Generationenmix

Junge wollen ihre Kompetenzen ausbauen und Verantwortung übernehmen

In technologieorientierten Unternehmen ist Zusammenarbeit der Generationen besonders wichtig. Das mit den Jahren 
gewachsene Erfahrungswissen älterer Mitarbeitender wird dort ebenso benötigt wie Offenheit und Innovationsfähigkeit der jüngeren. Wie das in der Praxis funktioniert, zeigen Beispiele aus dem gewerblichen und industriellen Bereich.

Der Jugend eine Chance bieten – das gehört ebenso wie nachhaltiges Wirtschaften seit vielen Jahren zum Credo des Metallbau-Unternehmens Ernst Schweizer AG in Hedingen. Der Lehrlingsanteil ist überdurchschnittlich hoch: Von rund 520 Mitarbeitenden sind 44 in  Ausbildung. Das Unternehmen engagiert sich zudem für die Weiterentwicklung des Berufsbildes Metallbauer und arbeitet eng mit der Fachhochschule Horw zusammen, die ein Studium zum Metallbauingenieur anbietet. Doch was bedeutet das Bekenntnis zur Jugend darüber hinaus in der betrieblichen Praxis? Markus Villiger, Leiter Personal und Organisation sowie Mitglied der Geschäftsleitung, verweist auf das Leitbild, die Führungsgrundsätze  und den Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens, in denen Fairness und Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden eine grosse Rolle spielen. Dass diese Werte nicht nur auf dem Papier stehen, sondern im betrieblichen Alltag gelebt werden, belegt der hohe Grad an Identifikation mit dem Unternehmen und an Arbeitszufriedenheit, der sich bei der jüngsten Mitarbeiterbefragung gezeigt hat.

Durch die Jobrotation müssen Alte wie Junge flexibel einsetzbar sein

Das stetige Wachstum der Firma bedingt die enge Zusammenarbeit zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitenden. Villiger erläutert dies: «Die Personalressourcen richten sich nach der normalen Auslastung, Spitzen werden durch Temporärkräfte abgedeckt. Damit ist auch verbunden, das jeder alles können und im Rahmen der Jobrotation verschiedene Tätigkeiten ausüben muss.» Ganz bewusst werden in diesem Zusammenhang gerade die jungen und neuen  Mitarbeitenden auch für Arbeiten auf den älteren Produktionsanlagen eingesetzt und dort von erfahrenen Kollegen unterwiesen. Die Kenntnisse über diese grundlegenden Bearbeitungstechnologien erleichtern dann auch das Verständnis für moderne computergesteuerte Produktionsanlagen.

Unterschiede zwischen den Generationen stellt Villiger allenfalls bei der Fort- und Weiterbildung fest – ab 50 wird das Interesse daran immer geringer – sowie bei der Einführung neuer IT-Systeme: Da zeigen die Jungen den Alten, wie es funktioniert – in einer Art von Reverse-Mentoring sozusagen. Einer dieser Jungen ist Xavier Nietlisbach. Der 27-Jährige ist neben seiner Tätigkeit in der Montagedisposition zu 50 Prozent als Koordinator  für den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess KVP im Bereich Personal und Organisation tätig. Für ihn war dies eine Chance, sich weiterzuentwickeln. «Wenn junge Leute den Eindruck haben, in ihrem Unternehmen nicht weiter zu kommen, dann sind sie schnell einmal zum Wechsel des Arbeitgebers bereit», sagt Nietlisbach. Als KVP-Koordinator arbeitet er auch mit älteren und höherrangigen Kolleginnen und Kollegen zusammen, muss sie auch zuweilen korrigieren. Damit hat er kein Problem: Titel und Hierarchien spielen für die Jüngeren keine grosse Rolle, schon gar nicht innerhalb der Produktionsteams. «Das hat aber nichts mit mangelndem Respekt gegenüber den Älteren zu tun», betont Nietlisbach.

