Mediation und Resilienz

Warum erfolgreiche Mediatoren mehr als Fachwissen brauchen

Fachwissen allein reicht oft nicht aus, um Konflikte zu lösen. Resilienz, die Fähigkeit, flexibel und handlungsfähig zu bleiben, ist entscheidend für den Erfolg von Mediatoren und beeinflusst den Prozess massgeblich.

Stellen Sie sich vor: Ein Konflikt in Ihrem Betreuungsbereich – sagen wir: dem Verkauf – schwelt schon eine ganze Weile, bis die zuständige Abteilungsleiterin Sie im HR aufsucht. Betroffen sind inzwischen nicht nur der Verkauf, sondern auch Schnittstellenpartner sowie interne und externe Kundinnen und Kunden, die die schlechte Stimmung und fehlende Vernetzung wahrnehmen. Sie brauchen dringend einen Mediator, der das Team bei der Konfliktklärung unterstützt.

Nach einer Umfrage der Autorin bei zahlreichen Verantwortlichen aus HR und Wirtschaft zeigt sich, dass neben Fachkompetenz, Haltung und Methodenkompetenz auch resiliente Grundhaltungen und Fähigkeiten wichtige Kriterien bei der Wahl eines Mediators sind.

Was ist Resilienz?

Resilienz kommt ursprünglich aus der Physik und beschreibt die Elastizität eines Werkstoffes, der nach einer Belastung oder Verbiegung wieder in seine ursprüngliche Form zurückfindet. Auf die Seele adaptiert wird Resilienz als Widerstandskraft verstanden: Gedeihen trotz widriger Umstände. Pionierin der Resilienzforschung ist Emmy E. Werner, eine amerikanische Entwicklungspsychologin.

Resiliente Menschen sind de facto nicht unverwundbar. Aber sie rechnen gar nicht erst mit einem linearen Lebenskonzept, sondern sind auf Schicksalsschläge vorbereitet. Sie suchen nach Sinn, akzeptieren das Unvermeidliche und rappeln sich auf, um Handlungsspielräume zu suchen und wieder Gestaltende ihres Lebens zu werden.

Warum soll eine Mediatorin resilient sein?

Anhand des von Monika Gruhl entworfenen Resilienzmodells gewinnt der Begriff Resilienz Inhalt und Struktur. Sie beschreibt drei resiliente Grundhaltungen und vier resiliente Fähigkeiten. Gruhl versteht Resilienz als «zentrale Kraft» im Leben: als Toolbox in Krisen, als Baukasten der seelischen Widerstandskraft. Das Modell zeigt das Ineinandergreifen von Kompetenzen und Fähigkeiten, denn nicht jede Krise verlangt nach den gleichen resilienten Faktoren. Dies erklärt auch, warum resiliente Menschen über eine hohe Situationselastik verfügen!

Nachfolgend werden die drei resilienten Grundhaltungen sowie die vier resilienten Fähigkeiten vorgestellt und auszugsweise aufgezeigt, wie resiliente Mediatoren auf den Prozess einwirken können.

Resiliente Grundhaltungen

Akzeptanz

Akzeptanz wird als anspruchsvoller Prozess beschrieben. Es geht darum, Veränderbares von Unveränderlichem zu unterscheiden, auszuhalten und die Energie allmählich auf Veränderbares auszurichten.

Gerade zur Überwindung von Ohnmacht und Lähmung (Schutzmechanismen) ist die Differenzierung «es ist wie es ist» versus «beeinflussbare, veränderbare Grössen» prozessbelebend. Die Mediatorin fördert so die Selbstwirksamkeit der Medianden.

Optimismus

Optimismus beschreibt Zuversicht trotz schwierigen Umständen. Also eine Zuversicht, die auf einer realistischen Einschätzung basiert und damit die Steuerung der Gefühlswelt ermöglicht.

«Obschon es schwierig ist, gelang es Ihnen, eine neue Türe aufzustossen» – Die Haltung des Mediators ermöglicht den Medianden, auch Gelingendes zu beleuchten.

Lösungsorientierung

Lösungsorientierung bedeutet vor allem Orientierung Richtung Lösung, Zugang zur eigenen Kreativität, Variantendenken im Kontrast zur Problemtrance.

Die lösungsorientierte Grundhaltung ermöglicht der Mediatorin, hartnäckig aus dem Schatten des Problems zu treten. Sie fördert dadurch das Denken in Varianten bei der Lösungsfindung.

Resiliente Fähigkeiten

Selbstregulierung und Selbstwirksamkeit

Mit sich im Dialog sein, mit sich achtsam sein, eigene Ressourcen und Impulse jonglieren – das nennt man Selbstregulierung. Das Erleben von eigener Wirksamkeit im Zusammenspiel mit anderen beschreibt die Selbstwirksamkeit.

