Ohne Sicherheitspass kein Temporärjob
Die Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit EKAS startete 2007 ein Projekt zur Unfallprävention im Personalverleih. Die dabei entstandenen Hilfsmittel fliessen allmählich in die Arbeitswelt ein.
Unfallprävention in Bildpaaren (links das falsche, rechts das richtige Verhalten): Suchtmittel am Arbeitsplatz.
Seit 2010 sind drei Instrumente im Einsatz, um Unfällen in der Temporärarbeit vorzubeugen: Das Anforderungsprofil (ein digitales Formular im Umfang eines A4-Blattes) ermöglicht es den Einsatzbetrieben, genau zu definieren, welche Berufserfahrungen, Arbeitssicherheitskenntnisse und welche Schutzausrüs-tung der entsprechende Temporärmitarbeiter braucht. Das Qualifikationsprofil führen die Verleihbetriebe, um einen schnellen Überblick zu haben, über welche sicherheitsrelevanten Kenntnisse und Ausbildungen ein temporärer Mitarbeiter verfügt. Der Sicherheitspass schliesslich gehört dem Temporärarbeiter und weist dessen Kurse punkto Arbeitssicherheit aus (siehe auch HR Today 12/09).
Die Hilfsmittel sind Teil eines Präven--tionsprojektes im Bereich Personalverleih, welches die Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit EKAS gemeinsam mit weiteren Akteuren seit 2007 umsetzt.
Einer der grossen Vorteile des Anforderungs- und Qualifikationsprofils ist, dass diverse branchen- und berufsspezifische Sicher-heits(ausbildungs)dokumente im Internet damit verlinkt sind. Zuerst für die Baubranche entwickelt, sind neu die Berufsfelder Polymechanik, Anlage- und Apparatebau, Metallbau sowie Transport/Logistik hinzugekommen, und weitere sollen folgen.
Über 50 000 Pässe in 1,5 Jahren
Wie steht es um die Verbreitung und den Erfolg der drei Hilfsmittel? Eine klare Bilanz lässt sich beim Sicherheitspass ziehen: «Zwischen 1. Januar 2010 und 30. Juni 2011 wurde nur schon die deutschsprachige Version 52 302 Mal bestellt», sagt Erich Janutin, stellvertretender Geschäftsführer der EKAS. Positiv tönt es auch aus der Praxis: «Der Sicherheitspass ist bei unseren Kunden im Baugewerbe zentral für die Qualitätskontrolle», sagt Urs Burgunder, Director Human Resources bei Kelly Services (Suisse) SA. «Alle temporären Arbeitskräfte, die wir in diesen Sektor vermitteln, werden mit dem Pass ausgerüstet.» Mit dem Pass lasse sich beweisen, dass der temporäre Mitarbeitende über eine angemessene Sicherheitsausbildung verfüge. Urs Burgunder plädiert deshalb dafür, dass der Pass Standard sein sollte.
Tatsächlich gibt es inzwischen schon Kunden, die nur noch temporäre Mitarbeiter mit Sicherheitspass akzeptieren. Das Bauunternehmen Implenia ist unter ihnen. «Wir verlangen in den Verträgen mit den Verleihbetrieben eine Sicherheitsausbildung», sagt Thomas Wyss, Leiter Arbeitssicherheit/Gesundheitsschutz. «Und diese muss im Pass oder in einem gleichwertigen Papier dokumentiert sein.» Dies sei für alle beteiligten Parteien von Vorteil. «Natürlich ist der Aufwand etwas grösser, was einzelne Verleihfirmen belastet, entsprechend ist eine sorgfältige Auswahl der Partnerfirmen wichtig.»
Laut Urs Burgunder ist der Zusatzaufwand nicht gross. Und je länger die Sicherheitspässe in Umlauf sein werden, desto grösser die Chance, dass die Ausbildungen schon vorhanden sind – möglicherweise sogar von der Konkurrenz durchgeführt. «Die Sicherheitsausbildungen sind nicht nur im Interesse der temporären Mitarbeiter, es können durch vermiedene Unfälle auch Kosten gespart werden», so Burgunder.
