Mauerblümchen Lohnabrechnung
Lohnabrechnungen werden oft als blosse Aufgabe der Buchhaltung betrachtet. Personalwesen und Rechtslehre interessieren sich kaum dafür. Es gibt aber gute Gründe, dem Thema Lohnabrechnung mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Illustration: Jonas Raeber.
Lohnabrechnungen sollten inhaltlich korrekt sein und jeden Monat an die Mitarbeitenden versandt werden: Das dürfte bei den meisten Unternehmen anerkannt und üblich sein. Die Verantwortung ist im Normalfall der Buchhaltung zugewiesen. Das HR interessiert sich für dieses Thema scheinbar kaum. Das Mauerblümchen-Dasein der Lohnabrechnung aus Sicht von HR und juristischer Literatur ist aber nicht immer gerechtfertigt.
Elemente der Lohnabrechnung
Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dem Arbeitnehmenden sei eine «schriftliche Abrechnung zu übergeben» (Art. 323b Abs. 1 des Obligationenrechts (OR)). Schriftlichkeit verlangt hier ausnahmsweise keine Unterzeichnung. Es genügt ein in Schriftform gehaltenes Dokument. Ob die vom Gesetz verlangte Übergabe der Abrechnung auch auf rein elektronischem Weg erfolgen kann, wie das heute teils schon praktiziert wird, ist ungeklärt. Auf alle Fälle ist der elektronische Weg in Anbetracht der sensiblen Abrechnungsdaten so auszugestalten, dass Datenschutz und Vertraulichkeit genügend gewährleistet sind.
Lohnabrechnungen müssen präzise, vollständig und aussagekräftig sein. In der Abrechnung werden der Brutto- und der Nettolohn aufgeführt, die detaillierten Abzüge insbesondere für die Sozialversicherungsbeiträge, ebenso allfällige Zulagen und Spesenbeträge. Auch allfällige Vorschüsse oder Akonto-Beträge hat der Arbeitgebende unmissverständlich zu deklarieren. Gerade in letzteren Fällen tut er das auch, um seine eigenen Interessen zu schützen. Der Arbeitnehmende seinerseits ist auch deshalb auf die Lohnabrechnung angewiesen, weil diese von den Arbeitslosenkassen und anderen Behörden vorausgesetzt und verlangt werden. Zudem kann er mit den Lohnabrechnungen gegenüber den Behörden nachweisen, dass er seine AHV-Beiträge erbracht hat, falls der Arbeitgebende die Zahlung der AHV-Beiträge vernachlässigt haben sollte.
Verweigert ein Arbeitgebender die Ausstellung der Lohnabrechnungen, kann der Arbeitnehmende seinen Anspruch auf Lohnabrechnungen durch eine Klage vor Gericht durchsetzen. Das Gericht kann den Arbeitgebenden mittels Androhung von Strafe zum Ausstellen der Abrechnungen verurteilen. Ebenfalls mittels gerichtlicher Klage durchsetzbar ist die Ausstellung des Lohnausweises zuhanden der Steuerbehörden, den der Arbeitgebende dem Arbeitnehmenden für jedes Kalenderjahr zu übergeben hat.
Umstritten ist, ob zwingend für jede Lohnzahlung (und damit jeden Monat) eine Lohnabrechnung auszustellen ist. Teilweise wird postuliert, dass Lohnabrechnungen auch in grösseren Abständen erfolgen dürfen. Etwa wenn alle Beträge pro Lohnzahlung im betreffenden Zeitraum gleich bleiben. Der Arbeitgebende ist aber gut beraten, für jede Lohnzahlung eine Abrechnung auszustellen, um Unklarheiten und die damit verbundenen Nachteile möglichst zu vermeiden.