Wesentlich für die Akzeptanz durch die nachfolgenden Generationen ist die Bereitschaft der Senioren, ihr Wissen und ihre Erfahrung weiterzugeben. So sieht es nicht nur Erich Bellmont, der nach einer abgebrochenen Ausbildung am Technikum Rapperswil vor einem halben Jahr bei der Schlatter AG in Schlieren als Maschinenprüfer neu angefangen hat. Die Hälfte dieser Zeit arbeitete der 24-Jährige mit einem 65-Jährigen zusammen. «Der Kollege hat mir viele Tipps gegeben, war aber auch selbst offen für Anregungen», sagt Bellmont. Auch wenn es nicht die gleichen Themen sind, mit denen sich die ältere und die jüngere Generation bei den Pausengesprächen beschäftigen, so hat der junge Mann doch die Erfahrung gemacht, dass die Älteren durchaus noch gedanklich fit sind.

Ein Vorteil für die gegenseitige Akzeptanz ist es auch, dass die Kollegialität sehr stark ausgeprägt ist und sich alle untereinander duzen, bis hinauf zum Abteilungsleiter, wie Bellmont erzählt. Diese generationenübergreifende Zusammenarbeit ist für den Betrieb auch immens wichtig. Für Entwicklung, Fertigung, Qualitätskontrolle und Montage komplexer Schweissanlagen braucht es viel Erfahrung. Je mehr davon weitergegeben werden kann, umso schneller sind neue Mitarbeitende in den Arbeitsprozess voll integrierbar. Grundsätzlich gilt auch hier, dass jeder alles können muss, aber in der Praxis würde der Ältere dann doch häufig dem jüngeren Kollegen die Programmierung der Prüfcomputer überlassen, sagt Bellmont. Aus seiner Sicht hat beides seinen Reiz: «Die gleichaltrigen Kollegen, mit denen ich in den Ausgang gehen und auch über andere Themen als Sport und Politik reden kann, sind lockerer. Aber von den Älteren kann man extrem viel lernen, sowohl im Bereich der Berufspraxis als auch von ihrer Lebenserfahrung.»

Wichtig für die Wahl seines neuen Arbeitgebers waren laut Bellmont unter anderem das Angebot an  Weiterbildung, die Möglichkeit, auch im Ausland zu arbeiten, sowie die anspruchvollen Arbeitsinhalte. Und obwohl der neue Betrieb drei Viertel der Kosten für die Ausbildung zum Automatiktechniker übernimmt und er sich im Gegenzug für einen Zeitraum von etwa sechs Jahren an das Unternehmen gebunden hat, spricht der junge Mann ganz offen davon, dass seine derzeitige Tätigkeit kein Job für 30 Jahre sei. Bellmont will daher später noch eine Ausbildung als Projektleiter absolvieren.

Die Nachwuchsförderung beginnt 
mit intensiver Ausbildungstätigkeit

Auf veränderte Bedürfnisse der jungen Generation und die Notwendigkeit der stetigen Integration in die reifere und erfahrenere Belegschaft stellt man sich auch seit längerem bei der Feintool AG in Lyss ein. Auf der einen Seite durch eine intensive Ausbildungstätigkeit, auf der anderen Seite durch die Weiterbeschäftigung bereits Pensionierter als beratende Mitarbeitende, damit sie ihr Wissen und ihre Erfahrung an die Jüngeren weitergeben. Dazwischen ist die Herausforderung zu bewältigen, den Nachwuchskräften attraktive Arbeitsbedingungen sowie klare Aufstiegsperspektiven zu bieten, sagt Marc Schori, selbst ehemaliger Feintool-Lehrling und heute Leiter des Technologiezentrums. Mit internen Schulungen und Meetings zum Erfahrungsaustausch wird der Wissenstransfer zwischen den Generationen aktiv gefördert.