Schwierige Umsetzung bei Profilen
Zu Anforderungs- und Qualifikationsprofil gibt es keine Zahlen, die Verbreitung dürfte allerdings niedriger sein als jene des Sicherheitspasses. Myra Fischer-Rosinger von swissstaffing, dem Verband der Personaldienstleister der Schweiz, streicht die Vorteile hervor: «Wenn der Einsatzbetrieb das Anforderungsprofil ausfüllt, muss er sich automatisch auch überlegen, welche Kompetenzen die angeforderte Person wirklich braucht. Das wird sonst nämlich oft etwas unpräzise gemacht, dadurch wird nicht die optimal passende Person vermittelt – und so kann es vermehrt zu Unfällen kommen.» Auch würden die Profile die Kommunikation zwischen Verleiher und Einsatzbetrieb vereinfachen. Es sei dann ganz klar, ob der Verleiher oder der Einsatzbetrieb für die Ausrüstung sorge, und es würde nicht plötzlich ein Bauarbeiter ohne Helm dastehen.
Fischer-Rosinger weiss allerdings auch, dass es mit den Formularen in der Praxis nicht immer einfach ist, bei grösseren Unternehmen seien die gewohnten Arbeitsabläufe nicht so schnell zu durchbrechen. «Die Formulare sind gut gemeint, aber nicht praxis-tauglich», tönt es denn auch von Urs Burgunder. «Diese Dinge laufen telefonisch ab, denn auf der Baustelle ist oft kein Laptop vorhanden.» Auch Thomas Wyss bezeichnet die Umsetzung als schwierig: An der Front würden die Papiere als mühsam empfunden, auch wenn sie aus der Sicherheitsperspektive durchaus sinnvoll seien. Immerhin: «Die Sicherheitsunterlagen, die mit den Profilen verlinkt sind, zum Beispiel von der Suva, sind hervorragend. Hier besteht eine Holschuld des Verleihers», so Burgunder.
Unfallzahlen trotz Krise stabil
Laut Erich Janutin haben auf dem Bau allerdings schon die ersten Poliere ein Notebook: «Man muss dem Projekt ein wenig Zeit geben.» Dass auch Arbeitgeber und Gewerkschaften anfragen, ob sie ihre eigenen Dokumente für Festangestellte an die beiden Profile anlehnen dürften, zeige deren Nutzen.
Die Frage, wieweit mit den drei Hilfsmitteln effektiv Unfälle vermieden werden können, lässt sich noch nicht schlüssig beantworten. Die Tatsache allerdings, dass die Unfallzahlen im Temporärbereich in den letzten Jahren gesunken und seit 2008 stabil geblieben seien (2008: 179 Berufsunfälle pro 1000 vollzeitäquivalente Temporärarbeitende; 2010: 182), zeige, dass die umfassenden bisherigen Anstrengungen seitens EKAS sich positiv auswirkten, führt Janutin aus. Denn: «Geht es der Wirtschaft schlecht, so gibt es weniger Sicherheitsausbildungen und Instruktionen und somit mehr Unfälle. Trotz Krise konnten die Zahlen aber auf dem Niveau von 2008 gehalten werden.»
Service
Informationen zum Projekt: www.ekas.admin.ch > Personalverleih – Temporärarbeit
Die drei Hilfsmittel Anforderungsprofil, Qualifikationsprofil und Sicherheitspass (EKAS-Nummer 6060): www.ekas.admin.ch > Personalverleih – Temporärarbeit > Hilfsmittel
Infos bezüglich Schulungen der drei Hilfsmittel: info@swissstaffing.ch
Wissenschaftliche Analyse «Unfallrisiken und Schadenverlauf im Personalverleih»: www.ekas.admin.ch > Personalverleih – Temporärarbeit > Analyse – Bericht