Lernen verbindet – Wie Unternehmen die Treue ihrer Mitarbeiter gewinnen
«Karrieremöglichkeiten durch persönliche Entwicklung und Weiterbildung» – das gilt als einer der wichtigsten Gründe, weshalb Mitarbeiter ihrem Arbeitgeber treu bleiben. Genügt es also, wenn die Angestellten einmal im Jahr eine Weiterbildung besuchen dürfen? Nein, sagen drei HR-Fachleute. Und erklären, wie ihre Firma die Mitarbeitenden erfolgreich an sich bindet.
Aus- und Weiterbildung, so wird bald klar, hat bei allen drei Unternehmen einen hohen Stellenwert. «Zu behaupten, dass wir unsere Mitarbeitenden nur aufgrund unserer Ausbildungsinitiativen besser ans Unternehmen binden können, ist allerdings heikel», sagt Hans Bracher, Personalchef der Ruag Holding AG. Und Andreas Längerich, Head Young Talents Management bei Axa Winterthur, erklärt: «Wir nehmen das Wort Retention im Zusammenhang mit der Entwicklungsplanung für unsere Young Talents einfach nie in den Mund. Auch wenn wir natürlich wollen, dass sie längerfristig bleiben.» Erich Joss, Leiter Human Resources bei Prodega, kreiert ebenfalls keine Kursmodule nur um der Mitarbeiterbindung willen. «Die Aus- und Weiterbildung ist lediglich Mittel zum Zweck.»
Den Arbeitsbereich behandeln, wie wenn er das eigene Geschäft wäre
Nämlich zu jenem, dass die Mitarbeitenden ihre Arbeit möglichst selbständig ausführen können. Dann mache sie auch Spass und die Prodega-Leute würden ihre Arbeitsbereiche behandeln, als wären diese ihre eigenen, kleinen Geschäfte. Und das bindet nicht nur, sondern trägt auch zum Unternehmenserfolg bei, zeigt sich Joss überzeugt. «Für uns ist wichtig, dass ein Mitarbeiter mitarbeitet. Unsere Kunden sind Gastroprofis, die haben nicht viel Zeit. Deshalb übernimmt jeder Mitarbeiter viel Verantwortung.» Habe beispielsweise ein Kunde Fragen, könne der Verkäufer nicht jedes Mal zum Chef laufen. «Sonst läuft ihm der Wirt davon, weil der wieder in die Küche muss.» Damit dies nicht passiert, ist der Besuch von drei zweistündigen Modulen pro Jahr für alle Pflicht. «Dieses Jahr steht der Umgang mit dem Kunden wieder im Vordergrund. In anderen Jahren ist es dann beispielsweise die Qualitätssicherung.» Bindung, so Joss, sei aber auch, «wenn wir dem Mitarbeitenden einen Horizont aufzeigen können. Das ist nicht nur der Weg nach oben, sondern für uns geschieht Entwicklung auch im horizontalen Bereich.» So können beispielsweise Sonderfunktionen im Lehrlingswesen, in der Haustechnik oder der Gesundheits- und Arbeitssicherheit übernommen werden.
Der Unterschied macht’s: das etwas andere Graduateprogramm der Axa
Den Mitarbeitenden eine Perspektive bieten – vertikal und horizontal – gehört auch bei der Ruag AG zu den Pfeilern, um sie an das Unternehmen zu binden. «Wir haben drei Hauptentwicklungspfade: Die klassische Managerlaufbahn, jene des Projektleiters und die Expertenkarriere», erklärt Hans Bracher. Für die schulische Unterstützung verfügt die Ruag mit dem Business Trainingscenter über ein Kompetenzzentrum, das eigene Schulungen anbietet und externe, wie jene für den Projektleiter, dazu kauft. Bracher ist wichtig, dass die Projektleiter beim Abschluss eine anerkannte Zertifizierung in den Händen halten. «Das ist eine Win-Win-Situation. Der Mitarbeitende hat etwas für seinen Lebenslauf, und wir können gegenüber unseren Kunden sicherstellen, dass ein entsprechend qualifizierter Angestellter das Projekt übernimmt.»
Perspektiven alleine, so ist sich Bracher sicher, hielten aber noch niemanden im Unternehmen. Neben attraktiven Anstellungsbedingungen steht bei der Ruag vor allem das Aufgabengebiet im Vordergrund. «Wir haben festgestellt, dass spannende Arbeitsinhalte den stärksten Attraktor darstellen.» Bei der Ruag liegt der Fokus auf der Technologie. Und dementsprechend, so Bracher, will das Unternehmen seinen Mitarbeitenden ein Umfeld bieten, in dem sie mit den neuesten Technologien arbeiten können. «So macht die Arbeit auch Spass.»
Das wiederum fördere die Innovation und diese führe zu marktfähigen und somit erfolgreichen Produkten und Dienstleistungen. «Und es gibt doch nichts Motivierenderes, als bei einem erfolgreichen Unternehmen zu arbeiten. Erfolg zu haben, ist für uns deshalb ein weiterer Retentionsfaktor.»
Erfolgreich ist auch die Axa Winterthur, wenn es darum geht, Hochschulabsolventen für ein Graduateprogramm beim Versicherungskonzern zu begeistern. «Wir heben uns beim Aufbau des Programms bewusst von anderen Unternehmen ab», erklärt Andreas Längerich. Statt dass die Absolventen alle drei Monate den Bereich wechseln, bleiben sie bei Axa während etwa zwölf Monaten im gleichen und schnuppern für drei bis sechs Monate noch in ein anderes Gebiet, oft auch im Ausland. «Unsere Graduates schätzen es sehr, dass sie sich so beispielsweise intensiv mit einem Projekt auseinandersetzen können. Ebenso lernen sie ihre Teamkollegen und Vorgesetzten besser kennen und können sich damit besser einen Namen machen.» Zudem erhielten die Absolventen von Anfang an unbefristete Verträge. «Wir investieren viel in sie, deshalb wünschen wir uns auch, dass sie bleiben.» Denn das 18-monatige Programm beinhaltet ein intensives On- und Off-the-Job-Training.
Spiel und Spass mit Läufer Viktor Röthlin und Dirigent Howard Griffiths
Auch bei Prodega werden die Off-the-Job-Seminare sehr geschätzt. Denn sie leben laut Erich Joss von Spiel und Spass. «Wir wollen keinen Managementcoach, der uns sagt, wie wir arbeiten müssen.» Sondern Menschen wie der Marathonläufer Viktor Röthlin oder der Dirigent Howard Griffiths erzählen von ihren Erfahrungen. «Und wir überlegen uns dann, was wir davon bei Prodega anwenden können.» Da seien die Mitarbeitenden natürlich wieder gefordert, mit- und selber zu denken. Dafür, so haben Joss und sein Team festgestellt, bleibe auch mehr hängen. «Howard Griffiths hat keiner vergessen und von Viktor Röthlin werden wir auch in fünf Jahren noch sprechen.»