Psychologische Tests in der HR-Praxis: Eine Analyse

Psychologische Tests können in verschiedenen Bereichen des Personalmanagements eingesetzt werden. Unklar ist jedoch, wie oft und welche Tests Schweizer Unternehmen nutzen. Ebenso ist unklar, wie die HR-Community solche Instrumente bewertet. In einer aktuellen Studie ist die FHNW diesen offenen Fragen nachgegangen.

Psychologische Tests können für verschiedene Zwecke eingesetzt werden, beispielsweise im Rahmen der Personalauswahl, der Personalentwicklung sowie der Karriereberatung. Tests können dabei wertvolle Informationen über die Kompetenzen von Bewerbenden und Mitarbeitenden liefern. Da die Tests in der Regel online eingesetzt werden, lassen sie sich zeit- und kosteneffizient nutzen. Im Idealfall liefern sie ein aussagefähiges Profil von Bewerbenden und Mitarbeitenden.

Es gibt aber auch Argumente, die gegen den Einsatz von Tests sprechen. Zum einen können Tests von den getesteten Personen als intransparent empfunden werden und das Vertrauen in den Arbeitgeber beeinträchtigen, was gerade in Zeiten des Fachkräftemangels problematisch wäre. Zudem ist die Aussagekraft von Tests umstritten, da sie beispielsweise zu wenig auf die individuelle Biografie von Personen eingehen. Schliesslich erfordert die Auswertung von Tests spezifisches Fachwissen, das nicht in allen Unternehmen vorhanden ist.

Qualität der Tests ist oft schwierig einzuschätzen

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die Praxis des Einsatzes psychologischer Tests in Schweizer Unternehmen einer detaillierteren Analyse zu unterziehen. Dabei interessiert besonders, wie verbreitet deren Einsatz ist, welche Erfahrungen damit gemacht wurden und wie die HR-Community die Vor- und Nachteile einschätzt.

Die Daten der Studie zeigen, dass rund zwei Drittel der befragten Unternehmen psychologische Tests einsetzen, wobei Persönlichkeitstests (88 Prozent) deutlich häufiger im Einsatz sind als Leistungstests (12 Prozent).

Anzahl Nennungen von Tests
Abbildung 1: Einsatzhäufgkeit von Tests

In der Abbildung 1 werden die am häufigsten eingesetzten Testverfahren aufgeführt. Darunter befinden sich einzelne Tests, wie das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP) oder der Intelligenz-Struktur-Test (IST), die durch unabhängige Fachpersonen wissenschaftlich positiv begutachtet wurden und die über einen wissenschaftlichen Verlag angeboten werden. Der grösste Teil der eingesetzten Instrumente wurde jedoch von Beratungsfirmen entwickelt und wird von diesen exklusiv oder per Franchise-System vertrieben. Bei diesen Angeboten ist es für interessierte Unternehmen oft schwierig, die Qualität einzuschätzen, da die von Beratungsunternehmen angebotenen Tests oft schlecht dokumentiert sind. Es fehlen teils Angaben zur wissenschaftlichen Fundierung und den einschlägigen Gütekriterien.

Problematisch erscheint auch, dass einige der am häufigsten genutzten Testverfahren sich einer typenbildenden Taxonomie bedienen: Menschen werden in einige wenige Kategorien eingeteilt. Zu diesen Typentests gehören die Master Personality Analysis (MPA), der DISG-Test, der Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI) oder der Insights-Test. Typentests werden der Vielfalt menschlicher Persönlichkeitsausprägungen nicht gerecht.

Einsatzgebiete

Von den Unternehmen, die Tests einsetzen, nutzen 59 Prozent diese sowohl für die Personalauswahl als auch für die Personalentwicklung. 27 Prozent nutzen Tests lediglich für die Personalauswahl, während 14 Prozent sie bloss in der Personalentwicklung einsetzen. Schwerpunktmässig werden Führungskräfte getestet. Aber auch bei Mitarbeitenden ohne Führungsfunktionen, wie Fachspezialistinnen und -spezialisten, werden psychologische Tests gelegentlich hinzugezogen. Auszubildende, Trainees, Hochschulabsolventinnen und -absolventen oder Mitarbeitende ohne Ausbildung werden hingegen selten oder gar nicht getestet (siehe Abbildung 2).

Zielgruppen für Testeinsatz
Abbildung 2: Zielgruppen für Testeinsatz

Unterschiede Deutschschweiz – Romandie

Beide Regionen zeigen Eigenheiten in Bezug auf den Einsatz psychologischer Tests. Die Daten verdeutlichen, dass in der Romandie psychologische Tests im Rahmen von Personalentscheidungen deutlich häufiger eingesetzt werden. Während dies bei knapp der Hälfte der Befragten aus der Deutschschweiz der Fall ist, sind es bei jenen aus der Romandie fast drei Viertel. Interessanterweise zeigen sich auch deutliche Präferenzen hinsichtlich der eingesetzten Testverfahren: Während in der Deutschschweiz der BIP zur Persönlichkeitstestung bevorzugt wird, kommt in der Romandie vorzugsweise der Wave zum Einsatz.

