«Menschen tun sich Gutes, wenn sie den Horizont des beruflichen Alltags erweitern»
Vor knapp vier Jahren hat die Luzerner Kantonalbank LUKB ein reichhaltiges Gesundheitsprogramm lanciert. Darunter sind so ungewöhnliche Angebote wie Weinkurse und Stilberatung, Segeln oder Yoga zu finden. Initiant des Programms ist Jürg Stadelmann, Leiter Personalmanagement und -entwicklung. Er erklärt, was hinter diesen speziellen Kursen steckt.
2004 wurde das Gesundheitsprogramm «gesund und zwäg» ins Leben gerufen. Hatten Sie zu viele kranke Mitarbeitende?
Jürg Stadelmann: Nein, keineswegs. Das Gesundheitsprogramm ist eine Konsequenz aus dem Gedanken der Nachhaltigkeit. Wir gehen zwar davon aus, dass jeder Einzelne selber für seine Gesundheit verantwortlich ist und das Unternehmen nicht das Recht hat, Einfluss zu nehmen. Trotzdem unterstützen wir unsere Mitarbeitenden. Etwa indem wir für Arbeitsprozesse und Infrastruktur mit möglichst geringen Gefährdungen sorgen oder die Mitarbeitenden sensibilisieren und ihnen niederschwellige Angebote zu einer ausgeglichenen Lebensführung anbieten.
Wie ist das Programm aufgebaut?
Jedes Jahr haben wir ein Motto, unter dem verschiedene Angebote laufen. 2005 war es «Spannung und Entspannung» mit Kursen wie Autogenes Training oder Massage. 2006 stand «Gastfreundschaft» im Fokus mit Angeboten wie Kleidung mit Stil, Farben und Feng-Shui, Wein- und Kochkurse. Letztes Jahr fanden unter dem Motto «Neuland entdecken» Kurse wie Klettern, Aqua Fitness, Segeln, Salsa, Fünf Tibeter, Digitales Fotografieren, Kreatives Schreiben oder Kino Philo statt.
Weinkurse, Fotografieren oder Schreiben als gesundheitsförderliche Massnahmen?
Wir haben das Gesundheitsprogramm 2005 in ein Mitarbeiterprogramm mit dem Titel «Im Gleichgewicht» umbenannt, weil Gesundheit das Ergebnis einer ausgewogenen Lebensführung ist. Wir glauben, dass sich Menschen etwas Gutes tun, wenn sie den Horizont des beruflichen Alltags erweitern. Ob das sportlich oder kulturell ist, ist sekundär. Zum Wohlbefinden und damit zur Gesundheit in einem umfassenden Sinn trägt beides bei. «Im Gleichgewicht» ist ein aktiverer und umfassenderer Ansatz, der auch ein Thema wie «Gastfreundschaft» einbezieht, das auf den ersten Blick wenig mit Gesundheit zu tun hat. Auf den zweiten Blick aber schon, denn ein Leben mit erfüllenden Beziehungen ist ein anerkannter Gesundheitsfaktor.
Trotzdem, wie passt ein Weinkurs in das Programm «Im Gleichgewicht»?
«Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist», sagte Paracelsus, der Heilkundige aus dem 16. Jahrhundert. Die Mitarbeitenden zum Alkoholkonsum anzuregen, hätte mit Gleichgewicht tatsächlich nichts zu tun. Aber die Weinkultur kann eine Bereicherung sein, ein Ausgleich zur Arbeit, vielleicht sogar der Start zu einem neuen Hobby. Ausserdem sind Weinkenntnisse auch im Geschäftsleben sehr wertvoll, sei es bei Einladungen oder auch als Small-Talk-Thema.
Wer bezahlt die Kurse und wird Arbeitszeit zur Verfügung gestellt?
Die Teilnahme ist freiwillig und jeder Mitarbeitende erhält dafür pro Jahr einen freien Tag auf Kosten der Arbeitszeit. Die Mitarbeitenden beteiligen sich mit einem bescheidenen Beitrag an den Kurskosten, etwa 25 Franken für einen Segelhalbtag. Wer mehr als einen Tag «Im Gleichgewicht» bucht, profitiert von günstigen finanziellen Bedingungen, muss aber dafür Ferien beziehen oder damit allenfalls bestehende Überzeit abbauen.
Wie gut sind die Kurse besucht und welche finden besonders grossen Anklang?
Die Kurse erfreuen sich grosser Beliebtheit. 2007 hatten wir insgesamt 454 Teilnahmen bei rund 1000 Mitarbeitenden. Unter den 16 Angeboten erwiesen sich Digitales Fotografieren mit 121 und Segeln mit 59 Teilnahmen als die absoluten Renner.
Bekommen Sie auch Feedback?
Ja, ich höre immer wieder, dass viele Mitarbeitende es als Ausdruck der Wertschätzung empfinden, dass die LUKB ein solches Programm anbietet. Einige finden sogar Anstoss für längerfristige Verhaltensveränderungen. So hat mir eine Mitarbeiterin drei Jahre nach einem Fit-Tag mitgeteilt, ihre Laufgruppe drehe immer noch ihre Runden um den Rotsee. Andere entdecken ein neues Hobby oder eine neue Seite im Leben, etwa nach dem Besuch des Kino Philo, wo es darum geht, sich anhand von Spielfilmen den philosophischen Grundfragen des Lebens anzunähern.
Was braucht es, um ein gutes Programm auf die Beine zu stellen?
Erfolgsvoraussetzung ist ein inhaltlich und von den Rahmenbedingungen her attraktives Programm. Dann sollte man nicht zu ambitiös sein, denn etwas sehr Aufwändiges wird man nach kurzer Zeit nicht mehr aufrecht erhalten können. Ich glaube, mit dem Grundsatz der Niederschwelligkeit und Einfachheit liegen wir richtig, wie der Erfolg in den vier Jahren zeigt. Schliesslich halte ich es für wichtig, dass nicht nur die Firma etwas gibt, sondern dass auch die Mitarbeitenden einen Beitrag leisten.
Gab es Anfangsfehler, die Sie heute vermeiden würden?
Glücklicherweise haben wir Fehler bisher als solche identifiziert, bevor sie passiert sind. Ein Fehler wäre, wenn sich die Firma allzu aktiv ins Thema Gesundheit einmischen und gegenüber den Mitarbeitenden unzulässigen Druck aufbauen würde. Das Prinzip des Respekts vor der Selbstverantwortung jedes Mitarbeitenden muss hochgehalten werden.
An welchen Angeboten haben Sie selber bisher teilgenommen?
Ich bin privilegiert: Da ich für das Programm verantwortlich bin, kann ich in viele Kurse hineinsehen. Teilgenommen habe ich an einem Weinkurs und am Kurs Digitales Fotografieren, während eine geplante sportliche Aktivität einem Unfall mit Knieoperation zum Opfer gefallen ist.
Wie sieht die Zukunft aus?
2008 legen wir eine Pause ein, weil die Bank im dafür vorgesehenen Zeitfenster – Frühjahr bis Frühsommer – voll mit dem Wechsel auf eine neue IT-Plattform beschäftigt ist. Aber die Idee für 2009 steht bereits! Solange unsere Mitarbeitenden mit einer hohen Beteiligung Ja zum Programm sagen, machen wir weiter.
Der Interviewpartner
Dr. Jürg Stadelmann, Leiter Personalmanagement und -entwicklung bei der Luzerner Kantonalbank.