HR Today Nr. 3/2022: Recruiting & Employer Branding

«We want your skills, not your papers»

Eine Ansage, die es in sich hat, mit dem das junge Unternehmen Juice Technology in der Rekrutierung aber gute Erfahrungen gemacht hat. Ein Gespräch mit Kommunikationsleiterin Daniela Märkl.

Auf Ihren Stelleninseraten prangt: «We want your skills, not your papers.» Wie kamen Sie auf diese Idee?

Daniela Märkl: Eine abgeschlossene Ausbildung oder ein abgeschlossenes Studium sind zwar Erfolge, es sind aber keine Erfolgsgarantien – weder für Bewerbende noch für Arbeitgebende. So belegt ein Diplom weder die Leistungsfähigkeit noch die Belastbarkeit, die Teamfähigkeit oder die Kreativität eines Menschen. Doch genau diese Aspekte sind für Unternehmen bei der Besetzung einer Stelle relevant. Daneben sollen auch Quereinsteigende eine Chance erhalten, die nicht immer in den Genuss einer Fachausbildung kamen. Es gibt viele Menschen, die sich für bestimmte Bereiche begeistern, aber keinen Job erhalten, weil ihnen das entsprechende Papier fehlt. Dabei gibt es Berufsfelder, die sich für sie besonders eignen. Beispielsweise Marketing und Kommunikation, wo kreative Mitarbeitende gesucht sind, die gut schreiben und fotografieren können. Das sind oft Skills, die sich nicht auf den ersten Blick aus einem Lebenslauf herauslesen lassen, für ein Unternehmen aber von grossem Wert sind.

Daneben liest man in Ihren Stellenbeschreibungen: «Wir haben keine Lust auf Standardbewerbungen. Benennen Sie deshalb Ihren CV, so können wir Sie schnell aus den Langweilern herausfiltern.» Inwiefern nützte diese Aufforderung?

Bevor wir eine Bewerbung öffnen, erkennen wir so, ob der- oder diejenige unsere Stellenbeschreibung durchgelesen und sich mit uns befasst hat. Damit sparen wir uns viel Zeit und müssen herz- und ziellose Massenbewerbungen gar nicht erst sichten.

Wie kommt das bei Bewerbenden an?

Die überwiegende Zahl der Bewerbenden benennen die Datei richtig. Wir erhalten oft das Feedback, dass das eine witzige Art sei, um zu prüfen, inwiefern sich jemand mit uns beschäftigt hat.

Von Kandidaten fordern Sie zudem eine «unerschütterlich positive Haltung, um das Unmögliche zu leisten». Das klingt zunächst einmal sehr einschüchternd …

Wir suchen Macherinnen und Macher, die Lösungen finden und nicht einfach sagen: Das geht nicht. Derzeit wächst der Markt für Ladelösungen für E-Fahrzeuge enorm. Wir kommen an einen Punkt, wo sich die Spreu vom Weizen trennt und sich einige wenige Unternehmen bilden, die den Markt beherrschen werden. Um mit dieser Entwicklung mitzuhalten, brauchen wir Mitarbeitende, die etwas erreichen wollen, motiviert sind und sich nicht auf Lorbeeren ausruhen. «Berufliche Spitzensportler» werden bei uns viel Spass haben. Dabei geht es um viel mehr als um den wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch darum, den Fortbestand der Firma und Arbeitsplätze zu sichern.

Wie einfach gestaltet es sich, diese «Supermenschen» zu finden?

Es kommt auf den Bereich an. In manchen Bereichen gestaltet es sich einfacher als in anderen, passende Personen zu finden. Weil wir auch Quereinsteigende berücksichtigen, erweitert sich unser Rekrutierungsfeld jedoch.

Wie testen Sie das Wollen und Können der Bewerbenden?

Wir legen die Fakten auf den Tisch und sagen klar, was wir als Arbeitgebender bieten und was wir erwarten. Wir geben viel Freiheit, verlangen aber auch einen hohen Grad an Verantwortung. Beispielsweise, indem jemand nicht nur die Probleme, sondern auch die Lösungen dafür erarbeitet. Dafür ist nicht jeder gemacht. Man merkt aber schnell, ob jemand dafür bereit ist.

Was machen Sie anders als «langweilige» Firmen?

Wir haben beispielsweise eine offene Fehlerkultur. Probleme besprechen wir gemeinsam im Team und auch, wie wir sie künftig verhindern. Nur so können wir uns entwickeln. Natürlich feiern wir auch Erfolge. Zudem sind wir den schönen Dingen des Lebens nicht abgeneigt. Bei Juice gibt es beispielsweise eine 15 Meter lange Kaffeebar mit eigenem Barista, während uns der hauseigene Küchenchef jeden Tag mit Gourmetmenüs verwöhnt. Abends mixt unser CEO zudem den einen oder anderen Cocktail.

Sind Firmen am Fachkräftemangel selbst schuld?

Unternehmen sollten sich grundsätzlich an der eigenen Nase nehmen. Werden ältere Mitarbeitende ausgesondert, weil sie nicht mehr so leistungsfähig erscheinen, und wird der Nachwuchs nicht gefördert, muss man sich nicht wundern, wenn die verfügbare Zahl an idealisierten Fachkräften nicht ausreicht. Aus unserer Sicht ist die Kombination matchentscheidend. Ältere Mitarbeitende sind möglicherweise nicht mehr so belastbar, haben aber ein umfangreiches Fachwissen und eine grosse Berufserfahrung, die sie in Projekte einbringen können. Das fehlt jungen Mitarbeitenden. Diese sind dafür kreativ in der Lösungsfindung und bringen neue, frische Ideen ein. Baut man das Team vielfältig auf, ist es nicht mehr notwendig, eine perfekte Fachkraft zu finden. Ein Beispiel: Einerseits ermöglichen wir Studierenden, auch während des Studiums bei uns in einem Nebenjob zu arbeiten. Auf der anderen Seite beschäftigen wir einen wertvollen und sehr angesehenen Top-Spezialisten, der vor drei Jahren pensioniert worden wäre, es aber bevorzugt, weiterhin zu 100 Prozent bei uns zu arbeiten.

Juice Technology AG

Die Juice Technology AG entwickelt und ­produziert Ladestationen und -lösungen für E-Fahrzeuge. Das Produktportfolio umfasst sowohl leichte, mobile Geräte als auch grosse ­Schnellader. Das Unternehmen mit Sitz in Bachenbülach beschäftigt weltweit über 200 Mitarbeitende, 130 davon in der Schweiz.

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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