«Job-Stress-Analysis»: Das Spezialmodul für Langzeitpflege und Spitex im Einsatz im Rigahaus Chur
Mit dem Tool «Job-Stress-Analysis» lässt sich herausfinden, wie es um den Stress in einer Unternehmung bestellt ist. Für die Langzeitpflege, d.h. für Alters- und Pflegeheime sowie Spitex-Organisationen gibt es seit zwei Jahren ein zusätzliches Spezialmodul, das u.a. vom Seniorenzentrum «Rigahaus» in Chur genutzt wird. Begleitet wird das Rigahaus durch die externe Beraterin Manuela Widera.
Das Seniorenzentrum «Rigahaus» in Chur. (Bild: zVg)
Das Seniorenzentrum «Rigahaus» in Chur beschäftigt rund 110 Mitarbeitende in verschiedenen Berufen: etwa in der Hauswirtschaft, in der Hotellerie oder der Administration – und auch in der Pflege. 2019 machte sich die Institution auf den Weg zum Label «Friendly Work Space». Der erste Schritt lag in der Befragung der Belegschaft zu Belastungen und Ressourcen mittels der «Job-Stress-Analysis». Zum damaligen Zeitpunkt gab es allerdings noch kein spezielles Modul für die Berufsgruppe der Pflegenden. Das stellte das Rigahaus vor Herausforderungen: «Je nach Tätigkeit gestalten sich die Belastungen anders», erklärt Sandro Ursch, Geschäftsleiter des «Rigahaus». «Während ein Lagerarbeiter es vielleicht im Rücken spürt, sind die Belastungen im Bereich der Langzeitpflege durch das Heben und Wenden der Pflegebedürftigen ebenfalls körperlicher Natur. Zusätzlich sind die Pflegenden aber auch psychisch gefordert.» Deshalb sei er sehr glücklich gewesen, als zum Zeitpunkt der zweiten Befragung der «Rigihaus»-Mitarbeitenden das neue «Job-Stress-Analysis»-Modul 2021 für die Mitarbeitenden in der Langzeitpflege erhältlich war. «So konnten wir uns ein besseres Bild davon machen, wie es um diese Berufsgruppe steht.»
Mit der Befragung der Mitarbeitenden und dem «Friendly Work Space» Label verfolgt das «Rigahaus» ein langfristiges Ziel: Die Organisation will besser auf den Fachkräftemangel reagieren. «Dieser ist in Gesundheitsinstitutionen und in der Langzeitpflege besonders gross», erklärt Sandro Ursch. Die Massnahmen auf dem Weg zum «Friendly Work Space» sollen helfen, die Arbeitsbedingungen attraktiver zu gestalten und die Gesundheit der Mitarbeitenden zu fördern. «Spricht man nur darüber, dass die Mitarbeitenden das grösste Gut sind und nichts unternimmt, ist das nicht glaubwürdig.»
14 zusätzliche Skalen für die Berufsgruppe der Pflegenden
Manuela Widera begleitet das «Rigahaus» als eine von Gesundheitsförderung Schweiz akkreditierte Beraterin seit Beginn des Projekts. Sie erklärt, wie das Spezialmodul für Langzeitpflege aufgebaut ist: «Die «Job-Stress-Analysis» arbeitet mit sogenannten Skalen», sagt sie. «Für die Langzeitpflege wurden 14 zusätzliche entwickelt, die das Basismodul ergänzen und auf die Themen der Pflegenden eingehen. Darin wird zum Beispiel nach der Zusammenarbeit mit den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen gefragt, nach schwierigen Situationen mit den Bewohnenden oder nach der Dienstplan-Gestaltung.»
Während nichtpflegende Mitarbeitende eine Selbsteinschätzung mittels der Basismodul-Skalen vornehmen, kommt bei den Pflegefachleuten die ergänzte Version zum Zug. Anschliessend lassen sich die Ergebnisse nach diversen Kriterien filtern: «Wir können uns einzelne Berufsgruppen anschauen – zum Beispiel die Pflege, Hauswirtschaft oder Administration – die Daten aber auch nach Altersgruppen und Funktionsstufen sortieren,» sagt Widera. So ergebe sich ein differenziertes Bild über die ganze Organisation und die BGM-Massnahmen liessen sich genauer adressieren.
Partizipative Workshops als Motor für die Weiterentwicklung
Mittlerweile befindet sich das «Rigahaus» mit der «Job-Stress-Analysis» in der dritten Befragungsrunde. Danach werden die Ergebnisse kommuniziert und Arbeitsgruppen gebildet, die in partizipativen Workshops Verbesserungsvorschläge erarbeiten. Während Mitarbeitende darin Rollen von Ideengebern und Gestaltern einnehmen, moderiert Manuela Widera den Prozess.
