Menschlichkeit und knallhartes Business – ohne Spagat geht es nicht
Der Ruf, dass HR-Manager immer mehr vom Geschäft verstehen müssen, ist unüberhörbar laut geworden. Doch bleiben dabei nicht wichtige Fähigkeiten wie Menschenkenntnis und die Sensibilität für die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden auf der Strecke?
Für HR-Manager ist die Fähigkeit, den Charakter oder das Verhalten eines Menschen in kurzer Zeit treffend einschätzen zu können, eine wichtige Kompetenz, nicht nur im Rekrutierungsprozess. Personaler müssen in der Lage sein, das Denken und Handeln von Menschen nicht nur zu beurteilen, sondern im Idealfall auch vorauszusehen und dabei Gefühlsregungen nachzuempfinden und einzuordnen. Eine schwierige Gratwanderung, zumal viele HR Manager zunehmend auf Business getrimmt werden und Empathie oder Intuition eher in den Hintergrund treten (müssen).
Herbert Trefz ist Psychologe und Psychoanalytiker und arbeitet als psychologischer Unternehmensberater in Deutschland und der Schweiz. Er sieht den grössten Bedarf an psychologischen Kenntnissen von HR Managern bei der Durchsetzung und Initiierung von Veränderungsprozessen im Unternehmen. Hier sei besonders Menschenkenntnis erforderlich, denn für Veränderungen im Unternehmen müsse auch der Mitarbeiter sich verändern. In der Regel fällt es schwer, langjährige Verhaltensmuster oder das eigene Rollenbild anzupassen.
Personalentscheider sollten wissen, so Trefz, wie sie die Mitarbeiter ins Boot holen können. Dazu gehöre auch, zu erkennen, wovor die Mitarbeiter Angst haben und was sie davon abhält, neue Wege zu gehen oder diese gar erst einmal zu denken. «Die HR-Leute, die nichts von Psychologie verstehen, werden dann meistens formell, kommen mit Zielen und Prozessen.» Dann fühlten sich die Leute schnell überfordert und kämen eben nicht ins Boot.
Durchmischung in den HR-Abteilungen
«Da sind Fingerspitzengefühl und Empathie seitens der Vorgesetzten, aber auch der Personaler gefragt», ist Trefz überzeugt. «Als Business Partner ist das HR hier nicht in dem Mass mit den nötigen Kenntnissen ausgestattet, wie es wünschenswert wäre», sagt der Psychologe. Gerade weil die Business Partner in erster Linie das Geschäft verstehen müssten – das steht auch für Trefz ausser Zweifel –, gingen andere wichtige Kompetenzen im Umgang mit Menschen unter.
Trotz allem Fokus auf das Geschäft: Ein gewisses Mass an Menschenkenntnis und Bauchgefühl müsse vorhanden sein. Und das habe durchaus nicht jeder und könne auch nicht jeder lernen. «Menschen mit hoher emotionaler Intelligenz bringen in der Regel diese Fähigkeiten in ausgeprägtem Masse mit und sind damit bei Personalentscheidungen sehr erfolgreich.»
Nun müssten also HR-Manager das Geschäft verstehen und auch noch halbe Psychologen sein? «Dieser Spagat ist eigentlich nicht machbar», sagt Trefz, der auch keine Patentlösung im Ärmel hat. Im Idealfall sollten sich HR-Abteilungen zusammensetzen aus knallharten Businesstypen und Menschen, die sensibel sind für menschliche Probleme, meint er. Damit spricht Trefz den Business Partnern das nötige Feeling hierfür zwar nicht pauschal ab, seiner Meinung nach gehe aber beides sehr schlecht zusammen.
Bücher zum Thema
- Ronald May: Die Menschenerkenner. Wie man passende Kandidaten findet und Fehlbesetzungen vermeidet. Business Village, 2011, 220 Seiten, gebunden, CHF 37.90
- Siegfried Augustin, Elisabeth von Hornstein, Nikolas Stihl: Change Management. Ein Wechselspiel von Psychologie und Logistik. Gabler Verlag, 2011, 216 Seiten, Taschenbuch, CHF 49.90
- Petra Gelléri, Carolin Winter (Hrsg.): Potenziale der Personalpsychologie. Hogrefe Verlag, 2011, 400 Seiten, Taschenbuch, CHF 67.00