Menschenfreund und Zigarrenliebhaber
Seit über 30 Jahren im HR in der Mode-, der Bau- und der Tabakbranche ist Antonio Maiolino heute als Director Global Human Resources bei der Oettinger Davidoff AG in Basel tätig. Über die HR-Herausforderungen eines familiären KMU mit weltweiten Standorten und einem weltbekannten Brand.
Antonio Maiolino, Director Global HR, Oettinger Davidoff AG. (Fotos: Aniela Lea Schafroth)
An der Decke hängen Tabakblätter, deren Duftnote den Raum erfüllen. In den Wandregalen lagern handgemachte Premium-Zigarren. Für das Fotoshooting posiert Antonio Maiolino im begehbaren Humidor am Hauptsitz der Oettinger Davidoff AG in Basel. Der modeaffine Director Global Human Resources macht das professionell und verrät, dass er für seine Arbeitgeberin auch ab und zu als Model tätig sei. «In unseren Davidoff-Social-Media-Kanälen modle ich für die Winston-Churchill-Zigarren.» Wie es dazu kam? Im Berufsalltag trägt der oberste Personaler des Tabakkonzerns häufig modische Anzüge. Die Marketingabteilung fand: «Du passt perfekt zu diesem Brand.» Maiolino, selbst Zigarrenliebhaber, sagte zu.
Dass die Marketingabteilung eines weltbekannten Brands wie Davidoff ihren Personalchef als Model einsetzt, zeigt, wie familiär und interdisziplinär der 146-jährige Tabakwarenkonzern agiert. «Die rund 130 Mitarbeitenden in Basel arbeiten eng zusammen und die Entscheidungswege sind kurz», bestätigt Antonio Maiolino. Das treffe auch auf den Austausch mit der im Verwaltungsrat agierenden Besitzerfamilie zu: «Ihre Türen sind stets offen.» Gehen Kommunikation und Zusammenarbeit am Hauptsitz leicht von der Hand, sei das international herausfordernder. «Als Director Global Human Resources bin ich für die Mitarbeitenden in Basel und jene der Zigarren-Produktionsstandorte in Honduras und in der Dominikanischen Republik sowie den weltweiten Tochtergesellschaften verantwortlich.» Insgesamt beschäftigt die Oettinger Davidoff AG weltweit rund 3100 Mitarbeitende, die meisten davon in den beiden Produktionsstätten.
Antonio Maiolino ist mit seinem fünfköpfigen HR-Team geografisch von den Aussenstandorten zu weit entfernt. Deshalb arbeitet er in den verschiedenen Ländern mit ortsansässigen HR-Verantwortlichen. «Sie sind eigenständig, kennen die wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten vor Ort und rapportieren mir monatlich», sagt er. Das funktioniere sehr gut. «Die Kollegen sind initiativ, engagiert, strukturiert und prozessorientiert.» Ungeachtet dessen möchte der Personalchef künftig die Synergien zwischen den Ländern noch besser nutzen – «vom Know-how-Austausch im HR über die Implementierung neuer HR-Tools bis hin zu Prozessoptimierungen».
Emotionales Auf und Ab
Antonio Maiolino ist ein HR-Quereinsteiger, der 1989 nach seiner Lehre zum Radio- und TV-Elektriker ins Personalwesen kam. «Im erlernten Beruf sah ich keine langfristige Perspektive, deshalb absolvierte ich berufsbegleitend die Handelsschule.» Eine Stellenanzeige der ARFA Röhrenwerken in Möhlin und Münchenstein mit dem Titel: «Einstieg ins Personalwesen» weckt sein Interesse. Gewünscht sind unter anderem Italienischkenntnisse. «Ich habe mich beworben, sie haben mich genommen. So begann meine HR-Karriere.» Ein Sprung ins kalte Wasser, der nicht ganz einfach war: «Ich musste als Erstes zahlreiche Mitarbeitende rekrutieren, um sie wenig später aufgrund einer ungeplanten Marktentwicklung in Kurzarbeit zu schicken und dann sogar entlassen. Das war ein emotionales Auf und Ab.» Innerhalb von knapp zwei Jahren lernt Maiolino sämtliche HR-Tätigkeiten kennen: «Diese Zeit hat mich stark geprägt und ich habe gelernt, wie wichtig es bei einer Massenentlassung ist, menschlich zu bleiben und die betroffenen Mitarbeitenden bis zum Schluss professionell und emphatisch zu begleiten.»
