Heft 6/2015: swissstaffing-News

Frauenpower 
im Gesundheitswesen

Spitäler und Heime setzen seit Jahren auf Personaldienst
leister. Oft mangelt es jedoch an geeigneten Fachkräften. 
Dagegen haben drei Personaldienstleisterinnen zusammen mit Gesundheitsbetrieben unterschiedliche Rezepte entwickelt.

Fast 85 Jahre alt werden wir heute im Schnitt. Die meisten allerdings nicht ohne medizinische Betreuung – im Spital, zu Hause oder im Heim. Entsprechend ist hier laufend Personal gefragt. Hinzu kommt die geburtenreiche Generation der Babyboomer mit ihren vielen Pensionierungen. Immer mehr Arbeitskräfte fehlen, immer mehr Menschen benötigen medizinische Pflege. Die Gesundheitsbranche wächst ungebremst.

Weil im Gesundheitsbereich Fachkräfte rar sind, setzen einige Personaldienstleister auf neue Geschäftsmodelle. Sie vermitteln begehrtes Personal, das bei Absenzen einspringt, in der Privatpflege eingesetzt wird oder Ärzte entlastet. Mehrere Mitglieder von swissstaffing sind für medizinisch-pflegerische Kunden tätig. Auffallend dabei: Frauen haben die Nase vorn.

Ausgetrockneter komplexer Markt

Adecco ist seit 15 Jahren im Medical-Bereich tätig. Corinne Scheiber, Direktorin der «Medical Business Line», kennt die Situation schon lange: «Der Schweizer Gesundheitsmarkt ist schlichtweg ausgetrocknet.» Zudem hätten sich die Anforderungen im Beruf gewandelt. Heute werde deutlich mehr von Mitarbeitenden erwartet – beim betriebswirtschaftlichen Denken, dem zeitlichen Einsatz oder der Interdisziplinarität. Das pflegerische Bildungssystem der Schweiz ist komplex und auf hohem Niveau.

Für Aline Coray, Geschäftsführerin bei Carepeople, ist klar: «In der Aus- und Weiterbildung sind früher Fehler passiert.» So habe die Verakademisierung viele Interessenten abgeschreckt. Hinzu kämen unattraktive Arbeitsbedingungen wie Teildienst, Schicht- oder Nachtarbeit. Das Berufsmarketing greift, doch viele steigen aus ihrem Beruf aus. Auch deshalb läuft im Gesundheitswesen ohne flexibel einsetzbares Personal gar nichts mehr. «Arbeitspläne in der Pflege sind sehr straff. Fällt jemand aus, muss sofort Ersatz her, sonst leidet der Patient darunter», so Aline Coray. Hier kommen Personaldienstleister, die auf medizinisches Personal spezialisiert sind, wie gerufen.

Helfen beim Helfen

Von 20 Bewerbern ist heute nur einer top – eine längere Lücke im Lebenslauf, ein unzufriedener Arbeitgeber oder eine Einstellung, die immer wieder aneckt, wirken negativ. Marina Jank, Geschäftsführerin von ZIGG Jobs: «Die Qualität der Arbeitnehmer auf dem Markt können wir kurzfristig nicht ändern. Aber wir können mit jedem Kandidaten Lösungen suchen.» Die guten Erfolge mit vermittelten Personen, die selbst nichts gefunden haben, geben ihr Recht. Wichtig sei es, «transparent zu sein, sowohl gegenüber den Suchenden als auch gegenüber den Betrieben». Die Chancen für eine Vermittlung sind gross. Zentral dabei: «Try & Hire»-Verfahren oder die Coaching-Fähigkeiten eines Personalberaters. Genauso wichtig sind aber auch die Beziehungen zu den Kunden: Denn je grösser das Vertrauen zum Personaldienstleister, desto eher lassen sich auch Leute vermitteln, die keine Top-Kandidaten sind.

Hierbei helfen Personaldienstleistern verschiedene Instrumente. Unter anderem auch «temptraining», der Weiterbildungsfonds vom Gesamtarbeitsvertrag Personalverleih. Um die Arbeitsmarktfähigkeit von Temporären zu erhöhen, finanziert temptraining bis zu 5000 Franken an Weiterbildungen in mittlerweile über 1000 Schweizer Bildungsinstituten. In der Praxis funktioniert es: «Bei Adecco sprechen wir die Associates von Anfang an auf temptraining an und erklären ihnen die Wichtigkeit und Vorteile von regelmässigen Weiterbildungen», erklärt Corinne Scheiber.

