgesetzt, nachdem sie sich bei ihrer letzten Festanstellung als HR-Leiterin selbst wegrationalisieren musste. Durchschnittlich arbeitet Mosbacher an zwei bis drei Mandaten gleichzeitig. So war sie beispielsweise bei einer stark expandierenden Firma für die Rekrutierungen verantwortlich. Gleichzeitig war sie bei einem im Aufbau begriffenen KMU mit Aussenstellen in Afrika für die Erarbeitung und Implementierung eines Personalreglements und verschiedener Führungsinstrumente zuständig. Zurzeit arbeitet sie als HR-Leiterin ad interim bei Trivadis. «Als Interim Manager kann ich meine vielfältigen Erfahrungen als HR-Fachfrau einbringen, den Unternehmen Best-Practice-
Beispiele aufzeigen, lerne selber immer dazu und sehe ziemlich schnell die Resultate», nennt Mosbacher einige der Gründe, warum sie sich für Interim-Mandate entschieden hat.

Auch Charles Leuthold, 53 Jahre alt und seit über zehn Jahren als Interim Manager im HR-Bereich tätig, spricht von den stetig neuen Herausforderungen, die er an dieser Arbeitsform schätzt und die in keiner Ausbildung gelehrt werden, sondern der gesammelten Erfahrung aus verschiedenen Interim-Management-Mandaten bedürfen. Leuthold hat viele Mandate, bei denen sich sein Klient in einer Übergangsphase befindet. Beispielsweise ist er für fünf Monate eingesprungen, als bei einem Unternehmen mit 600 Mitarbeitenden die Personalleitung kündigte. «Die Personalabteilung brach fast zusammen. Meine Aufgabe bestand darin, Stabilität zu geben, Ansprechperson für die Mitarbeitenden zu sein und dafür zu sorgen, dass das Tagesgeschäft weitergeht, bis eine neue Leitung gefunden wurde.» Es sei eine falsche Vorstellung vieler Unternehmer, dass ein HR-Leiter, der interimistisch arbeitet, sich bis in alle Details mit den Besonderheiten des Unternehmens auseinandersetzen muss. «Gerade in Krisen geht es darum, die Kontinuität und die operative Leistungsfähigkeit der Personalabteilung zu erhalten», sagt Leuthold.

Ob Krisensituation oder Überbrückung von Vakanz, in jedem Fall muss sich ein Interim Manager jeweils rasch in die Organisation einleben und ihre geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze erkennen – eine Schwierigkeit, die bei jedem Mandat von Neuem überwunden werden muss. Mosbacher spricht von Empathie, aber auch von einer Hol
schuld der Informationen und möglichst vielen verschiedenen Erfahrungen, die einem den raschen Überblick und die Integration erleichtern. Leuthold betont zudem, wie wichtig es ist, die Erwartungshaltung aller Beteiligten vorab zu klären. «Nicht selten laufen die Erwartungen des Managements und der HR-Abteilung diametral auseinander», weiss der 53-Jährige aus Erfahrung.

Nur eine offene Kommunikation, in der die Prioritäten, Ziele und auch Grenzen besprochen werde, könne hier helfen. «Oft liegt es an der missglückten Kommunikation, wenn der Arbeitgeber unzufrieden ist mit seinem Interim Manager», sagt Leuthold. Harald Schönfeld kennt als Provider einen weiteren Grund für eine nicht befriedigende Zusammenarbeit: «Wenn es nicht klappt, liegt das meistens im zwischenmenschlichen Bereich, die fachlichen und methodischen Kompetenzen sind ja im Vorfeld schon abklärbar.»

