Personalentwicklung als zentraler Faktor für eine erfolgreiche Internationalisierung
Das Thema Internationalisierung hat bei Schweizer KMU an Bedeutung gewonnen. Während viele Grossunternehmen bereits international vertreten sind, stehen KMU vor der Frage, ob und wenn ja wie sie sich internationalisieren sollen.
KMU wählen für ihre Internationalisierung eher nahe Ziele und bauen selten gleichzeitig mehrere Auslandstandorte auf. (Bild: Archiv)
Ein Forschungsprojekt der Hochschule Luzern – Wirtschaft folgt den Indizien, dass KMU bei einer Internationalisierung anders vorgehen als Grossunternehmen. Insbesondere sind Unterschiede in der Art und Weise auffällig, wie KMU entscheiden, ihre Internationalisierung zu bestreiten: KMU greifen dabei primär auf Intuition und Bauchgefühl zurück, so die Annahme.
Internationalisierung – Rationalität versus Intuition
Die Motive der Grossunternehmen sind meist vielfältig. Insbesondere geht es um die Nutzung von Kostenvorteilen unter der Minimierung der Transaktionskosten, die Verfolgung von Wachstumschancen in neuen Märkten und/oder die Stärkung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit. Natürlich spielt auch der Zugriff auf spezifisches, hierzulande fehlendes Know-how eine Rolle. Grossunternehmen internationalisieren die Glieder ihrer Wertschöpfungskette nach strategischen Überlegungen. Meist wählen sie Produktionsstandorte dort, wo am günstigsten produziert werden kann – so genannte Low-Cost-Länder – und ihre Marketing- und Verkaufsstandorte in Regionen, wo ein hoher Ertrag generiert werden kann – so genannte High-Income-Länder.
Internationalisierung
Grossunternehmen | KMU | |
---|---|---|
Beweggrund | Nutzung von Kostenvorteilen, Verfolgung von Wachstumschancen, Stärkung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit | Meist Kostenreduktion als zentraler Initiator |
Wahl der Standorte | Strategische Auswahl; Kosten- / Ertragsoptimierung | Räumliche Beschränkung auf ein Land; bevorzugt in der Nähe zur Schweiz |
Entscheidungsmodell | Eher Rationalität | Eher Intuition |
Die hingegen meist beschränkte Ressourcensituation von KMU grenzt diese in ihrer räumlichen Expansion ein, obwohl sie natürlich auch ähnliche Ziele (z.B. Wachstumschancen), wie die Grossunternehmen verfolgen. KMU wählen eher nahe Ziele und bauen selten gleichzeitig mehrere Auslandstandorte auf.
Bezüglich der Entscheidungsmodelle ist erkennbar, dass Grossunternehmen ihre Internationalisierungsstrategien rational fundieren. Märkte und Länder werden in aufwendigen Due Diligence Verfahren bezüglich ihrer wirtschaftlichen Attraktivität bewertet und analysiert. Internationalisierungsentscheide werden mit erheblichem Mitteleinsatz anhand von Bewertungskriterien und Kennzahlen tendenziell rational begründet. Im Gegensatz dazu können KMU meist nicht auf umfassende Ressourcen zählen und sind eher von der Expertise einzelner Entscheidungsträger (Familienunternehmer/CEO) – abhängig. Folglich ist die KMU-Internationalisierung meist von Zufällen, Opportunismus, Emotionen, Bauchentscheidung, Intuition-Strategien und Personennetzwerken geprägt. Das muss rational kein Nachteil sein. Im Gegenteil: Es ist unter der Ressourcenlage rational, auf Irrationalitäten zu setzen.
Gerade in Anbetracht der Personenorientierung stellen sich die Fragen nach den «richtigen» Entscheidungsträgern und deren notwendigen Eigenschaften, die eine Internationalisierung in einem KMU erfolgreich vorantreiben, ihre Intuition nutzen und Entscheidungen unter Unsicherheiten treffen können. Die richtigen Mitarbeitenden müssen selektiert, ihre Fähigkeiten und Potenziale entwickelt werden. Für eine erfolgreiche Internationalisierung werden ein KMU-adäquates Personalmanagement und eine passende Personalentwicklungsfunktion zur notwendigen Bedingung.
Potenziale erkennen und fördern
Gemäss Höfler et al. (2012) ist besonders in Veränderungsprozessen wie z.B. eines «going international» das Wissen um und das Nutzen von Mitarbeiterpotenzialen erfolgsentscheidend. Insbesondere stellen sich Fragen wie: Welchen Mitarbeitenden im Unternehmen trauen wir die neuen Aufgaben und Herausforderungen zu? Wer braucht Unterstützung oder könnte sich durch diese Phase wertvoll weiterentwickeln? Wo brauchen wir neue Qualitäten von aussen?
Gerade im KMU-Kontext stellt sich zudem die Herausforderung, Mitarbeitende auszuwählen, welche über die Fähigkeit verfügen, rational zu handeln aber auch der Intuition den nötigen Raum zu geben. Das gilt insbesondere für die Entscheidungsträger.
Falls kein Mitarbeiter-Portfolio und kein Talent-Pool laufend geführt werden, wäre der Start eines Internationalisierungsprojektes ein guter Zeitpunkt, sich im Managementteam des KMU über Schlüsselpersonen und deren Leistungen und Potenziale zu unterhalten und systematisch Personalentwicklung zu implementieren. Die Internationalisierung eines KMU kann dazu genutzt werden, unternehmerisches Handeln und den Einbezug von Intuition als erweiterte Entscheidungsgrundlage aktiv im Rahmen von Coaching zu fördern. So können sich KMU einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Grossunternehmen auf dem internationalen Parkett erarbeiten.
Dabei kann es nicht darum gehen, in einem KMU eine ressourcenstarke Personalabteilung einzuführen, als viel mehr, sensibel für die Personalentwicklungsfunktion zu werden und die alltäglich genutzten und impliziten Eigenschaften (Opportunismus, Emotionen, Bauchentscheidung, Intuitionen, Beziehungsorientierung), die in einem KMU gelebt werden, bewusst zu professionalisieren. Und genau dafür reicht zu Beginn sogar einfach der Einbezug eines (externen) Coachs, im besten Fall, ein intuitions-sensibler Internationalisierungscoach. Dieser ist es auch, der innerhalb des Führungskreises eines KMU einen Potenzialsuchprozess moderieren kann. Das ist eine Investition, die für jedes KMU mit Ambitionen für eine Internationalisierung überschaubar und zu leisten Wert ist.
Tipps für eine erfolgreiche Internationalisierung im Rahmen einer Personalmanagementfunktion
- Die Personalentwicklung von Beginn an in das Internationalisierungsprojekt involvieren.
- Systematische und bewusste Analyse der Potenziale der Mitarbeitenden.
- Nutzen von internen Potenzialen und Einbezug von neuen Qualitäten wo nötig / sinnvoll.
- Nutzung des Veränderungsprozesses als Gelegenheit, Mitarbeitende mit Potenzial weiter zu entwickeln.
- Guter Mix zwischen Intuition und systematischer, rationeller Vorgehensweise.
- Mitarbeitende aktiv auf den Veränderungsprozess vorbereiten; aktive und transparente Kommunikation.
Literatur und Buchtipp
Höfler, M., Bodingbauer, D., Dolleschall, H. und Schwarenthorer, F u.a. (2012): Abenteuer Change Management, Handfeste Tipps aus der Praxis für alle, die etwas bewegen wollen. Frankfurt am Main: F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH.