HR Today Nr. 3/2021: Praxis – Personalkommissionen

Nägel mit Köpfen machen

In Unternehmen mit Personalkommissionen treffen häufig unterschiedliche Ansichten aufeinander. Davor schreckt Generali Schweiz jedoch nicht zurück. Erst kürzlich hat das Unternehmen dafür zu Mitarbeiterwahlen aufgerufen. Personalchef Jean-Pierre Schmid im Gespräch.

Hand aufs Herz: Wollten Sie schon immer eine Arbeitnehmervertretung?

Jean-Pierre Schmid: Ganz ehrlich? Ich war zu Beginn eher skeptisch. Nicht, weil ich den Sinn einer Arbeitnehmervertretung (ANV) nicht erkannt hätte. Vielmehr, weil mir bewusst war, dass diese nur dann funktioniert, wenn sie den Austausch mit der Geschäftsleitung pflegt und die Vertretung der Mitarbeitenden aktiv gelebt wird. Das bedeutet ein zusätzliches Engagement: Zeit, die angeblich nicht vorhanden ist. Trotz dieser Herausforderungen kam es für uns nicht in Frage, die Wahl der ANV auf die lange Bank zu schieben. Von der ersten Anfrage bis zur Wahl der Mitarbeitenden in die ANV sind deshalb nur zwei Monate vergangen. Wir haben uns während des ganzen Prozesses zudem extern beraten lassen. Das war für die erfolgreiche Umsetzung entscheidend.

Der Anstoss zu den ANV-Wahlen kam vom HR. Weshalb?

In der Versicherungsbranche sind Hierarchien immer noch verbreitet. Viele Versicherer halten an Altbewährtem fest. Bei Generali sehen wir unsere Zukunft aber anders. Wir befinden uns inmitten eines Kulturwandels und haben schon vor längerer Zeit damit begonnen, unsere Mitarbeitenden in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, Verantwortung zu übertragen und ihr Mitwirken auszubauen. Der Schritt zu einer formell gewählten ANV schien uns daher nur logisch.

Wie muss man sich das Wahlprozedere vorstellen?

Wir wollten keinen Ablauf vorgeben, sondern unsere Mitarbeitenden einbeziehen und mitgestalten lassen. Nominieren lassen konnten sich alle volljährigen und in ungekündigtem Arbeitsverhältnis stehenden Mitarbeitenden. Ausgenommen waren HR- und Direktionsmitglieder, da sie eine arbeitgebernahe Funktion haben.

Wie sind Sie vorgegangen?

Zunächst haben wir seitens der Geschäfts­leitung unsere Mitarbeitenden gefragt, ob sie an einer Arbeitnehmervertretung interessiert seien. Das ist ein etwas ungewöhnliches Vorgehen, weil dieser Wunsch meist von den Mitarbeitenden kommt. Nachdem sich 80 Prozent der Mitarbeitenden anlässlich einer Befragung aber positiv zur Arbeitnehmervertretung geäussert hatten, machten wir Nägel mit Köpfen und bildeten mit vierzig freiwillig mitarbeitenden Kolleginnen und Kollegen ein sogenanntes «Sounding-Board». Mit diesem haben wir das Reglement und das weitere Vorgehen zur Wahl der Arbeitnehmervertretung besprochen.

Eine zusätzlich eingesetzte Wahlkommission führte anschliessend durch das Wahlprozedere. Dazu definierte diese fünf Wahlkreise, welche die Funktionen unseres Innen- und Aussendienstes abbildeten und die geografischen Regionen der Schweiz repräsentierten. Insgesamt waren neun Sitze zu vergeben. Danach riefen wir zur Kandidatur auf. Wer Interesse zeigte, konnte sich aufstellen lassen. Die Wahlkommission hat die Kandidaturen anschliessend formell geprüft und die Kandidatinnen und Kandidaten aufgefordert, sich im Intranet vorzustellen. Bei der Wahleröffnung konnten unsere Mitarbeitenden die zur Wahl Stehenden online kennen lernen. Das war hilfreich, weil wir seit November 2020 im Homeoffice arbeiten und eine physische Präsenz deshalb nicht möglich war. Die Wahlbeteiligung bei der Erstaufstellung der ANV betrug je nach Wahlkreis bis zu 50 Prozent. Damit ist die ANV mehr als legitimiert, alle Mitarbeitenden zu vertreten.

Welche Aufgaben warten auf Frisch­gewählte?

Die Arbeitswelt steht vor einem grossen Wandel, nicht zuletzt durch die Covid-19-Pandemie. Deshalb ist die Kulturentwicklung ein Schwerpunkt der ANV. Derzeit beschäftigt sich diese vor allem mit der Arbeit im Homeoffice und der Zusammenarbeit während der Pandemie – daneben aber auch mit Bogenkarrieren, Reskilling/Upskilling und New Work.

Wie gross sind der Einfluss und die Macht der ­Arbeitnehmervertretung?

Das hängt in erster Linie davon ab, welche Akzeptanz die ANV bei den Kolleginnen und Kollegen erreicht. Uns ist wichtig, eine selbst- und verantwortungsbewusste ANV zu haben. Einen Machtverlust befürchten wir nicht. Durch die ANV hat die Gemeinschaftsverantwortung zudem bei Generali zugenommen. Deshalb glauben wir auch, dass diese der Geschäftsleitung auf Augenhöhe begegnen und die Interessen der Mitarbeitenden sachlich und engagiert vertreten wird. Ihr Erfolg wird sich an den Ergebnissen ihrer Interessensvertretung bemessen, nicht an der Lautstärke.

Welche Funktion hat die ANV in Ihrem ­Unternehmen?

Im Moment fokussieren wir uns gemäss Gesetz auf die klassischen Mitwirkungsrechte, wie die Konsultation bei wichtigen Unternehmensveränderungen. Wir unterstehen jedoch keinem Branchen- und Firmen-GAV. Daher ist die Arbeitnehmervertretung bei Generali nicht verantwortlich für die Lohnverhandlungen. Ähnlich wie beim Wahlprozedere wollten wir bei der Funktion und Kompetenz der ANV nicht alles in Stein meisseln. Zu Beginn wird die ANV deshalb eruieren, in welcher Form sie mitwirken kann. Diese Bereiche werden schliesslich in einem gemeinsamen Beschluss zwischen Geschäftsleitung und ANV festgelegt.

Wie oft treffen sich die Personalkommissionsmitglieder?

Das kann die ANV selber bestimmen, dies hängt aber auch von den anstehenden Sachgeschäften ab. Wie die ANV-Mitglieder ihre Arbeit miteinander und untereinander regeln, ist jedoch ihre Sache. Besonders freut mich aber, dass unsere erste ANV mit zwei Frauen als Vorsitzende startet.

Zur Person

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Jean-Pierre Schmid ist seit 1995 bei Generali Schweiz tätig, seit Januar 2012 als Chief Customer Services & Human Resources Officer. Er lebt zusammen mit seiner Frau und den drei Töchtern in Zürich.

 

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Chefredaktorin, HR Today. cp@hrtoday.ch

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