Nach dieser ersten intensiven HR-Erfahrung wechselt Maiolino Anfang 1993 zum Mode- und Versandhaus Spengler AG in Münchenstein, beginnt als stellvertretender Personalchef und rückt 1994 in die HR-Leiter-Position nach. «Als alleiniger Personalchef war ich damals für 2500 Mitarbeitende zuständig – anfänglich allerdings nur in einer Personaladministrationsfunktion. Maiolino will beim Mode- und Versandhaus die Entwicklung des HR vorantreiben und die Strukturen anpassen. Beispielsweise im Recruiting: «Das wurde an allen Standorten unterschiedlich gehandhabt.» Nach acht Jahren bei Spengler wirbt ihn ein Bekannter ins Inplacement-Geschäft ab. Bei dieser Tätigkeit kommt er in Kontakt mit der Warenhauskette Manor, die ihn ihrerseits umwirbt.
Insgesamt 13 Jahre ist Maiolino für Manor tätig: «Vier Jahre im Warenhaus Basel, zwei Jahre in Genf und sieben Jahre in verschiedenen HR-Funktionen am Hauptsitz in Basel.» Dort führt der engagierte Personaler HR-Teams, ist bei Change-Prozessen dabei, beteiligt sich bei der Einführung von SAP und des Service-Centers und trägt HR-strategische Firmenentscheide mit. «Eine spannende und lehrreiche, aber extrem arbeitsintensive Zeit.» Als es 2010 bei Manor zu Restrukturierungen kommt, werden Antonio Maiolinos Arbeitstage noch intensiver und länger. Der Gesundheit und der Familie zuliebe kündigt er 2013.
Neuausrichtung
Antonio Maiolino orientiert sich 2013 mit 47 Jahren neu. «Weil ich als Ausgleich zu meinem Beruf in meinem Atelier Möbel schreinere und baue, nahm ich die Baubranche ins Visier.» Er klopft beim Baukonzern Implenia an und wird noch im gleichen Jahr HR Business Partner. Fortan kümmert er sich um das Bau-Kaderpersonal der Region Nordwestschweiz, gibt Führungskurse und arbeitet an mehreren HR-Projekten mit. Auch bei Implenia muss Maiolino eine Betriebsschliessung begleiten und Sozialpartnern wie Mitarbeitenden mit Rat und Tat zur Seite stehen. «Diese Vielfalt der Aufgaben hat mir sehr gefallen.» Der engagierte Personaler wäre wohl heute noch bei Implenia, hätte 2018 nicht das Telefon geklingelt und eine Headhunterin ihm die Stelle bei der Oettinger Davidoff AG angeboten. «Als Basler und Zigarrenliebhaber konnte ich nicht Nein sagen.»
kurz und bündig
Raucher oder Nichtraucher?
Ich bin ein Zigarrengeniesser in guter Gesellschaft, der abgesehen davon nicht raucht.
Jäger oder Sammler?
Fliegenfischer. Seit meinem zwanzigsten Lebensjahr fröne ich diesem Hobby und geniesse die ruhigen Stunden an meinem Sehnsuchtsort, dem Flussufer des Doubs im Jura. Die Faszination dafür hat mich bis heute nicht losgelassen.
Fashion oder Tabak?
Ich liebe beides und kann das bei uns im Unternehmen bestens miteinander verbinden.
Einzelgänger oder Teamwork?
Seit jeher Teamwork. Ob im Sport beim Handball oder im Arbeitsalltag. Etwas allein zu tun, macht keinen Spass.
Meine grösste Extravaganz?
Mein Pick-up-Truck. Diesen habe ich mir fürs Fliegenfischen gekauft, aber auch um Holz in mein Atelier zu transportieren, das ich zum Möbelschreinern brauche.
Mitarbeitergesundheit im Fokus
Mittlerweile hat sich Antonio Maiolino beim Zigarrenhersteller eingelebt. «Ich bin angekommen, obschon ich unsere Produktionsstätten in der Dominikanischen Republik und Honduras noch nicht besucht habe.» Das werde er nachholen, sobald das Reisen wieder möglich sei. Denn Corona hält auch das Familienunternehmen und den HR-Chef auf Trab. «Nach einem guten Start ins Jahr 2020 hat die Pandemie das Geschäftsjahr erheblich beeinträchtigt», sagt Maiolino. Dank effektivem Krisenmanagement, einer besseren als erwarteten Geschäftsentwicklung in der zweiten Jahreshälfte sowie einer starken Zunahme im digitalen Kundenengagement konnte Oettinger Davidoff ihre Führungsposition im Premium-Zigarrengeschäft weiter ausbauen und trotz schwieriger Ausgangssituation eine deutliche Erholung herbeiführen.