Das Umsetzen der Massnahmen erfolgt auf verschiedenen Ebenen. Einiges können die Mitarbeitenden selbst anpacken, anderes jedoch nicht – zum Beispiel, weil Prozesse oder Strukturen betroffen sind. «Dann sind die Führungskräfte oder die Geschäftsleitung in der Verantwortung», so Sandro Ursch. Bei der letzten Befragung sei beispielsweise das Thema Schlafprobleme aufgekommen – eine Mitarbeiterin habe daraufhin Klang-Mediationen für Kolleginnen und Kollegen angeboten. Für die von den Mitarbeitenden vorgeschlagene Neugestaltung der Dienstpläne hingegen habe das Führungsteam gesorgt: Ein solches Thema würde sowohl die Kapazitäten als auch die Kompetenzen der Mitarbeitenden übersteigen.
Job-Stress-Analysis
«Job-Stress-Analysis» von Gesundheitsförderung Schweiz gibt Firmen einen detaillierten Überblick über das Stressgeschehen in ihrer Organisation. Ressourcen, Belastungen und das Befinden werden sowohl auf Team-, Abteilungs- und Organisationsebene dargestellt. Aus der Analyse lassen sich Massnahmen ableiten; dies auch unabhängig von einem systematisch umgesetzten betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM), wie es mit dem Label «Friendly Work Space» ausgezeichnet wird. friendlyworkspace.ch/de/bgm-services/job-stress-analysis
Wichtig ist für Sandro Ursch, dass die Mitarbeitenden mit den Befragungen eine Stimme erhalten. Zudem sollen sie spüren, dass sie «tatsächlich etwas verändern können», sagt der Geschäftsleiter: «Das Gute an der Befragung ist, dass sich überprüfen lässt, ob die Massnahmen gewirkt haben, wenn man sie regelmässig durchführt.» Die Befragung mittels «Job-Stress-Analysis» mache vor allem dann Sinn, wenn daraus Massnahmen abgeleitet würden, bestätigt Manuela Widera. «Mit der Befragung finden wir lediglich heraus, wie es den Leuten geht. Es sind jedoch die Massnahmen, die etwas verändern.»
Sauber planen, transparent kommunizieren Bevor man loslege, sei eine saubere Planung essenziell, sagt Widera. Dazu gehöre, sämtliche Stakeholder ins Boot zu holen. Stünden nicht alle dahinter, scheitere ein solches Vorhaben besonders dann, wenn zusätzlich zur «Job-Stress-Analysis» ein systematisches betriebliches Gesundheitsmanagement aufgebaut werden solle. Im «Rigahaus» waren deshalb die Geschäftsleitung, die Führungskräfte sowie der Stiftungsrat als oberstes Organ involviert, die zuvor ihr Commitment durch ein «Ja» zur Befragung und zum systematischen BGM-Aufbau gegeben hatten. «Wir berichten in jeder Stiftungsratssitzung über die Fortschritte», sagt Sandro Ursch. Das, weil es für das Projekt Ressourcen brauche, aber auch, weil kontroverse Themen aufkommen können. «Diese muss man aushalten und diskutieren, und zwar durchgängig und über alle Stufen hinweg», so der Geschäftsleiter. Die transparente Kommunikation der Ergebnisse nach jeder Befragungsrunde sei daher die Basis für alle weiteren Schritte, bekräftigt Manuela Widera.
Auch wenn die Fragen in der «Job-Stress-Analysis» für die meisten Teilnehmenden verständlich sind: Für bestimmte Mitarbeitende können sie herausfordernd sein, gibt Widera zu bedenken. «Das betrifft vor allem Berufsgruppen, die in ihrem Job nicht oder wenig schreiben müssen. Also eher Hilfskräfte, die beispielsweise in der Küche anpacken.» Diese Mitarbeitenden dürfe man nicht vergessen und müsse ihnen Unterstützung bieten. Sprachliche Grenzen gebe es dabei keine: «Die Befragung wird in neun Sprachen angeboten, damit alle abgeholt werden.»
Label «Friendly Work Space»
Das Label «Friendly Work Space» setzt den Schweizer Qualitätsstandard für systematisch umgesetztes betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM), das vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) unterstützt wird. Die Auszeichnung stellt die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz aus, die von Kantonen und Versicherern getragen wird und einen gesetzlichen Auftrag hat. friendlyworkspace.ch/de/das-label
BGM Tagung 2023: Gesunde neue Arbeitswelt?»
Mittwoch, 20. September 2023, Kursaal Bern
Mehr Infos: bgm-tagung.ch