Originelle Stelleninserate werden gelesen
Humor, Fantasie und Eigensinn können sich für ein Unternehmen sehr wohl auszahlen, wie zwei Beispiele aus der Praxis zeigen. Aber Achtung: Kopieren nützt nichts! Wenn hinter der originellen Werbung bloss ein langweiliges Unternehmen steckt, laufen die Kandidaten davon. Werbung ist immer ein Versprechen – es muss eingelöst werden.

Langweilitis? Schlaffitis? Chefitis?
In ihrer letzten Werbekampagne verkündete die ÖKK: «Däumchen-Drehitis, Familien-Ausquetschitis – Krankheiten, die es bei uns nicht gibt.» Nur konsequent, dass es bei der in Landquart domizilierten Krankenkasse auch keine «Schlaffitis», «Langweilitis» oder «Chefitis» gibt, wie sie in ihren Stelleninseraten selbstbewusst erklärt. Diese heben sich schon alleine dank der leuchtend roten Farbe vom Umgebungsgrau ab. Bemerkenswert – weil so selten – ist jedoch die offensichtlich ganzheitlich umgesetzte Kommunikationsstrategie von der ÖKK. Im Zusammenhang mit einem Re-Branding des Auftritts habe man im Januar beschlossen, Cartoons in allen Kampagnen einzusetzen.
«Die Stelleninserate sind ein Teil davon», erklärt Peter Werder, Leiter der Unternehmenskommunikation, und bekundet seine grundsätzliche Mühe mit dem Begriff des Employer Branding: «Das würde ja bedeuten, dass man in diesem Bereich eine separate Strategie fahren müsste – genau dies erscheint uns jedoch falsch.» Die ÖKK habe sich eine Gesamtstrategie verschrieben, die in den einzelnen Abteilungen umgesetzt werde, erklärt Werder und nennt ein Beispiel: Einer unserer Kernwerte im Unternehmen lautet ‹Wir sind unkompliziert›. Dieses Versprechen muss – von oben nach unten – in unseren 40 Agenturen tatsächlich gelebt und umgesetzt werden, in jedem Kundenkontakt, täglich.» Daniela Willi, Leiterin Personal und Mitglied des Kaders der ÖKK, hat auf die originellen Stelleninserate durchweg positive Rückmeldungen erhalten. «Die Inserate fallen durch Farbe und Design auf und sprechen die Leserschaft an.» Zu einem Bewerberansturm haben die Cartoons allerdings nicht geführt, was Willi nicht auf den neuen Auftritt, sondern auf den ausgetrockneten Arbeitsmarkt zurückführt.
Carpe diem auf der Baustelle
Ein äusserst spartanisches Inserat mit einer geradezu mysteriös klingenden Botschaft war vor einiger Zeit im Stellenanzeiger des «Tages-Anzeigers» zu entdecken: «Jetzt häts gschället ... carpe diem. Du: Bauleiter – Wir: Baumanagement / GU-Team.» Dazu Name und Kontaktdaten eines Generalunternehmens. Geschäftsführer Remo Schällibaum appellierte damit weniger an die Lateinkenntnisse der potenziellen Mitarbeitenden, sondern setzte eine bereits begonnene Imagewerbung konsequent um. Der Slogan «Jetzt häts gschället» – jeweils in Kombination mit Informationen über Schällibaum – erklingt an den Eishockey-Matchs im Zürcher Hallenstadion, wenn ein Spieler auf die Strafbank geschickt wird. Es ist kaum wahrscheinlich, dass alle Bewerber diesen Zusammenhang kennen – dennoch war die Resonanz auf das Stelleninserat «sensationell», wie Schällibaum erklärt. Mit klassischen Inseraten im Stil von «Wir sind die Besten – wir suchen die Besten» habe er keine guten Erfahrungen gemacht, erzählt er, und damit auch kaum Resonanz erzielt. Im komplett ausgetrockneten Bausektor sind ohnehin kaum Bauleiter, Hochbauzeichner oder andere qualifizierte Fachkräfte zu finden – Grund genug, etwas zu riskieren und anders als die anderen aufzutreten, meint Schällibaum.
Der Erfolg gibt dem findigen Generalunternehmer recht: Dutzende von Bewerbungen kamen bereits nach einmaligem Erscheinen, ein Bauleiter und drei Zeichner wurden eingestellt. Wer wagt, gewinnt!