HR und Finanzen

«Klappe aufmachen und durchsetzen!»

Das HR und die Finanzabteilung wollen beide das Beste für die Firma. Was aber das Beste ist, darüber gehen die 
Meinungen meist auseinander. Manfred Faber, der sich auf die Vermittlung von Interimsmanagern im Personal- und 
Finanzbereich spezialisiert hat, erklärt, wie die beiden oftmals kollidierenden Welten sich zusammenraufen können. 

Herr Faber, warum beschäftigen Sie sich mit den unterschiedlichen Welten der HR- und Finanzverantwortlichen?

Manfred Faber: Zu Beginn meiner HR-Tätigkeit habe ich die Diskrepanz zwischen diesen beiden Welten selbst erfahren. Ich habe erlebt, wie es ist, wenn sich die Finanzabteilung nicht für die Anliegen der HR-Abteilung interessiert. Daraufhin ging ich meinen eigenen Weg und machte die Erfahrung, dass es auch anders geht.

Was geschah?

Ich fand ein Unternehmen, in dem ich als Personaler sehr gut mit dem Geschäftsführer – gleichzeitig der Finanzverantwortliche – zusammenarbeiten konnte. Wir kamen zu konstruktiven Ergebnissen, bei Einstellungen wie auch Freisetzungen oder Restrukturierungen. Unsere Zusammenarbeit war so gut, dass wir letztes Jahr eine gemeinsame Firma gegründet haben. Ich kenne aber viele Kollegen, die die gegenteilige Erfahrung machen und sich beklagen, dass der Finanzler sie nicht versteht. 

Warum ist das so?

HR und Finance betrachten die Welt aus zwei sehr unterschiedlichen Richtungen. Während der Finance-Mensch nur die nackten Zahlen sieht, stehen für den HRler die Hintergründe dieser Zahlen im Vordergrund. Headcount zum Beispiel ist für den Finanzler die reine Mitarbeiteranzahl – der Personaler sieht das Individuum, seine Entwicklungsmöglichkeit, seine Erfahrungen, die Loyalität etc.

Welche Stolpersteine entstehen daraus für die Beziehung zwischen HR und Finanzen?

Ein klassischer Stolperstein ist der Personalabbau. Ich habe oft  von Entscheidungsträgern in der Finanzabteilung mitgeteilt bekommen: «Entlasse innerhalb zweier Wochen x Mitarbeiter. Ansonsten suchen wir die aus.» Diese Entscheidungsträger hatten jedoch keine Ahnung, wer hinter diesen Zahlen steht. In solchen Fällen trifft es oft die Falschen, jene mit viel Potenzial, auch jene, die über eine hohe soziale Kompetenz verfügen. Solche Entlassungen führen zu grosser Unruhe.

Welches sind weitere Probleme?

Der quartalsorientierte Finanzler muss kurzfristig gute Zahlen für die Aktionäre liefern, der HRler weiss dagegen, dass nur eine langfristige Betrachtung auch langfristig erfolgreich ist. Der Finanzler verfolgt seine Ziele konsequent, der HRler muss die negativen Folgen davon auffangen, zum Beispiel die sinkende Motivation bei Entlassungen. Das Finanzsystem berücksichtigt keine Emotionen und menschlichen Bedürfnisse. Kommt hinzu, dass manche Methoden unlogisch sind.

Zum Beispiel?

Beim Headcount ist nur die Mitarbeiteranzahl entscheidend, nicht die Gehaltssummen dahinter. Ein Unternehmen ist dann beim Personalabbau erfolgreich, wenn es «Köpfe» abbaut, egal ob das nur die Geringverdiener waren. Oder man stellt die gleichen Leute wieder als Freelancer ein, hat ihnen aber vorher eine hohe Abfindung bezahlen müssen.

Wie lassen sich die beiden Welten miteinander vereinbaren?

Die beiden Welten berühren sich vor allem dann, wenn das Budget geplant und umgesetzt wird. Dann also, wenn das HR sozusagen seine Arbeitsgrundlage abholen muss. Hier sollten die zwei Abteilungen oft miteinander kommunizieren – dann kommt es zu einem Mehrwert. Der HRler sollte also versuchen, mit dem Finanzler eine persönliche Beziehung aufzubauen, ihn und sein Finanzsystem zu verstehen. Gleichzeitig soll er ihm die Sicht des HR, insbesondere die Hintergründe hinter den nackten Zahlen, erklären. So schafft er ein gegenseitiges Grundverständnis.