Qualität als Problem und Chance

Wo qualifiziertes Personal fehlt und Dienstleistungen teuer sind, werden schlechter Ausgebildete oder billige Arbeitskräfte aus dem Ausland eingestellt. Eine unschöne Realität, denn Hungerlöhne und mangelhafte Ausbildungen sind weder eine Lösung noch legal. Der Gesamtarbeitsvertrag Personalverleih garantiert Temporärarbeitenden im Gesundheitswesen einen Mindestlohn und attraktive Sozialversicherungen. Aline Coray von Carepeople setzt auf Qualität: «Eine optimale Personalberatung im Gesundheitswesen ist das A und O. Es geht immer um den Menschen – als Patient, als Kunde, als Angehörige oder Mitarbeitende.» Carepeople ist seit 2013 auf dem Markt und wurde zu Beginn angezweifelt: Lässt sich vielgesuchtes Personal in einem so ausgeprägten Arbeitnehmermarkt überhaupt finden? Die Antwort lautet: Ja. Sofern die Qualität stimmt.

Aline Coray will bei ihren Kunden soweit möglich stets die gleichen Mitarbeitenden einsetzen. Für jede Seite ein Gewinn, denn so ergeben sich Beziehungen, das angeeignete Wissen geht nicht verloren und die Personalberater können auf alle Beteiligten eingehen. Damit das gelingt, setzt das Unternehmen auf die Aus- und Weiterbildung seiner Personalberater. Ein Erfolgsrezept, welches auch Corinne Scheiber anwendet: «Alle von uns bringen einen beruflichen Hintergrund im Gesundheitswesen mit, ganz nach dem Adecco-Motto: Experts talk to Experts». Unattraktive Arbeitsbedingungen und tiefe Löhne sind das eine, Kostendruck und steigende Patientenzahlen das andere – die Situation ist vertrackt. Mit ZIGG Jobs startete Marina Jank ein innovatives Geschäftsmodell. Initiiert von der Zentralschweizer Interessensgemeinschaft Gesundheitsberufe, ist die ZIGG bemüht, dem Fachkräftemangel in der Gesundheitsbranche entgegenzuwirken. Das Ziel von ZIGG Jobs: entsprechendes Personal zu rekrutieren und nachhaltig zu vermitteln. In enger Zusammenarbeit mit den Partnerbetrieben wird ein zukunftsgerichtetes Dienstleistungsangebot entwickelt. Beispielsweise die Begleitung und gezielte Unterstützung von ausländischen Bewerbern oder ein Ausbildungsprogramm für Wiedereinsteigerinnen. Marina Jank: «Das Projekt ist einzigartig, weil es von den Betrieben getragen wird und damit eine einmalige Nähe sicherstellt.»

Bewegung schafft Platz für Neues

Teildienst, Schicht- und Nachtarbeit werden zwar honoriert, sind aber nicht beliebt. Das spürt auch Aline Coray: «Viele möchten am liebsten werktags von 8 bis 17 Uhr arbeiten, weil sie sonst den Anschluss an die Gesellschaft verpassen.» Hier gäbe es grosse Unterschiede zwischen den Betrieben, einige böten bereits heute fortschrittliche Modelle, andere gar nicht. Besonders in der Langzeitpflege sei Teildienst ein Thema. Häufig könne man ihn mit Früh- und Spätdiensten ersetzen, was viele Kandidaten schätzen. Gefragt sind attraktive Arbeitgeber, die bessere Arbeitsbedingungen schaffen, Weiterbildungen fördern und Teamentwicklungen einführen.

Die Personalpolitik der Gesundheitsbranche bewegt sich, Synergien werden genutzt, Erfahrungen ausgetauscht – ein gutes Zeichen. Denn die gemeinsame Suche nach Lösungen bietet grosses Potenzial. Und alle haben dasselbe Ziel: möglichst viel gute und zufriedene Gesundheitsfachleute.   

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Julia Bryner

Julia Bryner ist Leiterin Operations & Mitgliederservices bei swissstaffing.

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