OKR: So plant man in Post-Corona-Zeiten
Herkömmliche Zielfindungsmethoden und tradierte Planungsprozesse verhindern Fortschritt und Agilität. OKR ist ein Ausweg aus diesem Dilemma. Das Tool ist für die Strategie-Arbeit des HR-Bereichs hochrelevant, um das Unternehmen zu dynamisieren – und damit fit für jede erdenkliche Zukunft zu machen.
OKRs machen Unternehmen flexibel und zukunftsfit. (Bild: iStock)
Die Covid-19-Pandemie hat in nahezu allen Unternehmen die komplette Jahresplanung ad absurdum geführt. Auch in den kommenden Jahren ist damit zu rechnen, dass disruptive Ereignisse ökonomischer, ökologischer oder anderer Art längerfristig vorgedachte Ziele durcheinanderwirbeln. Das Verfolgen von Planvorgaben und «Dienst nach Vorschrift» sind das letzte, was in diesem Fall hilft. Und doch zeichnet sich bereits jetzt ab, dass grössere Organisationen – so, als ob nichts gewesen wäre – diesen Herbst wieder in eine Art Starre verfallen: Die aufwändige Budgetierungsphase steht an. In penibler Feinabstimmung werden unternehmensweite Zielvorgaben für das kommende Geschäftsjahr erstellt und dann auf Quartale, Monate, Bereiche, Teams und Einzelpersonen verteilt.
Das genaue Erreichen dieser Vorgaben – notabene meist reine Ratespiele – wird am Ende bonifiziert. Ein Vorgehen, das irre viel kostet, irre viel Zeit verschlingt, Geld in falsche Kanäle lenkt, Lug und Trug unterstützt, neue Ideen unterdrückt und darüber hinaus ineffizient ist und keinerlei Wertschöpfung generiert. Denn sind Ziele und Pläne rein effizienzgetrieben, von oben verordnet und nur pro forma mit den Mitarbeitenden abgestimmt, dann fehlt oft die innere Anteilnahme, das Herzblut, der Feuereifer und die Leidenschaft für eine Sache. Im Abarbeitungsmodus wird das, was zu tun ist, «at target, on budget, in time» erledigt – nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Gift für Innovation
Wer bei Evaluierungen punktet und bonifizierte Anerkennung dafür erhält, dass er vorgezeichneten Verfahrensweisen akribisch folgt, wird sich niemals an Neues wagen. So sind Einzelziele, ausufernde Kontrollmassnahmen, die permanenten Reviews und der damit einhergehende Kennzahlenkult eine geradezu toxische Umgebung für notwendige Innovationen. Das ganze Drumherum eines traditionellen Planungs- und Zielvereinbarungsprozesses, das in klassischen Unternehmen Wochen und Monate dauert, lässt sich mithilfe von OKRs in wenigen Stunden erledigen. Die damit einhergehende Zeit- und Kostenersparnis kann dazu genutzt werden, echten Wert für das Unternehmen zu schaffen.
OKR steht für «Objectives & Key Results». Ursprünglich vom Intel-Mitbegründer Andy Grove entwickelt, eignet sich die Methode für alle Unternehmensgrössen und in jeder Branche. OKR ist kein strenger formaler Prozess, sondern in situativ einsetzbares Steuerungsinstrument, das Kollaboration über alle Abteilungsgrenzen hinweg erzeugt. Die Methode macht es möglich, dass man sich einfach, flexibel und in kürzester Zeit auf jede erdenkliche Zukunft einstellen kann. Selbst innerhalb eines Zyklus sind Überarbeitungen jederzeit möglich.
So werden Objectives und Key Results definiert
Im Gegensatz zu den einjährigen Zielsetzungs- und Planungsperioden, werden OKRs auf einen Nahbereich von bis zu drei Monaten festgelegt. Agil und geschmeidig passt man sich den jeweiligen Umständen an. So entsteht eine hochdynamische Vorwärtsbewegung.
