Obwohl wissenschaftliche Untersuchungen zur «Psychologie des Kündigenden» vollends fehlen, kann davon ausgegangen werden, dass ein Kündigungsgespräch nicht nur für das «Opfer», sondern auch für den «Täter» eine emotional äusserst belastende Situation darstellt – und dies in mehrfacher Hinsicht. So sind die direkten Vorgesetzten bei Personalabbau nicht bloss die Überbringer der schlechten Nachricht, sondern gleichzeitig die Orientierungspfeiler für alle Mitarbeitenden. Sie müssen die Befindlichkeiten der Gekündigten und der im Unternehmen Verbleibenden beachten und die Dynamik des Trennungsprozesses verstehen und respektieren können. Dabei werden sie auch mit ihren eigenen Existenzängsten und Sinnfragen konfrontiert.
Zum Schutz vor der (allzu) hohen Emotionalität in Trennungsprozessen und der eigenen Überforderung gehen Führungskräfte dabei oftmals den Weg der Versachlichung und des harten Handelns. Sie verschliessen sich emotional, um dem enormen Druck, der auf ihnen lastet, vermeintlich standhalten und zumindest nach aussen weiterhin funktionieren zu können. Dabei verwechseln sie nicht selten Professionalität mit Gefühllosigkeit. Dies ist zwar eine verständliche, jedoch mittel- und langfristig keine sinnvolle Strategie, die letztlich allen involvierten Personen sowie nicht zuletzt auch dem Image des Unternehmens erheblichen Schaden zufügt.
Während es unmittelbar einleuchtet, dass sich Mitarbeitende, die anlässlich der erhaltenen Kündigung unnötige Verletzungen erlitten und mangelnde Wertschätzung erfahren haben, sich später negativ über den früheren Arbeitgeber äussern, gehen die schlechten Auswirkungen von unfairen Trennungsprozessen auf die verbleibenden Mitarbeitenden häufig vergessen. Diese haben nämlich in der Regel ein sehr feines Gespür dafür, ob in Trennungsprozessen fair agiert wird, wie die Kündigungsgespräche ablaufen, welche Unterstützungsangebote die Gekündigten erhalten und ob sie von ihren Vorgesetzten ausreichend informiert und wertschätzend begleitet werden.
Zudem erleben auch die Verbleibenden eine Trennung, sorgen sich um ihren Arbeitsplatz und die Loyalität zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden scheint in Frage gestellt. Dabei läuft der Prozess in folgenden Phasen ab: Nach der ersten Erleichterung, nicht betroffen zu sein, folgen erfahrungsgemäss hohe Verunsicherungen, Ängste und Schuldgefühle. Zu einem späteren Zeitpunkt kann dann die Motivation und Loyalität zum Unternehmen erheblich sinken, wobei die Kosten durch Leistungsabfall, innere Kündigung oder gar freiwilliges Abspringen wichtiger Leistungsträger enorm sein können.
Checkliste für einen fairen Trennungsprozess
- Einsetzung einer Steuerungsgruppe: Sie trifft wichtige Entscheidungen zum Ablauf, zur Kommunikations- und Informationspolitik sowie zu den unterstützenden Massnahmen im Trennungsprozess.
- Eine klar definierte und professionell umgesetzte Kommunikationsstrategie sorgt dafür, dass die Beziehungs- und Vertrauensebene zwischen Unternehmensleitung, Führungskräften und den Mitarbeitenden möglichst wenig beeinträchtigt wird.
- Führungskräfte und Mitarbeitervertretungen müssen als erste Anlaufstellen für die Mitarbeitenden optimal informiert sein über die Notwendigkeit des Personalabbaus, die geplante Vorgehensweise, Kriterien, offene Fragen etc.
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Das Management bekennt sich zu einer wertschätzenden Trennungskultur, indem es allen Beteiligten eine faire und unterstützende Behandlung zukommen lässt:
– Schulungen und Coachings für die Führungskräfte als optimale Vorbereitung auf die Kündigungsgespräche
– Angemessene Unterstützungsmassnahmen für die Betroffenen (Sozialpläne, Abfindungen, Outplacement-Programme, Jobcenter)
– Investitionen in vertrauensbildende Massnahmen für die Verbleibenden -
Die Führungskräfte übernehmen ihre Verantwortung und bereiten sich seriös auf die Kündigungsgespräche vor. Sie achten dabei insbesondere auf folgende Punkte:
– Balance zwischen Klarheit der Trennungsbotschaft und gezeigter Empathie
– Wertschätzende Haltung gegenüber dem bisher Geleisteten
– Mut zum Aushalten von starken Emotionen
– Orientierung geben durch Strukturierung des Gesprächs und Aufzeigen der weiteren Schritte
– Angebot eines zweiten Gesprächstermins ein paar Tage später
© Bob Schneider, Bern