Zusammenarbeit mit «Kollegen 
auf Zeit»

Sowohl Susanne Mosbacher wie auch Charles Leuthold heben als positiven Effekt ihrer Arbeitsform die offene und effiziente Zusammenarbeit mit den jeweiligen «Kollegen auf Zeit» hervor, sei es mit dem HR-Team, der Geschäftleitung oder den Führungsverantwortlichen der Linie. «Ich werde jeweils sehr schnell integriert», sagt Mosbacher. «Die Leute sind sich bewusst, dass ich nur für bestimmte Zeit da bin und sie von mir profitieren können.» Und Leuthold: «Die Mitarbeitenden akzeptieren mich gut, sie schätzen nicht nur meine Erfahrung, sondern auch meine Unabhängigkeit.» Tatsächlich ist es einer der Vorteile der Interim Manager, dass sie nicht im Unternehmensbiotop integriert sind und somit weder in interne Machenschaften verwickelt noch Konkurrenz für die Karriereleiter anderer Führungskräfte sind. «Rund ein Drittel der Energie verwenden festangestellte Manager auf interne Politics», sagt Paul Beerli vom Dachverband. «Der Interim Manager hingegen kann sich zu 100 Prozent auf seine Aufgabe konzentrieren.»

Dennoch sehen sich weder Mosbacher noch Leuthold als einsame Kämpfer, im Gegenteil. «Ich bin ein extremer Teammensch», sagt Mosbacher von sich selber. «Ich finde es spannend, in jedem Mandat andere Teams 
zu haben, neue Kulturen, Produkte oder Dienstleistungen und neue, spannende Branchen kennen zu lernen.» Gute Kontakte, lang haltende Bekanntschaften – und nicht selten Folgeaufträge – nehmen sowohl Mosbacher wie auch Leuthold von jedem Mandat mit.

Mühe hingegen bereitet den beiden Interim Managern die Unsicherheit nach einem Mandat. Vor allem wenn dieses 80 oder mehr Prozent Arbeit beinhalte, fehle die Zeit, sich um nachfolgende zu kümmern. Leuthold ist deshalb, neben dem persönlichen Netzwerk, bei einem Provider angebunden, den er als seinen «Akquisitions- und Marketingarm» betitelt. Gemäss Harald Schönfeld akquirieren in der Schweiz rund 40 Prozent der Interim Manager über einen Provider, die anderen ausschliesslich über ihr eigenes Netzwerk, wie beispielsweise Susanne Mosbacher. Wobei ihr ihre Tätigkeit als Dozentin in der Personalentwicklung, die Mitgliedschaft in der Prüfungskommission für Personalfachleute, in verschiedenen Berufs- und Wirtschaftsverbänden sowie Internet Communities durchaus hilfreich seien.

Flexibel sind die Manager vor allem in den Niederlanden

«Eine Arbeit mit Festanstellung, inklusive langer Rekrutierungs-, Kündigungs- und Einarbeitungsphasen, ist in den Köpfen vieler Entscheidungsträger immer noch das gängigste Modell», kritisiert Leuthold. «Dass sie einen erfahrenen Interim Manager am Donnerstag treffen können und er am Montag die Verantwortung für eine Aufgabe übernehmen kann – dieses pragmatische, unkomplizierte Modell des Interim Managements liegt bei vielen nicht im Denkhorizont.»

Was in der Schweiz noch nicht geläufig ist, gehört in den Niederlanden und Grossbritannien seit Jahren zur Norm. In den Niederlanden beispielsweise arbeiten rund 40000 Interim Manager laut ORM, Nederlandse Orde van Registermanagers.

«In diesen beiden Ländern ist Interim Management ein ganz normales Instrument der Personalplanung», sagt Harald Schönfeld. In Deutschland gebe es diese Arbeitsform vermehrt erst seit der Wiedervereinigung und Österreich sei diesbezüglich leider noch ein Entwicklungsland.

Firmen mit hoher Innovationsgeschwindigkeit oder international tätige Konzerne engagieren gerne die flexiblen Manager mit ihrem grossen Know-how, weiss Schönfeld dank seiner Providerfirma und den Studien seines Verbands. Am gefragtesten seien die Manager auf Zeit in den Branchen Automobil und Zulieferer, Telekom, Internet, Medienunternehmen, aber auch Chemie, Pharma, Biotech. In den HR-Bereich vermittelt Schönfeld rund 20 Prozent der Interim Manager.