- Die Objectives («Wo will ich hin?») geben eine inspirierende Stossrichtung vor. Denn wer ankommen will, muss wissen, wohin die Reise gehen soll. Gerade selbstorganisierte Teams brauchen eine klare Ausrichtung, konkrete Orientierungspunkte und gemeinsame Ziele, denen sie folgen können. Dabei ist die Konzentration auf wenige ambitionierte Ziele pro OKR-Zyklus elementar.
- Die Key Results («Was muss ich tun, um das angepeilte Ziel zu erreichen, und wie kann ich das messen?») sorgen für Fokus. Zudem fassen sie die anvisierten Schlüsselresultate konkret in Zahlen zusammen. Dabei sollte jedes Objective drei bis maximal fünf messbare Ergebnisse haben. Diese kommen nicht «von oben», sondern werden gemeinsam im jeweiligen Team erarbeitet und festgelegt.
Die Ziele sind also der «Traum» und demnach qualitativ, die Ergebnisse sind greifbar und somit quantitativ. Der überschaubare Zeitraum macht das Ganze agil.
OKRs werden innerhalb der einzelnen Teams im Rahmen von Kurzmeetings besprochen und dann definiert – sind also keinesfalls vorgegeben. Alles bleibt in der Eigenverantwortung der Teams. Auch die Ergebnisse werden nicht von oben kontrolliert. OKRs sind zudem weder gehaltsrelevant noch sind sie an irgendwelche Anreize geknüpft. Angesprochen wird also die intrinsische Motivation. Mit OKRs können die Teams Bedeutsamkeit in ihre Arbeit bringen, Sinn erleben und Selbstwirksamkeit spüren. Für eigene Vorgaben legt man sich mit Freude ins Zeug. Wer hingegen für die Ego-Ziele anderer schuften soll, fühlt sich wie ein Lakai des Systems.
Ein zentrales Element ist Transparenz. Alle OKRs und ihr Fortschritt werden bereichs- und hierarchieübergreifend auf einem digitalen oder physischen Statusboard veröffentlicht und so für alle sichtbar gemacht. Auch die regelmässige Aktualisierung ist allen zugänglich. Das garantiert Synergien und stellt unter anderem sicher, dass die Ziele sich nicht konterkarieren.
Für das gesamte Unternehmen
OKRs werden nicht nur für einzelne Mitarbeitende, Teams und Bereiche, sondern gemeinsam auch für die ganze Firma entwickelt. Alle Beschäftigten können dazu beitragen, zum Beispiel über folgende Frage: «Auf welche drei grossen Ziele sollte sich das Unternehmen im nächsten Quartal konzentrieren?» Aus den Antworten werden passende OKRs gebildet und priorisiert, die dann für alle gelten. Ein Gremium, das aus ausgewählten Vertretern der Mitarbeitenden besteht, definiert die dazugehörigen messbaren Key Results, die herausfordernd, aber nicht unerreichbar sind. Daraus können dann OKRs für die einzelnen Teams abgeleitet werden.
Gemeinsame Workshops sorgen dafür, dass jeder die Ziele der anderen kennt und mitunterstützt. Wöchentlich gibt es kurze Status-Updates. Nach jedem Zyklus – also zwischen ein und drei Monaten – erfolgt ein Status-Review, um zunächst Erfolge und Lernfelder zu sichten und auf dieser Basis dann die folgenden OKRs zu definieren.
OKRs machen Unternehmen flexibel und zukunftsfit
Bei 70 bis 90 Prozent Zielerreichung gelten OKRs als erfüllt. Somit ist immer Luft nach oben, was anspornt. Am Ende der gewählten Periode beginnt der Vorgang von vorn. Die dazugehörigen Budgets werden rollierend, also bei der jeweiligen Zielerreichung nach vorne hin freigegen. Man bekommt nicht einfach so einen Batzen Geld für ein ganzes Jahr, sondern muss sich stets beweisen, um erneut ein Budget zu erhalten.
Die erreichten Ziele fliessen weder in die Mitarbeiterbewertung ein noch sind sie an Bonus-Malus-Systeme gekoppelt. Es sind Lernerfolge, die nebst einer kurzzyklischen iterativen Anpassung an neue Gegebenheiten und einer deutlich höheren Produktivität, das Gemeinschaftsgefühl im Unternehmen stärken.