«Man muss das Gehirn schockieren»
Der deutsche Psychologe und Autor Bas Kast hält an der Eröffnungsfeier der Ostschweizer Bildungs-Ausstellung OBA ein Impulsreferat zum Thema «Wie kommen wir auf gute Ideen?». Ein Gespräch über Kreativität, den Nutzen von Auslandaufenthalten und den Beitrag von HR.
Bas Kast, Psychologe und Autor. (Foto: zVg)
Herr Kast, Sie referieren an der Ostschweizer Bildungsausstellung OBA zum Thema «Wie kommen wir auf gute Ideen?». Wie lautet Ihre Antwort?
Bas Kast: Da gibt es eine Menge neue Erkenntnisse, in meiner Rede konzentriere ich mich auf zwei: Erstens muss man das Gehirn schockieren. Der Alltag besteht zu mehr als 90 Prozent aus Routine – das Gehirn braucht gar nicht mehr zu denken, geschweige denn, dass es um die Ecke denken müsste, um den Alltag zu meistern. Wir können fast immer auf Routine-Netzwerke des Gehirns zurückgreifen. Um die Fantasie zu wecken, muss man die Routine durchbrechen. Im Kleinen, indem man zum Beispiel etwas Neues ausprobiert (neuen Weg zur Arbeit, etwas Neues kochen). Im Grossen, indem man zum Beispiel ins Ausland geht. Studien zeigen: Je länger jemand im Ausland gelebt hat, desto besser ist er beim Lösen diverser Kreativaufgaben. Der zweite Punkt ist der der Entspannung: Gute Ideen kommen meist nicht während wir uns konzentrieren, sondern wenn wir loslassen – unter einer warmen Dusche oder beim Spaziergang im Park.
Was hindert uns daran, gute Ideen zu haben? Was unterdrückt unsere Kreativität?
Zunächst muss man sich in eine Disziplin einarbeiten. In der Forschung spricht man von der Zehn-Jahres-Regel: Man braucht im Schnitt zehn Jahre, um es in einem bestimmten Metier zur kreativen Meisterschaft zu bringen. Dieses Wissen kann uns aber auch blind machen. Da hilft es, sich mit Menschen aus anderen Disziplinen auseinanderzusetzen, sich auf ihre Perspektiven einzulassen. So durchbrechen Sie Ihre alten Sichtweisen.
Wie können Vorgesetzte oder Personalverantwortliche die Kreativität ihrer Mitarbeitenden fördern?
Zum Beispiel, indem sie den Austausch zwischen den Mitarbeitern und auch Abteilungen fördern. Studien zeigen: Mitarbeiter, die Kontakte zu anderen Arbeitsgruppen und Abteilungen des Unternehmens pflegen, haben die besten Ideen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: In einem Callcenter waren die Kaffeepausen so strukturiert, dass die Mitarbeiter eines Teams nie zeitgleich ihren Arbeitsplatz verliessen, so dass immer jemand da war, um die Anrufe entgegenzunehmen. Das Problem war: Auf diese Weise kamen die Mitarbeiter nur selten in lockerer Runde zusammen, um Arbeitsprobleme oder sonstige Tipps auszutauschen. Um zu sehen, was passiert, legte man die Pausen der Teammitglieder zusammen. Das Resultat: Nicht nur das Betriebsklima, auch die Produktivität der Mitarbeiter stieg an.
Was zeichnet einen guten Chef aus?
Studien zeigen: Die Intelligenz einer Gruppe hängt nicht so sehr von der Intelligenz der Mitarbeiter ab, sondern vielmehr davon, wie lebhaft sich die Mitarbeiter austauschen. Ein guter Chef fördert diesen Austausch. Er gibt den einzelnen Mitarbeitern Freiraum und das Gefühl, dass sie wichtig, ja einmalig sind. Er identifiziert Egomanen und Narzissten, die den Austausch hemmen und wirft sie raus!
In Ihrem Buch «Und plötzlich macht es KLICK! Das Handwerk der Kreativität oder wie die guten Ideen in den Kopf kommen» plädieren Sie dafür, das Gehirn mit unerwarteten Situationen zu konfrontieren, um auf neue Gedanken zu kommen. Wie lässt sich das im Büro umsetzen?
