HR Today Hr. 10/2019: Debatte

Nichtraucher vs. Raucher

Rauchen ist wieder ein Thema. So ist kürzlich die Studie «Krankheitslast des Tabakkonsums» erschienen, in der letzten Session hat der Ständerat über das Tabakgesetz entschieden und in Stellenanzeigen wird inzwischen nach «Nichtrauchern» gesucht. Doch ist das richtig?

Monica Rehm: «Mitarbeitende, die nicht rauchen, machen während der Arbeitszeit keine Rauchpausen und sind dadurch produktiver.»

Wer raucht, lebt kürzer. Im Schnitt verringert sich die Lebenserwartung von rauchenden Menschen um 14 Jahre. Rauchen verursacht der Gesellschaft jährlich Kosten von fast zwei Milliarden Franken; erzeugt durch Tabakkonsum verursachte Erkrankungen und Todesfälle sowie damit verbundene Produktionsausfälle.

Immer mehr Arbeitgebende schreiben deshalb ihre Stellen bevorzugt für Nichtrauchende aus. Dieser Passus scheint für Rauchende eine Diskriminierung zu sein. Aus Sicht der Nichtrauchenden ist er es jedoch nicht. Denn Mitarbeitende, die nicht rauchen, machen während der Arbeitszeit keine Rauchpausen und sind dadurch produktiver. Sie verursachen somit keine Produktionsausfälle. So ist es nur verständlich, dass immer mehr Arbeitgebende nichtrauchende Mitarbeitende bevorzugen.

Betrachten wir das Ganze noch von einer anderen Seite: Der Tabakkonsum durch die Rauchenden entlastet die AHV und die Pensionskassen. Denn wer raucht, lebt kürzer. Sowohl die AHV als auch die Pensionskassen müssen folglich ihre Renten weniger lang ausbezahlen. Und die Arbeitgebenden müssen ihren Teil der Beiträge an die AHV und Pensionskassen ebenfalls weniger lang bezahlen. Das so zu lesen, ist starker Tobak! Zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise gehört aber auch dieser Blickwinkel.

Es ist nun mal so, dass Rauchende zwar enorme Gesundheitskosten verursachen, aber die Vorsorgekassen und die Arbeitgebenden durch ihren früheren Tod auch erheblich entlasten. Im englischen Sprachgebrauch gibt es für Ersparnisse, die durch ein frühzeitiges Ableben erfolgen, sogar einen Begriff: «death benefit». Bedeutet sinngemäss «Mehrwert durch Tod». Bei uns ist die Rede hingegen von «Langlebigkeitsrisiko».

Wer raucht, verkürzt in der Tat sein Leben. Das haben zahlreiche Studien bewiesen. Es gibt kaum noch jemanden, der oder die nicht direkt oder indirekt mit dem Tod durch Rauchen konfrontiert ist. Ich selbst war davon betroffen. Mein Lieblingsmensch starb vor einigen Jahren an einem Hirntumor, verursacht durch Lungenkrebs, der wiederum durch das Rauchen begüns­tigt wurde. Ich hatte lange an diesem Verlust zu nagen. Heute bin ich dafür sogar dankbar. Denn ich rauchte bis kurz nach seinem Tod bis zu zwei Päckchen am Tag! Danach hörte ich von einem Tag auf den anderen damit auf. Seitdem habe ich keine einzige Zigarette mehr angerührt.

Hypnose hat mein Leben nachhaltig verändert. So habe ich beschlossen, mein Leben noch viele Jahre rauchfrei zu geniessen. Wie dumm für die Vorsorgekassen, dass ich nun ein Mensch mit erhöhtem «Langlebigkeitsrisiko» bin.

Tatjana Strobel: «Eine Welt ohne Kompensation möchte ich mir gar nicht vorstellen. Ich kenne niemanden, der frei von Süchten ist.»

Die Idee, Mitarbeitende aufgrund ihres Rauchverhaltens zu verurteilen oder zu benachteiligen, ist für mich nicht tragbar. Auch wenn ich Nichtraucherin bin, greifen mir diese Aktionen zu sehr in die Persönlichkeit eines Mitarbeitenden ein. Was hat Befähigung mit Suchtverhalten zu tun?

Die Abwertung von Rauchern könnte dazu führen, dass man nicht aus einem Pool kompetenter Bewerbender aussuchen kann, da Raucher sich diskriminiert fühlen und keine Bewerbungen mehr senden. Eine andere Auswirkung könnte sein, dass das Arbeitsverhältnis bereits mit einer Lüge beginnt, da man das Rauchen einfach verheimlicht. Ist es das, was angestrebt wird? Heimlichkeit, Lüge, Diskriminierung?

Es fühlt sich so an, als wolle man sich eine perfekte Mannschaft ohne Makel heranziehen. Eine Crew, die ihre gesamte Aufmerksamkeit der Arbeit und dem Wohl der Firma widmet. Warum hat man sich das Rauchen aus all den Süchten herausgepickt? Was ist mit dem übermässigen Konsum von Medikamenten, Drogen, Alkohol, Süssigkeiten oder anderen Nahrungsmitteln? Warum wird hier nicht mit gleicher Elle gemessen? Handelt es sich doch bei allem um Ersatzbefriedigungen, die etwas Fehlendes im Leben übertünchen. Rauchen ist am Ende eine Kompensationshandlung, es ersetzt etwas, was im Leben des Rauchers fehlt.

Bereits 10 Sekunden nach dem ersten Rauchzug, reagiert das Gehirn. Mitten im Stress fühlt sich ein Raucher entspannt, entstresst. Er belohnt sich also mit jeder Zigarette, reduziert Nervosität, Unruhe und Reizbarkeit. Viele meiner Klienten gönnen sich mit dem Rauchen Pausen, die sie sich sonst nicht nehmen würden, und lassen aufsteigende Aggressivität sowie Nervosität abflachen.

Genau die gleiche Wirkung haben der Süssigkeitenverbrauch, das «Einwerfen» von Angstblockern sowie der Ritalin-, Alkohol- oder Drogenkonsum. Das Gehirn des Konsumenten entspannt sich und die Arbeit kann danach fokussierter vollbracht werden. Der Konsum der genannten Stimulanzien bekommt der Arbeitgeber im Idealfall gar nicht mit. Wie möchte man denn mit diesen Dingen umgehen und wie sicherstellen, dass der Mitarbeiter suchtfrei ist?

Eine Welt ohne diese Kompensationen möchte ich mir gar nicht vorstellen. Ich kenne niemanden, der frei von Süchten ist. Sie helfen uns, das Leben zu überleben. Am Ende hat jeder Mensch eine Selbstverantwortung. Er oder sie entscheidet, was richtig und was falsch ist. Solange die Arbeitsleistung stimmt, gibt es vonseiten des Arbeitgebenden keine Berechtigung, in die Persönlichkeit des Menschen einzugreifen.

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Tatjana Strobel ist Expertin für Körpersprache, Physiognomie und Menschenkenntnis, Bestsellerautorin und Gründerin des Unternehmens «TS HeadWorx». www.tatjanastrobel.ch, www.mesmerize-it.ch

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Monica Rehm ist Mentaltrainerin und Hypnosetherapeutin. Sie hat angewandte Arbeits- und Organisationspsychologie studiert und war viele Jahren in Führungspositionen tätig. Seit über 30 Jahren liegt ihr am Herzen, Menschen auf ihrem «Befreiungsweg» zu innerer Freiheit zu verhelfen.

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