Serie Lügen: Teil 2

Warum Menschen lügen

Im zweiten Teil der Online-Coaching-Serie zum Thema Lügen geht es um die Motive und die verschiedenen Arten von Lügen, wie die Selbstlüge und die nonverbale Lüge.

Man kann Lügen grundsätzlich in offensive und defensive Motive einteilen. Bei den offensiven handelt es sich um Lügen, bei denen wir uns besser darstellen, uns anderen gegenüber einen Vorteil verschaffen, Bewunderung und Anerkennung unseres Umfelds erhalten und mit denen wir Macht über andere ausüben. Die defensiven Lügen setzen wir ein, um uns vor Bedrohungen körperlicher oder emotionaler Art zu schützen, um unangenehmen Situationen zu entkommen, unsere Privatsphäre zu schützen. 

Motive der Lüge

Selbstlüge

Grundsätzlich belügen wir uns am meisten selbst. Klassische «Selbstbelügungs-Tage» sind Geburtstage, Silvester, Hochzeits- und Jahrestage. Wir reden uns ein, dass im nächsten Jahr alles besser wird. Weitere Beispiele sind: Wir sind für unser Alter noch top in Schuss (natürlich orientieren wir uns bei unseren Vergleichen gerne an Menschen, mit denen es das Leben nicht ganz so gut gemeint hat). Wenn wir in Rente sind, können wir all das machen, was wir schon immer tun wollten und wir verfügen ganz sicher über die finanzielle Freiheit, die wir nun schon seit Jahren anpeilen. Bei der Wahl des Partners hätte es uns auch schlimmer treffen können. Unser Gewicht ist einer genetischen Veranlagung, natürlich über Generationen hinweg, geschuldet, und Kurven sind eh begehrter. Die eigenen Kinder sind halt nun mal temperamentvoller als andere. Der Körper kann das bisschen Rauchen und Trinken durchaus locker wegstecken, er benötigt ja schliesslich eine Aufgabe. Und die Beförderung des Kollegen auf den Job, mit dem Sie schon seit Jahren liebäugeln, ist aus purer Willkür geschehen. 

Ich könnte die Liste ohne Limit erweitern. Um ehrlich zu sein, finden sich viele meiner Selbstlügen in diese Zeilen… Wahrscheinlich haben Sie sich im ein oder anderen Thema wiedergefunden, oder?

Diese sogenannten Selbstlügen helfen uns, optimistisch in die Zukunft zu schauen und selbstmanipulierend an unserem vermeintlichen Lebensglück zu basteln. Sie helfen uns, Tage, Wochen, Monate besser zu gestalten und zu überstehen, das Leben zu meistern. Bei meinen Selbstversuchen spielte diese Form der Lüge eine grosse Rolle und nahm 20 bis 30 Prozent meiner täglichen Lügendosis ein. Gerade jetzt denke ich, dass mein neues Buch ganz bestimmt grossartig wird und ich das Skript rechtzeitig abliefere… Hoffentlich kein Trugschluss!

Aufgabe 1: Machen Sie den Selbsttest! Wie ist Ihr Lügenverhalten? In welcher Situation und mit welchen Inhalten haben Sie sich heute oder in der Vergangenheit selbst belogen? Notieren Sie sich diese Lügen.

Nonverbale Lügen

An zweiter Stelle nach der Selbstlüge stehen die Lügen, die man ohne Worte über die Lippen bringt, also die nonverbalen. Gerade gestern ertappte ich mich dabei, dass ich beim Einkaufen auf das Nicken und Lächeln eines älteren Herrn reagierte, indem ich ebenfalls meine Mundwinkel kurzzeitig nach oben zog, obwohl ich in keiner Weise an diesem Menschen interessiert war und er mich auch nicht zu einem echten Lachen animierte. Wahrscheinlich wollte ich ihn nicht enttäuschen und machte das Spiel mit.

Ich nenne dies das sogenannte soziale Lachen. Es wird bewusst eingesetzt um a) etwas vorzutäuschen und um b) negative Emotionen zu verbergen bzw. zu kompensieren. Ein soziales Lächeln kommt langsam ins Gesicht, hebt nur leicht die Mundwinkel nach oben, der Mund bleibt dabei nahezu geschlossen. Ein echtes Lachen hingegen huscht schnell und gewaltig ins Gesicht, zieht sich bis zu den Augen. Diese werden durch den Orbicolaris Oculi, den Augenringmuskel, zusammengezogen, der Mund ist weit geöffnet und die Lachgeräusche kommen stimmgewaltig zum Ausbruch.