Der Mediator, der den Kontakt mit seinem inneren Team (Schulz von Thun) pflegt, kann auch innere Teammitglieder seiner Medianden ansprechen und auf mögliche innere Widerstände sensibilisieren.

Verantwortung übernehmen

Die Verantwortung übernehmen für eigene Bewertungen und Gefühle (Rosenberg) wird als wichtige resiliente Fähigkeit beschrieben, um nicht in der Opferrolle zu verharren.

Bewusste Eigenverantwortung kann bei Medianden sowohl zur Klärung als auch zur Trennung von Aussagen und gegenseitigen Bewertungen beitragen.

Zukunftsorientierung

Ein realistisches Bild der Zukunft in sich zu tragen, Zielsetzungen, die wie innere Bilder das Erstrebenswerte, das sich Lohnende symbolisieren ist das Kraftspendende für die turbulenten schwierigen Zeiten.

Die Fähigkeit der Zukunftsorientierung nutzt die Mediatorin, um Medianden dabei zu unterstützen, zähe Phasen des Mediationsprozesses auszuhalten.

Beziehungen gestalten

Vielseitige Beziehungen pflegen, unterschiedliche Netzwerke knüpfen, die wie Fallnetze unterschiedlich abfedern.

Der Mediator (er)lebt Empathie und Achtsamkeit, was in seiner Rolle ein absolutes Plus ist. Er kann Halt in Netzwerken ansprechen, so dass Medianden Ressourcen aus gelingenden Beziehungen ausserhalb des Konflikts nutzen können.

Situationselastik

Alles in allem verfügt ein resilienter Mediator über eine sehr grosse Situationselastik und kann seine Fähigkeiten und Grundhaltungen so kombinieren, wie die Situation es erfordert! Davon profitieren sowohl die Medianden als auch das Unternehmen.

Fazit: Fachkompetenz allein reicht nicht aus

Ein Konflikt ist eine herausfordernde Situation für alle Beteiligten. Es geht um Menschen, Ressourcen, Schicksale, sinkende Produktivität, Leid, Emotionen, Ängste. Dem gerecht zu werden, erfordert von einem Mediator mehr als Fachkompetenz: es erfordert Fachkompetenz und Resilienz!

Um resiliente Fähigkeiten bei der Auswahl einer Fachperson in Erfahrung zu bringen, empfiehlt sich ein Interview mit verhaltensorientierten Fragen, um sich ein umfassendes Bild zu machen.

Checkliste zur Auswahl von Mediatorinnen und Mediatoren

Fachkompetenz

  • Ausbildung
  • Berufserfahrung
  • Lebenserfahrung

Haltung

  • Ergebnisoffen
  • Lösungsorientiert
  • Zugewandt
  • Empathisch

Methodenkompetenz

  • Flexibel
  • Fokussiert
  • Aufmerksam

Resiliente Grundhaltungen und Fähigkeiten

  • Akzeptanz
  • Optimismus
  • Lösungsorientierung
  • Selbstwirksamkeit & Selbstregulierung
  • Verantwortung übernehmen
  • Beziehungen gestalten
  • Zukunftsorientierung
  • Situationselastisch agieren

Weitere Kriterien

  • Sympathie
  • Feldkompetenz
  • Zuverlässigkeit, Verschwiegenheit, Kreativität
  • Bauchgefühl bei der Auswahl, das dank Erfahrungswert wichtige Orientierung gibt
  • Unabhängigkeit

 


Quellen

Gruhl, Monika. (2012). 4. Auflage. Die Strategie der Stehauf-Menschen. Krisen meistern mit Resilienz. Freiburg im Breisgau: Kreuz Verlag in der Verlag Herder GmbH
Heller, Jutta. (2013). Resilienz 7 Schlüssel für mehr innere Stärke München: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH
Hüther, Gerald. (2013). 3. Auflage. Was wir sind und was wir sein könnten. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag GmbH
Rosenberg, Marshall B. (2012). 10. Auflage. Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens. Paderborn: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung
Schulz von Thun, Friedemann (2014). 23. Auflage. Miteinander reden: 3. Das «Innere Team» und situationsgerechte Kommunikation. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH
Siegrist, Ulrich. Luitjens, Martin. (2013). 5. Auflage. 30 Minuten Resilienz. Offenbach: GABAL Verlag GmbH

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Eliane Steffen-Marti ist die Inhaberin von CTC Coaching Teaching Consulting. www.ctc-steffen-marti.ch

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