Wie kann das ganz konkret aussehen?

Beispiel Personalaufbau: Die Finanzabteilung ist bestrebt, die Kosten so gering wie möglich zu halten: Kosten für Rekrutierungsmassnahmen wie Headhunter, Recruiter und Anzeigen, Kosten für Headcount, Lohn- und Gehaltssummen. Das HR ist bestrebt, zeitgerecht gut qualifizierte Mitarbeiter in ausreichender Menge zu finden – oder eigene zu entwickeln –, damit die Angestellten nicht «verheizt» werden und mittel- bis langfristig ein gutes Ergebnis erzielt wird. Wie immer gilt «Du bekommst, was du bezahlst» – das ist das Spannungsverhältnis. Hier sollte das HR frühzeitig mit der Finanzabteilung kommunizieren und gemeinsam das Projekt planen: Was sind die Vorhaben, wie sieht der Bewerbermarkt aus, welche Wege sind am besten, die Mitarbeiter zu finden, was kosten diese Wege und was sind geeignete Gehälter, die motivieren, ins Unternehmen einzusteigen?

Gemeinsame Planung ist nur möglich, wenn das HR frühzeitig in neue Projekte einbezogen und als Partner der Finanzabteilung akzeptiert wird. Das ist aber längst nicht überall der Fall.

Das HR wird oft nicht für voll genommen. Es verursacht nur Kosten und erwirtschaftet keinen messbaren Beitrag zum Umsatz – und spielt deswegen nur eine untergeordnete Rolle. Dadurch entsteht devotes Verhalten beim Personaler: «Ich bin nicht so wichtig.» Und gerade wenn der CFO in der GL ist und das HR nicht, werden bei strategischen und operativen Entscheidungen primär die Finanzinteressen vertreten. Deswegen muss der Personaler stark sein, ein gesundes Selbstbewusstsein entwickeln und seine Beteiligung einfordern. Es gilt: Klappe aufmachen und durchsetzen! Denn wenn beide Abteilungen die Stärken der jeweils anderen nutzen, hat das Unternehmen die Möglichkeit, seinen Erfolg nicht nur zu verdoppeln, sondern zu potenzieren.

Angenommen, die HR-Chefin ist neu im Unternehmen und will auf den CFO zugehen. Mit welchen – für beide Abteilungen relevanten – Zahlen kommen sie am besten ins Gespräch?

Fünf Zahlen stehen hier im Vordergrund. Erstens der Headcount, die Grösse mit der höchsten Diskrepanz. Zweitens die Kosten für die Personalbeschaffung: Welche Methoden sind die effektivsten? Drittens die Kosten für Restrukturierung: Nicht nur die reinen Abbaukosten und Kostenersparnispotenziale betrachten! Viertens die Fluktuation: Wichtig hierbei sind die Gründe, die hinter einer hohen Fluktuationsrate stecken. Und schliesslich fünftens der Krankheitsstand. Auch hier ist es sinnvoll, die Zahl zu analysieren.

Graubündner Kantonalbank: «Wir haben eine Schnittstelle geschaffen»

«Es liegt in der Natur der Sache, dass die Finanzen eher den Franken und das HR eher den Menschen im Blick haben. Das Personal macht bei uns, wie allgemein im Dienstleistungssektor, rund zwei Drittel der Gesamtkosten aus. Andererseits ist in unserer Branche der Mensch der Differenzierungsfaktor im Wettbewerb. Ein guter Austausch zwischen den beiden Disziplinen ist uns sehr wichtig.

