Serie Lügen: Teil 3

Motive der Lüge

Um ein guter Lügendetektor zu werden, ist es im ersten Schritt ganz wichtig die Hintergründe und Motive hinter der Lüge zu erkennen. Laut wissenschaftlichen Untersuchungen gibt es acht Grundmotive, weshalb wir uns zu Täuschungen und Betrügereien hinreissen lassen. Diesen geht der dritte Teil der Online-Coaching-Serie zum Thema Lügen nach.

Die acht Motive helfen Ihnen, die Lügen Ihres Umfeldes besser zu verstehen und zu durchschauen. Aber auch zur Eigenanalyse sind sie hochspannend, zeigen sie doch die eigenen Defizite auf.

Motiv 1: Sich einen Vorteil verschaffen

Sie kennen das sicher, oder? Um einen neuen Kunden an Land zu ziehen, stapelt man gerne mal hoch, vergisst die Nachteile des eigenen Produkts zu erwähnen, und auch die problematischen Lieferzeiten lässt man galant unter den Tisch fallen. In einem meiner letzten Jobs ging es darum, für meine Kunden die besten Regalplatzierungen zu erzielen, präsent in den Schaufenstern vertreten zu sein und grosse Promotions-Aktionen gemeinsam durchzuführen. Um all das zu erreichen, setzen wir regelmässig «Geschenke» in Form von Designertaschen, Designerkleidung und Schmuck ein oder organisierten gemeinsame Abendessen in hippen, angesagten Restaurants. Ich kann Ihnen sagen: Es wirkte. Auch im Privatleben finden wir unsere Strategien, wenn es darum geht, den Strandurlauber zu einem Abenteuertrip in der Wüste zu überreden. Wann haben Sie zuletzt aus diesem Motiv heraus gelogen?

Motiv 2: Einen Benefit oder eine Belohnung kassieren, die man eigentlich gar nicht verdient hat

Wie häufig haben Sie schon geschwindelt, um etwas zu bekommen, was Ihnen gar nicht zusteht? Die meisten von uns fangen damit bereits im Kindesalter an. Kinder lügen bereits ab 0.5 Jahre und mit spätestens mit vier lügen 90 Prozent der Kinder. Häufigste verbale Lüge: «Ich war das nicht!» In meinem letzten Sommerurlaub war ich mit Freundinnen auf den Balearen unterwegs. In einer feucht-fröhlichen Laune gaben wir in einem Restaurant vor, dass eine von uns Geburtstag hat. Und siehe da, wir genossen VIP-Behandlung, bekamen einen leckeren Geburtstagkuchen, Geburtstagssekt etc. Wahrscheinlich muss ich nicht erwähnen, dass wir die nächsten Tage das Experiment mit viel Erfolg fortführten. Wann haben Sie zuletzt eine Belohnung oder einen Bonus erhalten, der Ihnen eigentlich gar nicht gebührt?

Motiv 3: Sich besser darstellen um die Anerkennung und Bewunderung anderer zu bekommen und einen positiven Eindruck zu hinterlassen

Das ist ein weit verbreitetes Motiv. Allein in Bewerbungsunterlagen und -gesprächen lügen 60 Prozent aller Menschen. Wir bauen Sprachaufenthalte in unseren Lebenslauf ein, obwohl wir in Wahrheit gerade arbeitslos waren oder Burnout bedingt mehrere Monate ausgefallen sind. Verantwortlichkeiten werden gerne geschönt beziehungsweise hochstilisiert. Akademische Grade werden nicht korrekt angegeben oder gar ganz gefälscht. Doch auch bei ersten Dates, bei Gesprächen mit dem neuen Vermieter, bei Käufern, die uns Autos, Häuser etc. abkaufen sollen, werden negative Belange einfach verschwiegen und das Positive aufgebauscht. Wo haben Sie in den letzten Wochen wichtige Dinge verschwiegen oder nur die Hälfte erzählt?

Motiv 4: Macht über andere erhalten

Wussten Sie, dass das aussprechen von regelmässigen Komplimenten Macht darstellt?! Der andere gewöhnt sich an die Komplimente und erhält somit eine Art Pawlowschen Effekt. Es entsteht gewissermassen eine Abhängigkeit. Bleiben die gewohnten Komplimente aus, so ist das Gegenüber perplex und verunsichert.  Auch an der Redewendung «Wissen ist Macht!» ist etwas dran. Wissen zurückzuhalten oder nur die Hälfte zu erzählen, verleiht dem anderen Menschen Macht. Diese Lüge ist sehr manipulativ und zerstörerisch. Wann haben Sie zuletzt Macht über andere ausgeübt oder Informationen bewusst zurückgehalten?

Motiv 5: Angst vor Strafen oder Peinlichkeiten

Eine weitere Motivation für eine Lüge ist die Angst vor Strafe oder Peinlichkeiten, weshalb wir Dinge vertuschen. Ich selbst hatte ein sehr strenges Elternhaus, kleine Vergehen wurden unsachgemäss bestraft. Verspätungen von ein bis zwei Minuten führten beispielsweise zu wochenlangen Hausarresten und Entzug von anderen Freiheiten. Das führte dazu, dass ich als Kind zu einem geübten Lügner wurde. Je öfter Kinder betraft werden, desto mehr greifen sie zur List der Lüge, um sich selbst zu schützen. Oft erzählen wir auch eine Lüge, weil wir die Wahrheit peinlich finden. Ist das Lügen aus Peinlichkeit oder aus Angst vor Strafen Ihr Thema? Lassen Sie auch hier den Tag Revue passieren und hinterfragen Sie sich selbst, warum Sie Angst haben beziehungsweise was das Aussprechen der Wahrheit für Folgen für Sie haben könnte. Wenn Sie feststellen, dass dieses Motiv sehr stark bei Ihnen ist, so versuchen Sie mal vier Wochen lang, einmal am Tag diesbezüglich die Wahrheit zu sagen.

