Heft 7&8/2015: swissstaffing-News

Kontingentierung statt Rekrutierung?

Höchstzahlen sollen nun auch für EU/EFTA-Arbeitnehmer gelten, ebenso ein Inländervorrang. Ein effizienter Rekrutierungsprozess – 
besonders für kurzfristige Arbeitsverhältnisse – könnte weiter 
in die Ferne rücken. swissstaffing bezieht Stellung.

Die Schweiz soll die Zuwanderung selbstbestimmt regeln. Das legt Art. 121a BV fest, welcher mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative in Kraft getreten ist. Die Zeit drängt, der Verfassungsauftrag muss umgesetzt werden. Der zeitgleich eingeführte Art. 197 Ziff. 9 BV sieht nämlich eine Umsetzung des neuen Bewilligungssystems innert drei Jahren vor. Andernfalls muss der Bundesrat die Zuwanderungsbeschränkung auf dem Verordnungsweg regeln. Alle involvierten Parteien sind gefordert, so auch die Arbeitgeberverbände.

Mit 3 Säulen zum Ziel

Mit einem 3-Säulen-Plan nimmt der Bund diese Aufgabe in Angriff. Das Ausländergesetz (AuG) gilt heute für Drittstaatenbürger und sieht bereits eine Begrenzung mit jährlichen Höchstzahlen und Kontingenten vor. Dessen Revision – die 1. Säule – hat begonnen. Bis zum 28. Mai 2015 konnten Stellungnahmen zum neuen AuG eingereicht werden. Auch swissstaffing hat sich vernehmen lassen. Das Freizügigkeitsabkommen (FZA) gilt heute primär für EU/EFTA-Angehörige und sieht in der heutigen Fassung kein Kontingentierungssystem vor. In Gesprächen mit der EU wird über eine Anpassung verhandelt (2. Säule). Der Bundesrat steht nun vor der Herkulesaufgabe, das Abkommen über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweiz und der EU sowie auch das AuG dem Auftrag von Art. 121a BV anzupassen und beides zu koordinieren. Daneben will der Bund begleitende Massnahmen umsetzen, um das inländische Arbeitskräftepotenzial besser zu nutzen und so die Nachfrage nach ausländischen Arbeitnehmern zu dämpfen.

Verhandlungsgeschick ist gefragt

Der Bundesrat beabsichtigt, mit der Europäischen Union (EU) eine Lösung zu finden. Diese soll den Zielen von Art. 121a BV Rechnung tragen und die stabile Beziehung zur EU weiterführen. Ein schwieriges Unterfangen. Eine Kündigung des FZA würde aufgrund der «Guillotine-Klausel» die weiteren Abkommen der Bilateralen Verträge I automatisch ausser Kraft setzen. swissstaffing teilt die Auffassung des Bundes, dass die bilateralen Verträge über Jahre einen bedeutenden Wachstumsbeitrag geleistet haben. Von einer guten und engen Zusammenarbeit mit der EU profitieren wir alle. Ob die EU bereit ist zu verhandeln und der präsentierte Vorschlag mit der Personenfreizügigkeit kompatibel ist, wird sich zeigen.

Kontingentsverteilung im 
Bottom-up-Prinzip

Am 11. Februar 2015 hat der Bundesrat den Entwurf des AuG präsentiert. Der vom Bundesrat eingeschlagene Weg respektiert zwar den Volksentscheid und orientiert sich am Umsetzungskonzept vom Juni 2014 (siehe Artikel im HR -Today Nr. 10/2014), ist aber zu starr.

Positiv ist, dass die vom Bundesrat festgelegten Höchstzahlen von den Kantonen selbst aufgeteilt werden. Diese würden von einer Zuwanderungskommission lediglich überprüft.

Ein effektives System: Die Kantone können ihren aktuellen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften melden. Auf eine Verteilung der Kontingente nach Branchen oder Wertschöpfung wurde verzichtet. Der Vernehmlassungsentwurf sieht weiter vor, das duale Bewilligungssystem beizubehalten: Die Kontingentszahlen für die EU/EFTA und die Drittstaaten werden separat festgelegt. Die Zuwanderung von EU/EFTA-Angehörige wird weiterhin bevorzugt zugelassen: keine Prüfung der beruflichen Qualifikationen bei der Zulassung und Vorrang bei der Rekrutierung gegenüber Angehörigen von Drittstaaten (siehe Kasten).

