Neue Wege zur Bindung von Know-how-Trägern im KMU
Mittelständische Unternehmen sind vom Fachkräftemangel stark betroffen. Im Kampf um Nachwuchskräfte haben sie gegenüber multinationalen Konzernen meist das Nachsehen. Am Beispiel der Unic AG werden innovative Wege zur Sicherung von Know-how-Trägern im KMU-Umfeld aufgezeigt.
Was können Unternehmen und im Speziellen KMU tun, um ihre Know-how-Träger wirksamer an sich zu binden? Diese Frage verfolgt das an der Berner Fachhochschule (BFH) angesiedelte KTI-Forschungsprojekt MAPCA (Managing Professionals’ Careers). In Zusammenarbeit mit betrieblichen Praxispartnern werden innovative Ansätze zur Bindung und Karriereentwicklung von Know-how-Trägern erarbeitet und auf Unternehmensebene implementiert.
Die drei Karrieretypen im IT-KMU-Umfeld
Die Unic AG als ein an MAPCA beteiligtes Unternehmen ist ein seit Jahren dynamisch wachsender mittelständischer Internetdienstleister im E-Business. Über Interviews mit Führungskräften und Mitarbeitenden der Unic AG konnten wertvolle Erkenntnisse über die Ursachen der ausgeprägten Frühfluktuation betrieblicher Know-how-Träger gewonnen werden. Es zeigte sich, dass der existierende Karriereweg – die klassische Führungskarriere – für die meisten Know-how-Träger nicht attraktiv ist und insgesamt zwischen drei Karrieretypen im IT-KMU-Umfeld unterschieden werden kann:
1) «Entwicklungsorientierte Professionals» suchen fachlich herausfordernde Aufgaben und Projekte, über die sie ihre analytisch-problemlösenden und kreativen Kompetenzen weiterentwickeln können. Langfristig streben sie eine betriebliche wie in Fachcommunities anerkannte Expertenrolle an. Über eine Fachkarriere sowie Innovationsprojekte können diese Professionals länger im Unternehmen gehalten werden.
2) «Beitragsorientierte Professionals» sind aufgrund ihres Spezialistenwissens und ihrer hohen Flexibilitätsbereitschaft das Rückgrat eines KMU. Sie erwarten im Gegenzug, dass ihre fachlichen Leistungen von den Führungskräften in spürbarer Weise wahrgenommen und wertgeschätzt werden.
3) «Unternehmerische Professionals» ziehen aus der Möglichkeit, im Karriereverlauf immer wieder in neue Rollen zu schlüpfen und sich damit ein Stück weit neu zu erfinden, hohe innere Befriedigung. Aufgaben mit Marktnähe, quasi-unternehmerischen Entscheidungsspielräumen und Möglichkeiten zur Erweiterung des individuellen Karriereportfolios liefern die Basis für Arbeitszufriedenheit und Personalbindung.
Drei-Säulen-Modell der Personalbindung
Ein aus Mitgliedern der Unic AG und des BFH-Forschungsteams gebildetes Projektteam erarbeitete daraufhin ein an den Analyseergebnissen ansetzendes Modell der Personalbindung, das sich aus drei Säulen zusammensetzt: Die erste Säule bildet ein unternehmensweit gültiges Rollen- und Kompetenzmodell für wissensintensive Jobfamilien. Als Zweites wurden mögliche horizontale und vertikale Entwicklungswege im Rahmen einer Fach- und Portfoliokarriere identifiziert und mit dem Rollen- und Kompetenzmodell verknüpft. Die dritte Säule bildet schliesslich ein auf die Bedürfnisse der Karrieretypen abgestimmter Anreizkatalog (Incentive Kit).
Aus dem Fallbeispiel lassen sich zwei Empfehlungen für die Personalbindung und Nachwuchssicherung im KMU ableiten:
1. Mittelständische Unternehmen können Fach- und Portfoliokarrieren anbieten, um den Professionals mittel- bis längerfristig attraktive Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen und sie somit an das Unternehmen zu binden. Entsprechende Karrierepfade und damit verknüpfte Kriterien des Auf- und Umstiegs sollten für Vorgesetzte wie Mitarbeitende transparent sein.
2. Nicht alle Fachkräfte sind explizit karriereorientiert. Herausfordernde Arbeitsaufgaben, das Gefühl, wertgeschätzt zu werden, wie auch ein offener Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden «auf Augenhöhe» tragen zur Motivation und Bindung dieser Leistungsträger bei.
Das Thema der Nachwuchssicherung ist auch Gegenstand einer aktuellen Umfrage der Berner Fachhochschule (siehe Studie).
Studie
Grosse schweizweite Befragung der Berner Fachhochschule und von HR Today zum Thema «Kompetenzen und Erwartungen junger Mitarbeitender aus Unternehmenssicht».
Demografischer Wandel, Fachkräftemangel, wissensintensive Produktionen und der dynamische Markt stellen ausreichende Gründe dar, sich mit der nachrückenden Generation zu befassen. Was glauben wir, über diese Generation zu wissen? Wie gut kennen wir sie? Und darauf aufbauend: Was tun wir, um diese Zielgruppe zu entwickeln und zu binden? Verfügen wir über die richtigen Konzepte und Instrumente? Ziel dieser Befragung ist, eine für die Schweiz aussagefähige Grundlage zu erhalten, um das Potenzial dieser Generation in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit unserer Unternehmen zu fördern und zu nutzen.
Eingeladen, an dieser Befragung teilzunehmen, sind Geschäftsleitungsmitglieder, Führungskräfte sowie HR-Verantwortliche (Dauer ca. 15 Minuten). Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen erhalten einen exklusiven Ergebnisbericht.
Link zur Befragung: www.wirtschaft.bfh.ch/HR-Studie