Zum Beispiel, indem man eben den Austausch zwischen den Abteilungen fördert, durch gemeinsame Aktivitäten wie Kaffeepausen oder Bierfeste und mit Hilfe der Architektur. Manche Gebäude isolieren Mitarbeiter oder Abteilungen voneinander, andere stimulieren den Austausch, etwa wenn es eine gemütliche Cafeteria – natürlich mit Kickertischen – gibt, wo man sich trifft und austauscht. Wer in eine andere Abteilung hineinschnuppert und sich mit den fachfremden Kollegen auseinandersetzt, wird automatisch mit ungewöhnlichen Ideen konfrontiert. Das erfrischt das eigene Denken.
Sie haben erwähnt, dass längere Auslandsaufenthalte einem regelrechten Kreativitätsintensivkurs gleichen. Sollte man also alle Mitarbeitenden, die irgendwie kreativ tätig sind, vier Wochen nach China schicken?
Klar, das wäre ein guter Anfang. Es muss nicht China sein, besser wäre es, wenn es geht, den Mitarbeitern selbst die Wahl zu überlassen. Natürlich kann man auch Leute aus dem Ausland ins Team holen. Dann haben Sie ein Stückchen China ins Unternehmen gebracht – ist vielleicht nicht ganz so wirksam, aber dafür eventuell leichter umsetzbar.
Auch die Bandbreite der sozialen Kontakte wirkt offenbar inspirierend. Wie können HR-Verantwortliche und Vorgesetzte dafür sorgen, dass sich die Mitarbeitenden mehr mit «Fremden» einlassen und die uns angeborene Scheu vor dem Unbekannten überwinden?
Am besten auf beiläufige Weise, indem es, wie erwähnt, gemeinsame Pausen und Aktivitäten gibt, während denen man sich auf lockere Weise trifft. Von da an organisiert sich die Sache von selbst. Ähnlich bei einem Gebäude, das den Austausch zwischen Abteilungen fördert: Wenn Sie das haben, dann brauchen Sie organisatorisch nicht mehr viel zu machen. Das Gebäude übt einen sanften Druck auf die Leute aus, sich zu treffen. Beispiel Steve Jobs: Als er das Animationsstudio Pixar gekauft hatte und die Firma eine neue Zentrale brauchte, wollte Jobs das Zentralgebäude mit nur einem WC-Bereich ausstatten. Warum? Um die Leute aus ihren Einzelzimmer zu locken, hin zum WC, sodass man sich unterwegs oder dort trifft und spontan austauscht.
Was bringt es Unternehmen überhaupt, wenn ihre Mitarbeitenden kreativ sind? Warum sollten sie die Kreativität fördern?
Nun, wir leben ja bekanntlich nicht von unseren Ressourcen, wir haben kein Öl, kein Gold, gar nichts. Die Produktion wird zunehmend in Länder wie China verlegt. Was also ist unser Kapital? Es sind Ideen. Das iPhone mag in China gemacht werden, aber die Idee kam von Apple. Meine Winterjacke wurde in China gemacht, aber die Ideen für Design, Material und Herstellung kamen aus Deutschland. Jedes Start-up fängt mit einer Idee an – und wenn die Idee gut ist – siehe Google oder Facebook – kann sie bekanntlich Milliarden wert sein.
Update für HR-Verantwortliche an der Ostschweizer Bildungs-Ausstellung OBA
Die OBA öffnet vom 28. August bis 1. September 2015 in St. Gallen ihre Tore. Am Freitag, 28. August, findet ein Update für HR-Verantwortliche unter dem Titel «Moderne Arbeitsformen: Sind Personalführungsinstrumente noch zeitgemäss?» statt. Moderne Arbeitsformen bieten Chancen und Risiken. Was braucht gutes Personalmanagement, um diese zu erkennen und zu nutzen? Experten referieren über die heutige Bedeutung der klassischen Personalführungsinstrumente.
Referate
- 13.30 Uhr: Schöne neue Arbeitswelt: Wer profitiert von flexiblen Arbeitsbedingungen – wer nicht?
- 14.00 Uhr: Zeitzeichen erkennen: Welche Personalführungsinstrumente gehören in die strategische Müllabfuhr?
- 14.30 Uhr: Auf dem Prüfstand: Personalführung, Mitarbeitendenbefragung und Kompetenzmanagement konkret.
Ort der Veranstaltung
- Olma Messen St. Gallen, Forum HR, Halle 3.1, Erwachsenen- und Tertiärbildung
Infos und Anmeldung
- Weitere Infos unter www.oba-sg.ch/index.php?id=2261
- Anmeldung: www.fhsg.ch/hr, Teilnehmerzahl beschränkt, Teilnahme kostenlos