Auch im Körper gibt es sichtbare Veränderungen, sobald ein echtes Lachen sich zeigt. Der Oberkörper wird stabilisiert, damit wir den Auswirkungen der Bewegung des Zwerchfells gerecht werden können. Die Unterkörperspannung lässt hingegen nach, was die Ursache dafür ist, dass man ab und an eine kleine Blasenschwäche beim Lachen verspürt und etwas daneben gehen kann. Das soziale Lächeln begegnet mir auch ganz häufig bei meinen Waldgängen. In einem solch abgelegenen Gebiet gehen Soziologen davon aus, dass wir dieses Lächeln einem anderen Menschen schenken um zu symbolisieren: Ich bin Dein Freund, ich tue Dir nichts!

Wenn wir einen Witz hören, den wir nicht lustig finden, was wir aber nicht zugeben wollen, kommt das soziale Lächeln auch zum Zug. Ebenso wie bei gestellten Bildern. Zudem kompensieren wir alle negativen Gefühle mit dem sozialen Lächeln.

Aufgabe 2: Lassen Sie den Tag Revue passieren und notieren Sie sich alle Momente, in denen Sie heute nonverbal geschummelt oder Ihre wahren Gefühle versteckt haben.

Die «höher-schneller-weiter»-Lügen

Sich besser darstellen (höher, schneller, weiter, grösser) ist ein gängiges Lügenmotiv, um uns besser und charismatischer erscheinen zu lassen, um die Bewunderung anderer zu erlangen. Wir «verschönern» unsere Lebensläufe in Bewerbungen, machen uns in ersten Kennenlerngesprächen durch Ausschmückungen und Hinweise auf besondere Leistungen interessanter und begehrenswerter.

Für eine Wissenssendung im deutschen Fernsehen durfte ich vor ein paar Wochen ein erstes Date mit der versteckten Kamera begleiten. Der Mann war nicht eingeweiht und so wurden wir Zeugen von unzähligen «höher-weiter-schneller»-Lügen, um der jungen Frau zu gefallen und einen nachhaltigen Eindruck zu vermitteln. Er log bei seinem Lebenslauf, bei der Anzahl seiner Bettgespielinnen, bei von ihr favorisierten Freizeitgestaltungen, Lieblingsessen und Getränken, seiner Liebe für Chihuahua usw.

Wir fanden in diesem Gespräch von eineinhalb Stunden mindestens 30 Hinweise auf Lügen, übrigens auf beiden Seiten … Darauf angesprochen gab der junge Mann seine Verfehlungen etwas beschämt zu, versicherte aber, dass es ihm nur darum ging das Herz der jungen Dame zu erobern.

Aufgabe 3: Bei welchen Geschichten, Darstellungen haben Sie sich in der Vergangenheit und heute besser, schöner, schneller, grösser, weiter gemacht? Notieren Sie sich diese und hinterfragen Sie, warum es Ihnen wichtig war, sich in dieser Situation besser darzustellen?

Das «höher-schneller-weiter»-Phänomen konnte ich lange Zeit auch bei mir sehr stark beobachten. Ich habe die Situationen hinterfragt und auf den Prüfstand gestellt, mit dem Ergebnis, dass es sich bei diesen Situationen immer um Minderwertigkeitskomplexe anderen Menschen/Situationen gegenüber handelte. Ich habe in den letzten Jahren sehr stark an mir gearbeitet, bin mir heute meiner Stärken und Schwächen sehr gut bewusst, so dass diese Form der Lüge lange nicht mehr so ausgeprägt bei mir ist. 

Wie könnten Sie diese «höher-schneller-weiter»-Lügen verringern? Notieren Sie sich zwei bis drei Gegenmassnahmen.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Woche mit den neuen Erkenntnissen und Beobachtungen!

Herzlichst

Tatjana Strobel

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Tatjana Strobel ist Expertin für Körpersprache, Physiognomie und Menschenkenntnis, Bestsellerautorin und Gründerin des Unternehmens «TS HeadWorx». www.tatjanastrobel.ch, www.mesmerize-it.ch

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