Pro und Kontra Testeinsatz

Welche Argumente sprechen für den Einsatz solcher Tests? Empirisch zeigt sich, dass die befragten Praktikerinnen und Praktiker, welche Tests einsetzen, die Verfahrensqualität und die wissenschaftlichen Fundierung schätzen. Die Firmen versprechen sich eine Minimierung von Fehlbesetzungen. Auch die Handhabbarkeit und der ökonomische Einsatz im Sinne eines zügigen Return on Investment zeigen eine hohe Korrelation mit dem Einsatz psychologischer Tests.

Die Entscheidung, in einem Unternehmen auf psychologische Tests zu verzichten, wird oft mit einem hohen Aufwand begründet. Die Daten zeigen, dass vermutete Kosten und Zeitaufwand mit dem tatsächlichen Testeinsatz negativ korrelieren. Darüber hinaus äussern Unternehmen auch Bedenken über mögliche Risiken. Sie befürchten, dass Bewerbende Tests nicht akzeptieren und dass die Arbeitgeberattraktivität durch hoch standardisierte Selektionsverfahren sinkt.

Fazit und Empfehlung

Psychologische Tests werden in der Personalauswahl und -entwicklung verwendet. Die Gründe dafür werden sorgfältig abgewogen. Interessanterweise schätzen Anwendende die Ökonomie der Instrumente, wohingegen Nichtanwendende sich vor den Kosten scheuen. Hier könnte ein Informationsdefizit vorliegen. Bedenklich stimmt die häufige Verwendung fragwürdiger Tests. In der wissenschaftlichen Community herrscht Konsens, dass Typentests nicht zielführend sind. Das wird nicht nur allen Psychologie-Studierenden im ersten Semester vermittelt, sondern auch in zahllosen Fachbeiträgen artikuliert. Warum wird der MBTI trotzdem eingesetzt? Ein wesentlicher Grund dürfte in der Intransparenz des Testmarkts liegen. Interessierte Unternehmen greifen in Ermangelung fundierter Informationen auf «Hörensagen-Informationen» zurück: «Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht.»

Der Testmarkt ist in weiten Teilen so intransparent, dass fundierte Vergleiche nur mit grossem Aufwand möglich sind. Daher kommt es nicht zu einer notwendigen Bereinigung des Markts von minderwertigen Tests. Es setzen sich nicht die qualitativ hochwertigsten durch, sondern jene mit dem besten Marketing.

Es gibt einige hochwertige Informationsangebote über Tests. Von verschiedenen Fachkommissionen wurden Standards zur Bewertung von Tests erarbeitet und auf viele Tests angewendet. Die Schweizer Norm zur Eignungsdiagnostik (SN 33430), die eine Weiterentwicklung der DIN-Norm 33430 darstellt, und das mit ihr verzahnte Test-Bewertungssystem (TBS) liefern detaillierte Angaben zur Bewertung der Qualität von psychologischen Tests. Das TBS wurde 2006 erarbeitet und wird seither zur Bewertung von psychologischen Tests eingesetzt. Unabhängig davon beschäftigt sich die Fachgruppe Diagnostik des Schweizerischen Dienstleistungszentrums Berufsbildung, Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung mit der Qualität von Tests.

Die genannten Angebote liefern für viele Tests ausführliche Besprechungen und stellen eine hervorragende Entscheidungsgrundlage dar. Allerdings bleibt trotz der Bemühungen der Fachverbände der Testmarkt in weiten Teilen undurchsichtig, denn es ist nicht möglich, die grosse Anzahl ständig neu entstehender Tests ausnahmslos zu begutachten. Daher empfiehlt es sich für interessierte Unternehmen, die eigenen Kompetenzen in diesem Bereich durch einschlägige Weiterbildungen zu stärken oder externe Expertise zur Testbeurteilung hinzuzuziehen.

 

Zur Studie

Im Sommer 2024 wurden von der FHNW 183 HR-Fachpersonen im Rahmen einer Online-Studie nach ihrer Einschätzung und der Verwendung von psychologischen Tests gefragt. Fachpersonen aus der Romandie und der Deutschschweiz waren dabei in etwa gleich stark vertreten. Bezüglich der Unternehmensgrösse wurde auf eine ausgewogene Mischung aus KMU und Grossunternehmen (> 250 Mitarbeitende) geachtet. Ein Grossteil der Befragten (90 Prozent) verfügt über einen tertiären Bildungsabschluss.

Eine ausführliche, detaillierte Auswertung kann bei der Erstautorin per E-Mail an tanja_senn@outlook.com angefordert werden.

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Tanja Senn

Tanja Senn ist Absolventin des Master­studiengangs Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie der Hochschule für Angewandte Psychologie, Fachhochschule Nordwestschweiz.

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Prof. Dr. Benedikt Hell ist Dozent an der Hochschule für Angewandte Psychologie (FHNW) und Studiengangsleiter CAS Angewandte Psychologie für die HR-Praxis, Personalauswahl und Personalentwicklung.

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