Motiv 6: Andere Menschen schützen

Sehr häufig wird gelogen, um andere Menschen zu schützen. 25 Prozent aller Lügen sind uneigennützig, sie nutzen dem Lügner also selbst nicht viel. Wir nehmen die Schuld auf uns, wenn jemand anders einen Fehler gemacht hat oder geben ein falsches Alibi, um unkorrekte Handlungsweisen zu decken. In meiner letzten Position als Geschäftsführerin einer grossen Parfümeriekette hatte ich einen liebenswerten Aussendienst-Mitarbeiter, den ich als Mensch sehr mochte. Doch leider war er nicht in der Lage, seinen Job mit allen Verantwortlichkeiten zu übernehmen, war schnell überfordert und erledigte stur seine Arbeit, ohne sie zu reflektieren. Ich deckte ihn, übernahm brenzlige Gespräche, sorgte für Umsätze und Personal, räumte hinter ihm auf und hatte immer ein wertschätzendes Wort in der Personalabteilung für ihn. Heute weiss ich, dass mein Weg falsch war! Wie hätte mein Mitarbeiter etwas lernen oder es besser machen können? Ich war wie eine Glucke hinter ihm her, behütete ihn zu sehr, so dass er sich selbst nicht entfalten konnte und seine Fehler überhaupt nicht sah.

Sind Sie ein uneigennütziger Lügner? Wie viele Male haben Sie andere Menschen heute in Schutz genommen? Wie häufig haben Sie heute die Suppe für Ihr Umfeld ausgelöffelt?  Stellen Sie sich die Frage, warum Sie das tun. Haben Sie ein Helfersyndrom? Sind Sie gerne der Buhmann? Ich habe festgestellt, dass Menschen, die immer in Schutz genommen werden, niemals lernen für ihre Taten einzustehen und Verantwortung zu übernehmen. Indem Sie ihn decken, bestärken Sie den Menschen eigentlich in seinen negativen Verhaltensweisen.

Motiv 7: Die eigene Privatsphäre schützen

Jeder Mensch hat seine Themen, seine Probleme, Ängste und Sorgen, doch die meisten von uns entscheiden, diese nur im engsten Umfeld zu diskutieren oder sich dort Hilfestellung zu holen. Stellen Sie sich vor, Sie sind von Ihrem Mann oder Ihrer Frau verlassen worden und dies auch noch, weil er oder sie sich in jemand anderen verliebt hat. Solche Umstände können einen ganz schön aus der Bahn werfen. Wenn Sie jetzt allen Menschen von dem Vertrauensbruch und Ihren Schmerzen erzählen, kann die Geschichte im geschäftlichen Umfeld zu einem Genickbruch führen. Am Anfang hat man Verständnis für Ihre Situation, nimmt Sie in Schutz, irgendwann erfahren Sie nur noch Mitleid und zuletzt wird jede Fehlleistung, die Sie erbringen, dem Umstand geschuldet, dass Sie seit der Trennung einfach nicht mehr der/die Alte sind.

Täglich erleben wir, dass hochrangige Manager vor die Kamera treten und erklären, dass sie aus persönlichen Gründen vom Amt zurücktreten und das, obwohl ihnen nahegelegt wurde, zu gehen. Es scheint uns ein Leichtes zu sein, zu lügen um nicht hinter die Fassade schauen zu lassen. Nirgendwo wird so viel gelogen, wie im beruflichen Kontext. Wann haben Sie zuletzt aus diesem Motiv heraus gelogen? Wann mussten Sie durch eine Lüge Ihre Privatsphäre verteidigen?

Motiv 8: Andere Menschen bewusst schädigen

Die meisten Menschen glauben, dass dies die Lüge aller Lügen sei. Wir täuschen andere Menschen bewusst, um Geld, Materielles oder Liebe zu ergattern. Der Finanzberater, der einen nicht vorhandenen Fond verkauft, der Heiratsschwindler, der Liebe vorgaukelt, der Hausverkäufer, der eine schimmelige Ruine als Traumhaus anpreist oder derjenige, der eine zerrüttete Beziehung vor der Trennung bewahren will, indem er eine schwere Krankheit vortäuscht. Diese Lüge ist sicher die verwerflichste von allen. Wann haben Sie zuletzt einen anderen Menschen auf oben genannte Art getäuscht?

Um Ihr Lügenverhalten etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, habe ich für Sie ein tägliches Lügenprotokoll entwickelt, das Sie jeden Tag mit sich führen oder aber am Abend kurz bearbeiten können. Dieses hilft Ihnen, sich selbst besser zu verstehen, viele Situationen kritisch zu hinterfragen sowie überflüssige Lügen zukünftig zu vermeiden.

Ich wünsche Ihnen wunderbare, spannende und vielseitige Erkenntnisse! Bis nächste Woche!

Herzlichst Ihre  

Tatjana Strobel

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Tatjana Strobel ist Expertin für Körpersprache, Physiognomie und Menschenkenntnis, Bestsellerautorin und Gründerin des Unternehmens «TS HeadWorx». www.tatjanastrobel.ch, www.mesmerize-it.ch

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