People Analytics: Wunsch und Realität
Fachkräftemangel, Digitalisierung, Great Resignation: Besser als auf Trends zu reagieren, ist ihnen einen Schritt voraus zu sein. HR-Kennzahlen und People Analytics weisen den Weg in die Zukunft.
People Analytics ist ein starkes Tool – vorausgesetzt, es werden die richtigen Kennzahlen gesetzt. (Bild: Ryoji Iwata/Unsplash)
In vielen Unternehmen werden Daten gesammelt und unzählige Kennzahlen angewendet. Doch braucht es diese wirklich alle? So mancher fragt sich, ob man mit ein paar Basiskennzahlen schon viel bewegen kann oder ob man promovierter Statistiker sein muss, um mit People Analytics einen Mehrwert zu schaffen.
People Analytics kann unterschiedlich breit gefasst werden – vom Arbeiten mit HR-Kennzahlen bis hin zu komplexen statistischen Analysen oder dem Einsatz von künstlicher Intelligenz über unterschiedliche Datenbanken hinweg. Pragmatisch gesehen bedeutet People Analytics, mitarbeiterbasierte Daten so zu strukturieren und zu interpretieren, dass Probleme frühzeitig erkannt werden, datenbasierte Entscheide im HR möglich sind und Fragen und Hypothesen von der Linie beantwortet werden können. Eigene komplexe statistische Analysen klingen zwar vielversprechend, sind aber oft nicht nötig, weil zu vielen HR-Anliegen eine fundierte Grundlagenforschung verfügbar ist. Beispielsweise, welche Themen für die Mitarbeitermotivation relevant oder was die häufigsten Austrittsgründe sind.
Die «Forming-Phase» einer jungen Disziplin
In einer breit angelegten Studie zu Digitalisierung und Kennzahlen «Digital HR 2022» wollte Avenir deshalb von HR-Verantwortlichen in der Schweiz wissen, wie sie dieses Thema angehen, was sie messen und wo sie die grössten Herausforderungen sehen. Das Ergebnis zeigt: HR hat sich in den letzten Jahren auf den Weg zu zahlenbasierten Entscheidungen gemacht, steht bezüglich Kennzahlen und People Analytics aber noch am Anfang.
So gaben 95 Prozent der teilnehmenden Organisationen an, sich mit HR-Kennzahlen und People Analytics im weitesten Sinn zu beschäftigen. Erst 8 Prozent der befragten HR-Abteilungen nutzen Strategiekennzahlen jedoch bewusst als Entscheidungsbasis. Die grosse Mehrheit hat entweder zu wenige oder ungeeignete Kennzahlen zur Verfügung oder so viele, dass der Nutzen verloren geht. Wahrscheinlich sind das aber sehr optimistische Prozentsätze, denn bei einer Studie zum Thema HR-Digitalisierung und Kennzahlen nehmen tendenziell Organisationen teil, die sich für das Thema interessieren. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass der Prozentsatz der Unternehmen, die mit ihrem Kennzahlensystem Mehrwert schaffen, um einiges tiefer liegt.
Die beliebtesten Kennzahlen
Am häufigsten sind laut der «Digital HR 2022»-Studie in der Praxis jene Kennzahlen vertreten, die sich schon vor Jahren etabliert haben: Headcount, Informationen aus den HR-Stammdaten (Alter, Geschlecht, Hierarchielevel) und Fluktuationskennzahlen. Dazu kommen Auswertungen zu Langzeitabsenzen und die eine oder andere Kennzahl zum Thema Rekrutierung: Ein Bereich, in dem es eine Fülle von Kennzahlen-Möglichkeiten gibt, von denen sich aber noch keine durchgesetzt zu haben scheint. Beispiele dafür sind das Zählen der offenen Stellen oder eingehenden Bewerbungen und Prozesskennzahlen wie Time-to-hire oder Cost-per-hire bis hin zu Qualitätsbewertungen von Bewerbungen und dem Bewerberverhalten.
Die grössten Knacknüsse
Bei der Frage, welche HR-Kennzahlen den Organisationen aktuell fehlen, war der Antwort meist keine spezifische Angabe zu entnehmen. Vielmehr scheint das Kennzahlenmanagement die grösste Baustelle in Unternehmen zu sein. So werden Kennzahlen nicht gezielt erhoben, sondern jene verwendet, die vorhanden sind. Dadurch gibt es nur lose Kennzahlen anstelle eines zusammenhängenden Kennzahlensystems. Ausserdem fehlen gute Visualisierungen, weshalb auch keine Möglichkeit besteht, Auffälligkeiten oder Probleme frühzeitig zu erkennen.
Während Kennzahlen zu HR-Stammdaten meist zumindest teilweise vorhanden sind, fehlen Kennzahlen zum Mitarbeiterlebenszyklus oft gänzlich. Langzeitabsenzen treffen Organisationen daher häufig unerwartet, während Performance Ratings aus Mitarbeiterbeurteilungen meist nichts über die Gesamtleistung einer Einheit aussagen und der Transfer aus Weiterbildungsinvestitionen ungewiss bleibt. Oft ist so kein verlässlicher Indikator vorhanden, der zeigt, in welchen Bereichen die Organisation gut oder schlecht unterwegs ist.
Checkliste: Erfolg mit People Analytics und Kennzahlen
Was bedeutet dieser Einblick in die Praxis rund um People Analytics für die eigene Organisation? Folgende Punkte sollten Unternehmen beachten, um nicht in einer Sackgasse zu landen:- Es gibt nicht «die» korrekte Kennzahl – es kommt auf die Passung auf die eigene Organisation an.
- Mehr ist nicht automatisch besser: Stattdessen sollten sich Firmen darauf konzentrieren, welche Kennzahlen den Fortschritt der Organisations- und HR-Strategie am besten abbilden. Wenn das Thema «Fachkräftemangel» bearbeitet wird, sollte dafür eine Rekrutierungskennzahl gewählt werden. Welche ist dabei oft zweitrangig, es sollte aber eine sein, die einfach verfügbar ist.
- Kennzahlen werden dann am spannendsten und aussagekräftigsten, wenn sie in einen Kontext gesetzt werden: Unternehmen sollten daher pro Etappe im Mitarbeiterlebenszyklus bis zu zwei Kennzahlen wählen und sicherstellen, dass diese im Zusammenhang mit den Mitarbeiterstammdaten ausgewertet werden können. Das heisst, beispielsweise Aus- und Weiterbildung nach Organisationseinheit, Alter, Geschlecht, Level, gegebenenfalls auch Funktion zu analysieren.
- Harte und weiche Daten verknüpfen: Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass weiche Daten aus Mitarbeiterbefragungen gute Prädiktoren für Auswirkungen auf harte Daten sein können, die zeitverzögert sichtbar werden. So sind die Einschätzung des eigenen Gesundheitszustands ein Prädiktor für die künftige Ausfallswahrscheinlichkeit oder die Selbsteinschätzung des Engagement-Levels ein Prädiktor für Fluktuation, Qualität und sogar den zukünftigen Unternehmenserfolg.
- Gut visualisiert – einfach verständlich: Für maximalen Nutzen der HR-Kennzahlen sollten diese so aufbereitet sein, dass die Linie sie einfach und gut visualisiert abrufen kann.
Wer es schafft, die richtigen Kennzahlen auszuwählen und eingängig darzustellen, hat ein mächtiges Instrument zur Hand, mit dem das Unternehmen erfolgreich gesteuert werden kann und Probleme frühzeitig erkannt und Erfolge erzielt werden können.