Lernen im Arbeitsprozess

Lernen am Arbeitsplatz als Wettbewerbsvorteil

Ausbildungskonzepte und Mitarbeiterförderungsprogramme vieler Unternehmen tönen gut, sind aber in Wirklichkeit nur teuer. Arbeitnehmende können die Resultate in der Praxis oft nicht anwenden. Die Organisation und Vorgesetzte bevorzugen bewährte Techniken, was den Einsatz neuer Erkenntnisse behindert und ein hohes Frustrationspotential bei den Betroffenen birgt. Empirische Studien zeigen, Lernen im Arbeitsprozess ist für die Mitarbeitenden eindrücklicher und fördert die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung direkt.

Erfahrungsgemäss lernen nicht nur Kinder durch Nachahmung oder durch positive Rückmeldungen. Beobachtet man Arbeitende im Büro oder in der Produktion, kann man feststellen, dass sehr viel imitiert, gute Erfahrungen von Kollegen übernommen oder bessere Lösungen am Arbeitsplatz besprochen und angewandt werden. Neue Mitarbeitende werden ja auch am Arbeitsplatz angelernt. Wenn Vorgesetzte und die GL diesen Prozess bewusst nutzen, werden Veränderungen ohne Widerstände (Krisen) eingeführt. Zudem ist diese Art der beruflichen Weiterentwicklung ist sehr effizient und kostengünstig. Als Basis für das informelle Lernen sind folgende Voraussetzungen notwendig:

  • Hinterfragen von Prozessschritten muss am Arbeitsplatz erlaubt sein, denn dies fördert das Engagement und regt Denkprozesse an. Dies ist besonders wichtig, wenn Prozesse eine hohe Komplexität aufweisen und durch viele Einflussfaktoren beeinträchtigt werden.
  • Vorgesetzte und GL müssen die Produktionsabteilung über die Produktqualität oder eventuelle Beanstandungen klar informieren. Wenn von den Mitarbeitenden nur die Einhaltung der Prozesse gefordert wird, stumpft die Arbeit ab. Sie liefern Arbeit nach Vorschrift und es entstehen kostspielige Qualitätsrisiken oder Terminüberschreitungen. Das Potential der sorgfältig ausgewählten Mitarbeitenden muss genutzt und nicht eingedämmt werden.
  • KVP (Kontinuierlicher Verbesserungs-/Veränderungsprozess) muss von den Mitarbeitenden gelebt werden. Die KVP-Kultur kann nur mit einer offenen Gesprächskultur am Arbeitsplatz aufrecht erhalten werden. Ein erfolgreicher KVP  ist auf die Produktentwicklung statt ausschliesslich auf Prozessoptimierung ausgerichtet. Kann die GL oder der Vorgesetzte zusammen mit den Betroffenen am Arbeitsplatz nur schon kleinste Verbesserungen oder echte Lösungen für Kunden finden, fühlen sich die Mitarbeitenden wirklich ernst genommen. Sie werden sich auch nach Feierabend Gedanken zu Problemlösungen machen. Ihr Human Capital bleibt auch nach der offiziellen Arbeitszeit aktiv. Motivierte Mitarbeitende, die durch Interesse, nicht durch Boni getrieben sind, engagieren sich für Bedürfnisse ihrer Kunden und freuen sich über Produktinnovationen.  Sie sind aber kaum bereit, durch forcierte Prozessoptimierungen Arbeitsplätze zu gefährden.

Die Strategie des Lernens am Arbeitsplatz ist auch bei Unternehmen mit ISO-zertifizierten Managementsystemen ein grosser Wettbewerbsvorteil. Die unberechtigte Ausrede, Prozesse müssen eingehalten werden, würde entfallen.  Dank grösseren und kleineren Verbesserungen können Prozesse angepasst und die Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit wesentlich verbessert werden. Die Resultate der jährlichen Messung der Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit werden informativer und können vermehrt als Planungsgrundlage verwendet werden.

Dank mitdenkendem Personal werden spürbare Einsparungen bei Garantie- und Prozesskosten realisiert. Bei sinkenden Margen ein echter Vorteil. Mir ist natürlich bewusst, ein solcher Kultur- und Führungsstilwechsel braucht ein neues Verhalten von Vorgesetzten und Mitarbeitenden. Kontinuierliche Veränderungsprozesse müssen aber auch menschliches Verhalten beinhalten. Aus meiner Erfahrung als Begleiter von Veränderungsprozessen lohnen sich die positiven Auswirkungen finanziell und fördern das Engagement und die Motivation der Mitarbeitenden. Allein die neue Kundennähe und die Mitarbeiterzufriedenheit sind ein unbezahlbarer Marketingvorteil von Unternehmen bei der Kunden- und Mitarbeiterwerbung.

Kommentieren 0 Kommentare HR Cosmos

Nach einer Lehre im Gastgewerbe und der berufsbegleitenden Ausbildung zum Betriebsökonom hat sich Ernst Zryd auf die Arbeit als Leiter Human Resources fokussiert. Nach 25 Jahren Erfahrung als Leiter HRM in den Branchen Detailhandel, Bau, Industrie und Life Science gründet er 1999 die Firma Alpha & Omega Change Management GmbH, die bei Personalengpässen Aufgaben im HRM Umfeld und Qualitätsmanagement mit kompetentem Fachpersonal erledigt. Persönlich übernimmt er befristete Aufgaben als Personalchef, Projektleiter bei Veränderungsprozessen oder Outplacements von Gruppen und Einzelpersonen.

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