Im Rahmen unseres Modernisierungsprozesses haben wir vor zwei Jahren eine offizielle Schnittstelle zwischen HR und Finanzen geschaffen: In beiden Abteilungen gibt es eine Ansprechperson für die jeweils andere Abteilung. Ist irgendetwas zu regeln, so setzen sich diese beiden zusammen. Da werden zum Beispiel jährlich wiederkehrende Prozesse wie etwa das Budget thematisiert, Verbesserungspotenzial lokalisiert und laufend umgesetzt. Es geht oftmals um Feineinstellungen. Aber es sind eben genau diese Dinge, die zur Qualitätssicherung auf beiden Seiten beitragen. Die Ansprechperson der Finanzabteilung kennt zum Beispiel unsere Sozialversicherungsverträge, sie kann auf kritische Punkte hinweisen und dadurch die Qualität mitprägen.

Wichtig sind die Haltung und die Art der Kommunikation. Man muss aufeinander zugehen und wissen wollen, was die andere Abteilung braucht, wie man diese unterstützen kann. Das ist ein ständiger Lernprozess. Dieser Austausch, diese Kommunikation hat uns echt vorwärtsgebracht. Wir haben eine sehr gute Zusammenarbeit mit dem Controlling. Das hilft uns auch dabei, unserem Anspruch gerecht zu werden, die Unternehmung aus dem HR heraus mitzusteuern.»

Christiana Buchli, Senior HR-Beraterin und Mitglied des Kaders, Graubündner Kantonalbank

Von Roll Holding AG: «Es braucht von beiden Seiten Inputs»

«Ich arbeite seit Februar beim Schweizer Industriekonzern Von Roll. Zum CFO und zum Corporate Controlling habe ich einen guten Kontakt, wir arbeiten regelmässig zusammen und haben eine gute Vertrauensbasis. Zurzeit arbeiten wir gerade intensiv an Projekten bezüglich unserer weltweiten Standorte: Es geht um Strukturen, Rollen und Abläufe. Wir schauen das gemeinsam an, denn es braucht sowohl den finanziellen wie auch den HR-Input, vor allem auch in Bezug auf das Ressourcen- und Mengengerüst.

Wenn ein HR-Leiter in einem Unternehmen neu anfängt, ist es wichtig, gleich von Beginn an zu klären, wer für was verantwortlich ist, wer welche Handlungskompetenz hat und wie die Schnittstellen definiert sind. Transparenz in den Rollen ist die Basis für eine gute und befruchtende Zusammenarbeit zwischen HR und Finanzen. Sind die Verantwortlichkeiten und Rollen allerdings unklar, dann wird es schwierig. Das kommt öfters vor, denn kaum eine Rolle ist so stark auf das jeweilige Unternehmen zugeschnitten wie die HR-
Rolle.

Schwierig wird es auch, wenn HR dem Finanzbereich unterstellt ist. Dann kann es vorkommen – nicht in allen Firmen, aber bei vielen –, dass HR etwas vorschlägt, der Finanzchef aber sagt: ‹Ich habe kein Geld›. Doch auch ein HR-Chef, der dem CFO unterstellt ist, kann sich eine Stellung auf Augenhöhe erarbeiten – wenn er zur Wertschöpfung beiträgt, etwa indem er sich dafür einsetzt, strategische Sitzungen mitzuleiten und dadurch Einfluss auf die Unternehmensabläufe und damit auf die Unternehmenskultur zu nehmen. Sich auf diese Art Achtung zu erarbeiten, braucht allerdings Zeit. Und es liegt natürlich auch nicht jedem: In einer Sitzung auf Englisch beispielsweise amerikanischen Sales-Leuten Paroli bieten zu können, muss man sich schon über einige Jahre erarbeiten.»

Markus Zürni, Head of Global HR auf Ad-Interim-Basis, Von Roll 
Holding AG

 

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Franziska Meier ist Redaktorin und Produzentin mit langjähriger Erfahrung im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich. Als Chefredaktorin des Magazins «fit im job» sowie als Fachredaktorin der Zeitschrift «HR Today» hat sie sich auf das Thema «Mensch, Arbeit & Gesundheit» spezialisiert. Zu ihren journalistischen Schwerpunkten gehören insbesondere Persönlichkeitsentwicklung, Coaching, Stressprävention und betriebliches Gesundheitsmanagement. Achtsamkeit praktiziert sie manchmal im Schneidersitz, öfter jedoch auf ihren Spaziergängen rund um den Türlersee.

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