Und auch bei Feintool gilt: Der Technologieeinsatz ist nicht altersabhängig, sondern muss den individuellen Fähigkeiten entsprechen. Schori erzählt, dass sich beispielsweise ein älterer Kollege, der bereits kurz vor der Rente stand, stark für eine neue Produktionstechnik engagiert und damit auch die Jüngeren motiviert habe. Allerdings gebe es auch einen Bereich wie die Simulationstechnologie, für den das Interesse eher bei jungen Mitarbeitenden liege und wo sich daher ausschliesslich mehrere  dieser Jungen damit beschäftigten. Für die Interpretation der Simulationsergebnisse dagegen werden die erfahrenen, älteren Mitarbeiter beigezogen; nur so kann der volle Nutzen gewonnen werden.

Beim Umgang mit den Wünschen der Jungen braucht es Flexibilität

Wie hoch diese Motivation sein kann, zeigt das Beispiel von Marc Stämpfli. Der 20-jährige Konstrukteur mit dem besten Lehrabschluss seines Jahrgangs hat Ende vergangenen Jahres  für die Schweiz an der Berufsweltmeisterschaft in Japan teilgenommen und sich in einem Diplomrang klassiert. Stämpfli betont, wie wichtig es ihm sei, dass er mit Älteren zusammenarbeiten kann, «die mir etwas zu bieten haben und von denen ich Ziele vermittelt bekomme». Dass Stämpfli vor der Berufs-WM ein Jahr lang jede Woche einen Tag auf Kosten des Unternehmens trainieren konnte, ist ein Beispiel für das Eingehen auf die Wünsche der Jungen, die beispielsweise auch beim kontinuierlichen Verbesserungsprozess des Unternehmens ebenso ernst genommen werden wie die erfahrenen Kollegen. «Und es ist auch kein Problem, für eine Weiterbildungsmassnahme die Arbeitszeit zu reduzieren auf 70 bis 80 Prozent», erklärt der Leiter des Technologiezentrums.

Schori weiss aber auch von Fehleinschätzungen zu berichten. So habe man sich zuwenig intensiv mit dem Generationenproblem befasst, als im Leitstand der Werkstatt ein langjähriger Mitarbeiter bei dessen Pensionierung durch einen anderen ersetzt werden musste. Erst durch  die Integration von jüngeren Mitarbeitenden an dieser exponierten Position habe man dann zwei Dinge zugleich erreicht: «Die Etablierten müssen sich anstrengen und neue Ideen bringen, die Jungen sehen, dass es für sie eine Chance zum Aufstieg im Unternehmen gibt.

Drei Dinge seien für die junge Generation besonders wichtig, hat Schori in seiner Tätigkeit festgestellt: «Sie wollen eine interessante Aufgabe, Abwechslung bei der Arbeit sowie Selbständigkeit und Verantwortung. Das versuchen wir, wo immer es geht, auch zu ermöglichen.» So ist etwa die in der Personalzeitung ausgeschriebene Jobrotation auf grosse Resonanz gestossen. Derzeit arbeiten in diesem Rahmen zahlreiche Schweizer an Feintool-Standorten im Ausland, und umgekehrt arbeiten einige Amerikaner in der Schweiz. Auch wer ans Technikum gehen will, wird vom Unternehmen unterstützt. Für einen technologiebegeisterten jungen Mann wie Marc Stämpfli sind diese Umgebungsbedingungen ideal. «Ich weiss, dass ich bis ins hohe Alter lernen muss, wenn ich in meinem Beruf am Ball bleiben und Erfolg haben will», sagt er, der schon konkrete Pläne für die Zeit nach dem nun anstehenden Militärdienst hat: «Nach der RS studiere ich an der Fachhochschule Bern-Burgdorf.» Auch dabei wird ihn sein Betrieb begleiten; Stämpfli bleibt dann zu zehn Prozent angestellt und kann dadurch den Austausch zwischen Fachwissen und betrieblicher Praxis aufrechterhalten.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Martin Winkel

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