HR Today Nr. 3/2022: Recruiting & Employer Branding

It’s the mindset, stupid!

Natürlich braucht es im Recruiting Ressourcen: Ohne diese wird es schwierig, Rekrutierungswunder zu vollbringen. Unabhängig von der Ressourcenfrage sollten sich Recruiter aber auf Themen konzentrieren, die ihrem Einfluss­bereich unterliegen. Etwa ihr Mindset und die Kommunikation mit Bewerbenden.

Der Begriff Mindset hat viele Synonyme: Haltung, Mentalität, Einstellung, Denkweise oder Weltanschauung. Die Art, wie wir fühlen und handeln, wird durch unsere positiven und negativen Erfahrungen geprägt. Motivationspsychologin Carol Dweck unterscheidet zwischen einem Fixed Mindset (statisches Selbstbild) und einem Growth Mindset (dynamisches Selbstbild). Menschen mit einem statischen Selbstbild meiden Herausforderungen, wenn sie Niederlagen befürchten und davon überzeugt sind, nicht das nötige Talent für eine Aufgabe mitzubringen. Auf der anderen Seite sind Menschen mit Growth Mindset anpassungsfähiger und davon überzeugt, alles zu schaffen. Dass eine solche Einstellung im zunehmend kompetitiven Talentmarkt hilfreicher ist, versteht sich von selbst.

Da sich der Mindset der Situation anpassen soll, muss diese zunächst bekannt sein (es herrscht ein Fachkräftemangel, oder vielleicht doch nicht?). Ist die Situation bekannt, muss diese Realität anerkannt werden: Ja, es ist tatsächlich so und wir tun nicht so, als wäre es anders. Oft scheitert es bereits in dieser Rekrutierungsphase. Zu viele Unternehmen agieren, als gäbe es Mitarbeitende im Überfluss, die nur darauf warten, in ihrem Betrieb arbeiten zu dürfen. Ein paar Beispiele? Wenn Firmen der Talentgewinnung eine Top-Priorität einräumen, gleichzeitig aber bei der Rekrutierung sparen. Sie sich für attraktive Arbeitgebende halten und mit vier Wochen Urlaub prahlen und denken, Talente hätten nur auf sie gewartet. Sie Talente durch komplizierte Blackbox-Bewerbungsprozesse jagen und danach nie mehr etwas von sich hören lassen. Leider sind das keine seltenen Beispiele.

Sechs Phasen der Candidate-Journey

Die Kommunikation entlang der Candidate-Journey beschreibt, wie eine typische Reise vom Talent bis zum Mitarbeitenden vonstattengeht und welche Schritte ein potenzieller Bewerbender dabei durchläuft. Ob ein Unternehmen will oder nicht: Es kommuniziert an jedem Kontaktpunkt mit dem Kandidaten. Wird das Active Sourcing aussen vorgelassen, unterteilt sich die Candidate-Journey in sechs Phasen:

  1. Aufmerksamkeit: Ein Talent wird auf einen Arbeitgebenden und dessen Konkurrenten aufmerksam. Das geschieht typischerweise auf Jobportalen. Firmen sollten auf den für ihre Berufsbilder relevanten Kanälen Präsenz zeigen mit Stellenbeschreibungen, die informativ sind und Lust auf mehr machen.
  2. Information: Ein Talent erreicht das Unternehmen und informiert sich auf der Karriereseite. Wer dieses Etappenziel erreicht, kommt mit dem Employer Brand in Kontakt, durch den authentisch transportiert wird, was es bedeutet, im Unternehmen zu arbeiten. Es ist der Schnittpunkt zwischen Firmenambitionen, den internen Realitäten und der externen Wahrnehmung.
  3. Interesse und Bewerbung: Ein Talent wählt das Unternehmen als bevorzugten Arbeitgebenden. Jetzt wird es ernst: Das Talent möchte zum Bewerbenden werden. Der Bewerbungsprozess sollte deshalb so geschmeidig ablaufen wie der Bestellprozess eines Onlineshops. Keine endlosen Formulare mit Fragen zu Dingen, die ohnehin im Lebenslauf stehen. Kein Anschreiben. Keine Logins, dafür Kontaktmöglichkeiten zu echten Menschen. Keine Bots und keine allgemeine E-Mail-Adresse wie info@firma.ch. Geht es um einen Job, wollen Menschen mit Menschen kommunizieren.
  4. Auswahl: Kandidatinnen und Kandidaten durchlaufen ein Auswahlverfahren. Es ist bedenklich, dass das explizit erwähnt werden muss, aber diese Phase ist ein zweiseitiger Prozess. Sie prüfen, welche Kandidatinnen und Kandidaten zu Ihnen passen, das Talent macht dasselbe. Eine Firma muss sich deshalb genau gleich gut verkaufen wie ihr Gegenüber. Es braucht gute Gründe, weshalb jemand in einem bestimmten Betrieb arbeiten sollte. Nicht nur Worte, auch Taten sind gefragt. Etwa mit einer regelmässigen Kommunikation, einem zügigen Prozess und Fachverantwortlichen, die wissen, wie man Interviews führt.
  5. Einstellung: Ein Kandidat oder eine Kandidatin wird zum Mitarbeitenden. Hurra, sie haben sich gefunden und auf eine Anstellung geeinigt. Wurden auch alle vertraglichen Details besprochen? Nicht selten ist man sich vermeintlich einig. Dann folgt ein Angebot, das überhaupt nicht den Erwartungen des Bewerbenden entspricht. Geht etwas auf den letzten Metern schief, ist das besonders ärgerlich.
  6. Onboarding: Ein Mitarbeitender beginnt im Unternehmen. Das Onboarding startet bereits mit dem unterschriebenen Arbeitsvertrag – und nicht am ersten Arbeitstag. Meist liegen jedoch je nach Kündigungsfrist zwischen Unterschrift und Arbeitsbeginn mehrere Monate. Der neue Mitarbeitende sollte kontinuierlich informiert werden, damit er sich auf seinen neuen Job freuen kann und weiss, was ihn am Tag eins erwartet.

Falsche KPI

Kann man mit einem Schraubenzieher und einem Hammer ein Auto bauen? Natürlich nicht. Dazu braucht es mehr, sonst reicht es nur für eine Seifenkiste. Hat die Gewinnung von qualifizierten Mitarbeitenden auch für Ihre Unternehmensleitung eine hohe Priorität? Dann müssen angemessene Mittel dafür bereitgestellt werden. Die Kosten pro Einstellung, egal ob hoch oder niedrig, stellen im Gesamtkontext eines Unternehmens fast immer einen winzigen Betrag dar. Die Kosten für falsch oder unbesetzte Stellen sind jedoch richtig teuer. Das Management sollte wissen, dass die «Kosten pro Einstellung» weniger wichtig sind, als jede offene Stelle mit qualifizierten und leistungsfähigen Mitarbeitenden zu besetzen.

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Raphael Ineichen ist CEO & Gründer von digitalent. Mit seiner Erfahrung in den Bereichen Sales & Marketing, Technologie und Talent Acquisition gibt er sich bei digitalent seiner Leidenschaft hin: Er entwickelt und betreibt mit seinem Team ein Talent-Ökosystem, das Unternehmer nachhaltig mit den richtigen Mitarbeitenden versorgt.

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