Übersicht der Bewilligungen mit Kontingenten

Gemäss Gesetzesentwurf vom 11.02.15 sieht der Bundesrat für folgende ausländerrechtliche Bewilligungen Kontingente vor (Art. 17a Abs. 2 AuG):

  • 
Kurzaufenthaltsbewilligungen für mehr als vier Monate zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (L);
  • 
Aufenthaltsbewilligungen (B);
  • 
Niederlassungsbewilligungen (C);
  • 
Grenzgängerbewilligungen für mehr als vier Monate (G);
  • 
Die Höchstzahlen gelten zudem für die Anordnung einer vorläufigen Aufnahme 
(Art. 83) für mehr als ein Jahr und die Gewährung vorübergehenden Schutzes 
(Art. 66 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998; AsylG) für mehr als ein Jahr.

Keine Kontingente braucht es für:

  • 
die Verlängerung einer Bewilligung mit Ausnahme der Verlängerung der Kurzaufenthaltsbewilligung für einen Aufenthalt über vier Monate bei erwerbstätigen Personen und über ein Jahr bei nicht erwerbstätigen Personen;
  • 
die Umwandlung einer Aufenthaltsbewilligung in eine Niederlassungsbewilligung;
  • 
die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung an vorläufig aufgenommene Personen.

Keine administrativen Hürden

Die Temporärbranche nimmt eine wichtige Pufferfunktion wahr. Sie hilft der Wirtschaft, saisonale oder konjunkturelle Schwankungen abzufangen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Dafür brauchen die Personaldienstleister kurze und einfache Rekrutierungsprozesse: Im Durchschnitt steht ein temporärer Mitarbeiter 48 Stunden nach Anfrage im Einsatz. swissstaffing hat deshalb in seiner Stellungnahme zum AuG gefordert, Aufenthalte bis 12 Monate zwecks Erwerbstätigkeit – einschliesslich der Grenzgänger – keiner Höchstzahl zu unterstellen und nicht zu kontingentieren. Eine Kontingentierung ab vier Monaten ist zu restriktiv und schöpft den juristischen Handlungsspielraum nicht aus.

Insbesondere der Inländervorrang hat das Potenzial zum Bürokratiemonster. Bereits heute kann ein Bewilligungsverfahren für einen Drittstaatsangehörigen bis zu zwei Monate dauern und mehrere hundert Franken kosten. Für Bewilligungen von EU-/EFTA-Staatsangehörigen ist dies zu verhindern. Gerade KMU haben in aller Regel nicht die Möglichkeit und die Mittel, spezialisierte Personen für die Erlangung von Ausländerbewilligungen einzustellen. swissstaffing fordert deshalb, dass der Inländervorrang bei EU/EFTA-Angehörigen nur bei der Festlegung der Höchstzahlen und Kontingente (summarisch) und nicht im Einzelfall berücksichtigt werden soll. Bei Nachweis einer zeitlichen Dringlichkeit sollten die Bewilligungsverfahren innert 48 Stunden beschleunigt abgewickelt werden können.

Der Bund sieht eine Prüfung der orts-, berufs- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen im Bewilligungsverfahren vor. swissstaffing fordert: Eine Ausnahme sollten Branchen mit einem allgemein-verbindlich erklärten GAV sein. Die Prüfung der Lohn- und Arbeitsbedingungen erfolgt bereits nachträglich durch die paritätischen Kontrollorgane. Ein System, das sich bewährt. swissstaffing verlangt, dass neben den vorgesehenen Migrations- und Arbeitsmarktbehörden des Bundes und der Kantone auch Vertreter der Arbeitgeber als vollwertige Mitglieder in der Zuwanderungskommission vertreten sind.

Ausblick

Die EU hat in den letzten Monaten deutlich gemacht: Permanente Kontingente und ein Inländervorrang würden nicht akzeptiert. Ein Scheitern der Verhandlungen mit der EU würde die Schweiz in eine Sackgasse manövrieren. Es bestünde ein Widerspruch zum Verfassungsauftrag. Gute Verhandlungsaussichten verspricht dagegen die Einführung einer Schutzklausel, die sich auch in der EU schon bewährt hat. Um die bilateralen Verträge zu retten, scheint dies zurzeit der aussichtsreichste Weg. swissstaffing macht sich deshalb für eine Schutzklausel(1) stark.

  • (1) 
Ein Mechanismus zur In- bzw. Ausserkraftsetzung 
des Kontingentierungssystems, falls eine definierte Zuwanderungsgrenze über- bzw. unterschritten wird.
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Arie Joehro ist ­Vizedirektor & Leiter Rechtsdienst bei swissstaffing.

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