Als positiv bilanziert der oberste Personaler auch, dass nur wenige Oettinger-Davidoff-Mitarbeitende an Corona erkrankt seien und glücklicherweise ohne schwere Verläufe. «Wir setzten die BAG-Richtlinien auch umgehend in den Produktionsstandorten um und wurden in Honduras für unsere vorbildlichen Schutz- und Hygienemassnahmen gar medial gelobt.» Die Gesundheit der Mitarbeitenden sei vor allem in Lateinamerika ein Thema: «Die medizinische Grundversorgung ist dort keine Selbstverständlichkeit. Deshalb engagiert sich Oettinger Davidoff seit Jahren in diesem Bereich.» Was das bedeutet? «In den beiden Produktionsstätten in Honduras und der Dominikanischen Republik stehen unseren Mitarbeitenden und deren Familienmitgliedern diverse medizinische Dienste zur Verfügung. Zusätzlich übernehmen wir die Arztkosten, wenn dies benötigt wird.»
Gegen den Fachkräftemangel
Die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden liegt Antonio Maiolino wie auch der Unternehmensleitung am Herzen. «In unseren Davidoff Academy Online-Trainings schulen wir die Zigarrenkompetenz unserer Mitarbeitenden und Handelspartner – von der Herstellung und Qualität unserer Premium-Zigarren bis hin zu deren Verkauf.» In den Kompetenzzentren in Honduras und der Dominikanischen Republik werden zudem sogenannte «Master Blender» ausgebildet: «Diese Mitarbeitenden sind massgeblich an der Zigarren-Kreation und der Bestimmung der Tabakmischungen unserer handgemachten Premium-Zigarren beteiligt.»
Auch am Basler Davidoff-Hauptsitz beschäftigt sich Antonio Maiolino intensiv mit der Führungs- und Mitarbeitendenentwicklung: «Ein Unternehmen, das Mitarbeitende intern fördert, muss keine neuen suchen. Das wird je länger je wichtiger, weil sich der Fachkräftemangel zuspitzt.» Beklagen kann sich der oberste Personaler nicht über einen Mitarbeitendenmangel: «Rekrutieren ist in der Zigarrenbranche nicht schwieriger als in anderen Branchen», sagt Maiolino. Vielmehr sei es im heutigen, stark regulierten Umfeld eine Herausforderung, Zigarren regelkonform zu vermarkten und zu vertreiben.
Die Digitalisierung macht auch vor dem HR des Traditionsbetriebs Oettinger Davidoff nicht Halt: «Derzeit implementieren wir am Basler Hauptsitz und in den Schweizer Läden ein effizienteres Zeitmanagement-Tool. «Ein neues Recruiting-Tool ist ebenfalls in Planung.» Damit liessen sich HR-Routinetätigkeiten effizienter gestalten und mehr Zeit in qualitative Aufgaben investieren: Beispielsweise in die Evaluation künftig erforderlicher Skills und Mindsets. Ebenso möchte Maiolino mehr HR-Aufgaben delegieren: «Vom SAP-Anwenderproblem bis hin zu grossen Investitionen läuft noch zu viel über mein Pult. Das soll sich ändern.»
Oettinger Davidoff AG
Die Oettinger Davidoff AG wurde 1875 gegründet und ist bis heute in Familienbesitz. Der Tabakwarenkonzern produziert, vermarktet und vertreibt Premium-Zigarren, Tabakprodukte und Accessoires. Das Unternehmen erwirtschaftet damit jährlich einen Umsatz von über einer halben Milliarde Schweizer Franken und beschäftigt weltweit rund 3100 Mitarbeitende. Daneben vertreibt Oettinger Davidoff in mehreren Ländern als Generalvertretung Marken wie Haribo in der Schweiz. Das Unternehmen ist zudem bekannt für seine Crop-to-shop-Philosophie, durch die alle Arbeitsschritte und Prozesse der gesamten Wertschöpfungskette vom Samen über den Verkauf analysiert, überwacht und so die Qualitätssicherung gewährleistet werden. oettingerdavidoff.com / davidoff.com