Für Leuthold ist klar, dass viele Unternehmen, gerade kleinere, auch finanzielle Gründe davon abhalten, einen Interim Manager einzustellen. «Sie sehen nur das Tageshonorar und erschrecken. Würden sie eine Vollkostenrechnung machen, käme ein HR-Manager auf Zeit günstiger, als wenn sie notgedrungen eine falsche Person einstellen, die bald wieder geht.»

Kurzfristige Verfügbarkeit und Unabhängigkeit sind Schlüssel zum Erfolg

Diese Überlegung hat sich auch Jean-Yves Konrad, CFO der Trivadis-Gruppe, gemacht, als sich ein personeller Wechsel in der HR-Leitung abzeichnete. «Die HR-Organisation sollte aufgrund des starken Wachstums der Trivadis-Gruppe strategischer positioniert werden. Dazu mussten wir aber eine geeignete Person mit entsprechendem Profil als HR-Leitung finden», erläutert Konrad. Er wollte jedoch nichts überstürzen und engagierte deshalb kurzfristig eine Interim Managerin. Sie sollte ihn vor allem bei der Rekrutierung der neuen HR-Leitung und bei der Neuausrichtung der HR-Organisation mit ihrer Erfahrung und ihrem HR-spezifischen Know-how unterstützen.

Schneller als erwartet habe sie sich eingearbeitet, die Firmenkultur erfasst und im Sinne der Trivadis agiert. «Schade nur, dass man sie aufgrund ihres befristeten Einsatzes nicht noch viel stärker und definitiver in die Organisation einbinden kann», erwähnt Konrad den einzigen negativen Punkt, der ihm zu dieser Arbeitsform einfällt. Andererseits sei es genau diese kurzfristige Verfügbarkeit und Unabhängigkeit, die zum Erfolg des Mandats beitrage. Jean-Yves Konrad hat zum ersten Mal einen Interim Manager engagiert und meint: «Ich würde es bei Bedarf wieder tun. Meine Erfahrungen sind zum weitaus überwiegenden Teil positiv. Allerdings bin ich überzeugt, dass der Erfolg eines Interim-Einsatzes stark von der Person abhängt, die das Mandat innehat.»

Fünf Merkmale eines 
professionellen Providers

  1. Interim Management ist sein Kerngeschäft: Ein professioneller Provider betreibt Interim Management als Kerngeschäft – und nicht nur als «Gefälligkeit», um sporadische und atypische Kundenanfragen abzudecken.
  2. Sein Interim-Manager-Pool hat eine relevante Grösse: Ein professioneller Provider verfügt über einen Pool von mehreren hundert bis zu mehreren tausend Interim Managern – und muss nicht bei einer Anfrage erst im Internet nach Kandidaten suchen.
  3. Sein Interim-Manager-Pool ist qualitätsgesichert: Ein professioneller Provider hat Kriterien festgelegt, die ein Kandidat erfüllen muss, um in seinen Pool aufgenommen zu werden. Oft werden die Kriterien durch Referenzen oder persönliche Interviews ergänzt. Die Beziehung zu den Interim Managern wird über Jahre hinweg aktiv gepflegt.
  4. Das Serviceangebot reicht über den Lebenslauf hinaus: Ein professioneller Provider beschränkt sich nicht auf das reine Versenden von Lebensläufen, sondern steht dem nachfragenden Unternehmen, aber auch dem anbietenden Interim Manager als Partner zur Verfügung – nicht zwangsläufig kostenlos.
  5. Er verfügt über Insiderwissen in einem Wachstumsmarkt: Ein professioneller Provider kann dem nachfragenden Unternehmen, aber auch dem anbietenden Interim Manager eine Vielzahl von Marktdaten liefern – zum Beispiel Preise und Trends im Anbieter- oder Nachfragerverhalten.
  • Quelle: AIMP – Arbeitskreis Interim Management Provider

 

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