Gewisse Arbeitgebende versehen ihre Lohnabrechnungen mit der Klausel, Beanstandungen müssten innert einer bestimmten Frist (beispielsweise 14 Tage nach Erhalt) gemeldet werden, andernfalls gelte die Abrechnung als akzeptiert. Pate standen dabei ähnliche Klauseln in Bankunterlagen, mit denen eine Genehmigung der Unterlagen durch den Kunden «fingiert» werden soll. Es erscheint aber fraglich, ob solche Klauseln auf Lohnabrechnungen die vom Arbeitgebenden erhoffte Wirkung entfalten können (sogenannte «Genehmigungsfiktion»). So können Arbeitnehmende während des Arbeitsverhältnisses im Prinzip nicht auf Forderungen verzichten, die ihnen aus unabdingbaren Vorschriften zustehen (Art. 341 OR). Zudem sind die anwendbaren Verjährungsfristen grundsätzlich unabänderlich (Art. 129 OR).
Knifflige Fälle
Es gibt eine Reihe von Konstellationen, bei denen Personalverantwortliche ein besonderes Augenmerk auf die Lohnabrechnungen legen sollten. Paradebeispiel: Wenn der Arbeitgebende bei einer unregelmässigen Anstellung im Stundenlohn beabsichtigt, den Ferienlohn fortlaufend und in Form von Lohnprozenten auszuzahlen (obwohl es umstritten ist, inwiefern solche «Ferienprozente» heute noch zulässig sind, siehe «Arbeit & Recht»-Beitrag, HR Today Nr. 5/2017). Erforderlich ist auf alle Fälle, dass die als Ferienlohn ausbezahlten Beträge nicht nur im Arbeitsvertrag, sondern auch in den einzelnen Lohnabrechnungen präzise aufgeführt sind, sei es in Prozenten, in Franken und Rappen. Dahinter steht die Überlegung, dass der Arbeitnehmende bei Erhalt der einzelnen Zahlungen genau ersehen soll, inwiefern Ferienlohn darin enthalten ist. Unterlässt der Arbeitgebende die erforderliche Spezifikation des Ferienlohns auf dem Arbeitsvertrag und den einzelnen Lohnabrechnungen, läuft er Gefahr, die Beträge später ein zweites Mal bezahlen zu müssen.
Ein weiteres Beispiel sind Schadenersatzansprüche des Arbeitgebenden gegen den Arbeitnehmenden. Kantonale Gerichte haben Arbeitgebenden unterstellt, dass sie konkludent auf ihre Ansprüche verzichtet haben, indem sie diese nicht sofort nach Entdeckung von Ursache und Schaden geltend gemacht und weiterhin und vorbehaltlos den Lohn bezahlt hatten. Zwar war das Bundesgericht in seinen Entscheidungen weniger streng. Es nahm einen Verzicht erst an, wenn der Schaden trotz vorheriger Kenntnis nicht spätestens bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht worden war. Um Unsicherheiten zu vermeiden, sind Arbeitgebende jedoch gut beraten, mögliche Schadenersatzforderungen umgehend geltend zu machen oder zumindest entsprechende Vorbehalte auf den Lohnabrechnungen anzubringen.
Ähnliches gilt auch bei anderen finanziellen Ansprüchen des Arbeitgebenden gegenüber dem Arbeitnehmenden. Zu denken ist etwa an die Rückforderung von Beträgen, die irrtümlich zu viel bezahlt wurden oder die sich im Nachhinein als ungerechtfertigt herausstellen. Das kann beispielsweise zutreffen, wenn der Arbeitnehmende Ferien vorbezogen und dann die Kündigung erklärt hat. Auch in solchen Fällen riskiert der Arbeitgebende, dass ihm ein konkludenter Verzicht unterstellt wird, wenn er seine Forderungen nicht umgehend nach Kenntnisnahme geltend macht und den Lohn vorbehaltlos ausbezahlt. Entsprechend sollte er auch in solchen Fällen zumindest einen Vorbehalt auf den Lohnabrechnungen anbringen.
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